Mit dem überraschenden Aufstieg des FC Blackpool in die Premier League ist ein Verein in die oberste Spielklasse gekommen, der nicht gegensätzlicher zum aktuellen Liga-Inventar sein könnte.
Selbst bei den anderen Aufsteigern, Newcastle United und West Bromwich Albion, tauchen illustre Namen wie Scott Carson, Fabio Coloccini und Jonas Gutierrez auf den Spielberichtsbögen auf - bei Blackpool sucht man vergebens nach namhaften Spielern. Selbst in der Championship (zweite englische Liga) hatte niemand die Tangerines für den Aufstieg auf dem Zettel.
"Letzte Saison haben uns die Buchmacher und Zeitungen als Abstiegskandidat Nummer 1 gesehen - und wir sind trotzdem aufgestiegen. Obwohl wir den zweitschlechtesten Zuschauerschnitt und einen der kleinsten Etats hatten", sagt Hardcore-Fan John Campell, der den einzigen Blog über den FC Blackpool betreibt, im Gespräch mit SPOX.
Und fügt an: "Die nächste Saison zu überleben, wird nicht einfach sein. Aber wir sind letzte Saison auch aufgestiegen, obwohl alles gegen uns sprach. Warum sollten wir dann nicht wieder das Unmögliche schaffen?"
Fünf Neuzugänge auf einen Schlag
In der Tat spricht alles gegen Blackpool. Die Mannschaft besteht fast ausschließlich aus Nobodies, der Star des Teams heißt Charlie Adam. Jener Charlie Adam machte in sechs Jahren bei den Glasgow Rangers nur 60 Spiele und schaffte nie den Durchbruch. Trotzdem haben die Tangerines die vereinseigene Rekordablöse für den Schotten auf den Tisch gelegt: 500.000 Pfund. Was wie ein Witz in Zeiten der Abramowitschs und Glazers klingt, ist Alltag in der Küstenstadt.
Auf dem Transfermarkt hielten sich die Vereins-Bosse lange Zeit zurück, fast zu lange. Doch wenige Tage vor dem ersten Punktspiel wartete der Klub mit einer kuriosen Meldung auf: Gleich fünf Spieler wurden neu verpflichtet - meist junge, bislang bei großen Klubs nicht in Erscheinung getretene Spieler. Die kostengünstige Variante eben. Der bekannteste Name dabei ist Marlon Harewood. Der bullige Mittelstürmer hat zumindest schon Erfahrung in der Premier League vorzuweisen (22 Tore in 98 Spielen).
Der Rest des Quintetts, darunter drei Franzosen, ist dagegen weitgehend unbekannt: Von ZSKA Sofia kommt der französische Mittelfeldspieler Elliot Grandin (22), aus Monaco dessen Landsmann Malaury Martin (21). Vom tschechischen Klub Mlada Boleslav wechselt Ludovic Sylvestre (26) zu Blackpool. Das Transfer-Spektakel komplettiert der nordirische Innenverteidiger Craig Cathcart (22), der zwar bei Manchester United unter Vertrag stand, meist aber an kleine Klubs ausgeliehen wurde.
Stadionumbau seit zehn Jahren
Bei englischen Buchmachern erhält man 1,25 Euro, wenn man einen Euro auf den Abstieg von Blackpool setzt. 1,80 Euro bekommt man immerhin für einen Euro Einsatz, wenn Blackpool als Tabellenletzter die Saison abschließt. Manche sprechen sogar vom "schlechtesten Team, das jemals in der Premier League gespielt hat."
Das Stadion spielt in ähnlichen Dimensionen: In die Bloomfield Road passen rund 12.500 Zuschauer rein und sie befindet sich seit über zehn Jahren im Umbau, weil der Verein partout keine Schulden machen möchte. Der FC Blackpool ist der einzige Klub in der Premier League, der schuldenfrei in die Saison startet. Auf die restlichen Vereine drückt insgesamt eine Schuldenlast von über zwei Milliarden Euro.
"Der Mann, der uns zeigte, wie Fußball gespielt werden sollte"
Insgesamt 39 Jahre dümpelte der Verein in den Niederungen des englischen Profifußballs herum. Nur mit Hilfe der FA konnte man den Absturz in die Fünftklassigkeit und damit in den Amateurfußball verhindern.
Dabei ist die Historie des Traditionsvereins nicht zu verachten: Der wohl beste englische Fußballer aller Zeiten, Sir Stanley Matthews, spielte insgesamt 14 Jahre beim FC Blackpool. Der Jahrhundertsportler Pele sagte mal über ihn, dass er "der Mann ist, der uns beigebracht hat, wie Fußball gespielt werden sollte".
Zusammen mit Stan Mortensen bildete Matthews eines der besten Sturmduos, die England je gesehen hat. Durch die beiden Nationalspieler gehörte Blackpool fast zehn Jahre lang zu den besten Klubs der ersten Liga. 1951 war das Sturmduo auch am größten Triumpf der Tangerines beteiligt: Dem Gewinn des FA-Cups.
Aufstieg im Wembley
Zum Beginn der vergangenen Saison hat niemand in Blackpool von dem Aufstieg in die Premier League geträumt, geschweige denn das als realistische Option wahrgenommen. Die goldenen Jahre nur noch als Erinnerungen, die mit dem Alltag nichts gemein haben. Man war erst ein Jahr davor in die zweite Liga aufgestiegen und wollte einen Schritt nach dem anderen machen. Die Saison lief jedoch überraschend gut, so dass man sich fast über die gesamte Dauer im oberen Drittel der Tabelle festsetzen konnte.
Am vorletzten Spieltag schob sich der FC Blackpool an Swansea City auf Rang sechs vorbei und konnte die Position bis zum Saisonende halten. Dieser Platz reicht für die Playoffs um den Aufstieg in die Premier League. Nottingham Forest, Leicester City, Cardiff City und der FC Blackpool waren somit für die Relegation qualifiziert.
Nachdem man gegen Nottingham Forrest mit zwei Siegen (2:1, 4:3) weitergekommen war, kam es am 22. Mai zum entscheidenden Spiel gegen Cardiff City im Wembley Stadium. Vor 90.000 Zuschauern lag man zweimal zurück, am Ende gelang mit einem 3:2-Sieg jedoch der Aufstieg in die Premier League.
"Nachdem wir Nottingham Forest geschlagen hatten, wusste ich, dass wir auch das Endspiel gewinnen, egal gegen wen. Wir hatten das Momentum und den Glauben. Selbst als wir durch das Tor von Chopra hinten lagen, war es niemals ein Problem. Sie hätten sechs Tore machen können, dann hätten wir halt sieben gemacht", erzählt Blogger Campbell, der live im Wembley vor Ort war.
Der sportliche Aufstieg steht an zweiter Stelle
Der Aufstieg wird im Nordwesten Englands als glücklicher Unfall angesehen. Im Falle eines sofortigen Wiederabstiegs bricht keine Welt in Blackpool zusammen, Trainer Ian Holloway hat den Kader sogar dafür ausgelegt. Als der FC St. Pauli 2001 in die Bundesliga aufgestiegen ist, befanden sie sich in einer ganz ähnlichen Situation.
Die Mannschaft war total überraschend aufgestiegen und eigentlich viel zu schwach, um in der Liga mithalten zu können. Beim Kiez-Klub übernahm man sich in der Folge total und tauschte fast die komplette Mannschaft mit teureren Spielern aus. Am Ende stand trotzdem der Abstieg fest und der Verein stand kurz vor seinem finanziellen Aus. Nur dank verschiedenster Aktionen konnte kurzfristig Geld akquiriert werden, um den FC St. Pauli zu retten.
Dieser Fall wird bei den Tangerines nicht eintreten. Wenn es am Saisonende nur für einen der drei letzten Plätze reicht, kann man mit der kompletten Mannschaft in die neue Saison gehen. Alle Verträge sind in auch in der zweiten Liga gültig und bezahlbar.
Das sportliche Abschneiden steht eher an zweiter Stelle, der Aufstieg soll vor allem der krisengeplagten Region helfen. Bei der Aufstiegsfeier in Blackpool, an der rund 20.000 Menschen teilnahmen, formulierte es Stadtrat Peter Callow wie folgt: "Der Aufstieg ist ein riesiger Erfolg, der vor allen der Stadt einen großen wirtschaftlichen Schub sichern wird."
Alles zur Premier League