Einstweilige Verfügung: Showdown in Texas

Von Andreas Lehner
Vor dem High Court of Justice wurde über die Zukunft des FC Liverpool entschieden
© Getty

Der FC Liverpool schien den Zusammenbruch abgewendet zu haben, aber dann kamen die Noch-Eigentümer Tom Hicks und George Gillett mit der nächsten Hiobsbotschaft um die Ecke. Die Zukunft des Vereins ist stärker gefährdet als je zuvor.

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Es war nicht die übliche Klientel, die sich am Dienstag und Mittwoch vor dem "High Court of Justice" in London tummelte. Leute mit roten Trikots, Schals und Spruchbändern hatten sich versammelt, um hautnah dabei zu sein, wenn das Urteil über die Zukunft ihres Klubs gefällt wird. Unerfreulicherweise nicht auf dem Rasen in Anfield, sondern im Gerichtssaal 18 des High Courts.

"Not Welcome Here" war auf einem Banner zu lesen - eine Nachricht an die bisherigen Besitzer des FC Liverpool: die US-Amerikaner Tom Hicks und George Gillett. Der Spruch bezog sich natürlich eher auf die Anfield Road als auf den High Court. Denn genau da wollten die Fans des FC Liverpool die beiden "Yanks" schon lange sehen, vor Gericht.

Liverpool droht die Insolvenz

Hicks und Gillett hatten den FC Liverpool im Februar 2007 mit großen Versprechen (neue Spieler, neues Stadion) übernommen und die dafür von der Bank gewährten Darlehen auf den Klub übertragen. Seitdem leiden die Reds unter diesem wirtschaftlichen Joch.

Der endgültige Zusammenbruch droht am 15. Oktober. Dann wird eine Rückzahlung über 237 Millionen Pfund an die Royal Bank of Scotland (RBS) fällig. Sollte Liverpool diese Forderung nicht erfüllen können, würde der Verein Insolvenz anmelden müssen und in die Hände der Bank fallen.

Die sportliche Folge wären laut den Regularien der Premier League neun Punkte Abzug in der Liga. Momentan liegen die Reds mit sechs Punkten auf Platz 18 der Tabelle.

NESV bekommt Zuschlag

Deshalb suchen alle Parteien seit Wochen und Monaten nach einem potentiellen Käufer, der die Schulden deckt. Nur standen Hicks und Gillett mit überzogenen Preisvorstellungen jedem Verkauf bisher im Wege.

Vergangene Woche aber akzeptierte der Vorstand um den unabhängigen Vorsitzenden Martin Broughton - er wurde im April im Zuge einer Refinanzierungsabmachung zwischen der Bank und den Eigentümern eingesetzt, um den Verkauf zu überwachen - ein Angebot der New England Sports Ventures (NESV) über 300 Millionen Pfund.

Hicks und Gillett: 144 Millionen Pfund Verlust

Viel zu wenig für Hicks und Gillett. Das Angebot liege ihrer Ansicht nach weit unter dem wahren Wert des Vereins. Außerdem würden die beiden US-Amerikaner 144 Millionen Pfund verlieren. Die Summe, die sie 2007 in die Kop Holding investierten.

Also versuchten die beiden, die Entscheidung des Vorstands zu überstimmen. Hicks wollte kurzfristig die beiden Vorstandsmitglieder Christian Purslow und Ian Ayre durch seinen Sohn und einen weiteren Vertrauten ersetzen.

Deshalb sah man sich am Dienstag und Mittwoch vor Gericht wieder. Die Royal Bank of Scotland gegen Hicks und Gillett. Es ging um die Frage, ob die beiden Eigentümer das Recht haben bei einem Verkauf ein Veto einzulegen und Vorstandsmitglieder auszutauschen.

"We love you, Martin, we do"

Das Gericht erklärte das Vorgehen von Hicks und Gillett als unzulässig. Richter Floyd verpflichtete die Noch-Besitzer sogar, den Vorstand in seiner vorherigen Form wieder einzusetzen und die Gerichtskosten in Höhe von rund 500.000 Pfund zu übernehmen.

Der Weg zum Verkauf schien damit frei und die drohende Apokalypse in Form einer Insolvenz abgewendet. "Der Gerechtigkeit wurde genüge getan", sagte Broughton. Purslow erlebte einen "großartigen Tag für den Klub", endlich könne man sich wieder auf den Fußball konzentrieren.

Das Urteil wurde von den Fans vor dem Gerichtsgebäude erwartungsgemäß euphorisch aufgenommen. "We love you, Martin, we do", sangen die Fans, als Broughton das Gericht verließ. Und natürlich durfte auch ein innbrünstiges "You'll never walk alone" nicht fehlen.

Hicks und Gillett hatten indes immer wieder beteuert, dass der Vorstand nicht im Sinne des Vereins gehandelt und nicht das beste Angebot angenommen habe. Als weitere Interessenten tauchten der US-Hedgefonds Mill Financial und die Meriton Group von Peter Lim aus Singapur auf. Lim hatte am Dienstag sein Angebot auf 320 Millionen Pfund erhöht.

Nächste Knüppel von Hicks und Gillett

Doch schon kurz nach Ende des Prozesses verkündete NESV, dass es nun eine bindende Abmachung über den Verkauf des FC Liverpool an die NESV gebe. Das Konsortium um den US-Amerikanischen Multi-Millionär John W. Henry, das auch das Baseball-Team Boston Red Sox wieder auf Kurs brachte, sprach in seiner Mitteilung außerdem von einem "gewaltigen Schritt nach vorne für den FC Liverpool".

Richter Floyd gab Hicks und Gillet abschließend mit auf den Weg, dass auch ein Einspruch in diesem Fall "unangebracht" sei. Er stieß damit aber offenbar auf taube Ohren. Denn im Moment hat sich der FC Liverpool tatsächlich noch keinen Zentimeter nach vorne bewegt. Am Abend kam es in London zwar zu einer Vorstandsschaftssitzung, in der der Verkauf des Vereins an die NESV besiegelt werden sollte und an der überraschend auch John W. Henry teilnahm.

Aber als ganz England mit einem baldigen Ende der Liverpool-Saga rechnete, warfen Hicks und Gillett allen Beteiligten den nächsten Knüppel zwischen die Beine.

"Epischer Schwindel"

Die beiden Noch-Eigentümer hatten vor einem Gericht im texanischen Dallas eine einstweilige Verfügung gegen den Deal erwirkt und forderten Schadenersatz in Höhe von 1,1 Milliarden Pfund. Der Anhörungstermin ist für den 25. Oktober festgesetzt. Wohlgemerkt zehn Tage nach der Fälligkeit der Schulden-Rückzahlung bei der RBS.

Hicks und Gillett werden in der Sache von der renommierten Anwaltskanzlei Fish & Richardson vertreten. In deren Statement heißt es, dass Broughton als "Strohmann" der RBS fungierte, um einen "epischen Schwindel" zu organisieren, in dem er den Klub zu einem Preis an die NESV verkauft, der unter der Hälfte des Marktwertes liege. Außerdem habe Broughton diverse andere, höhere Angebote ignoriert.

Die Zeit läuft gegen Livepool

Der FC Liverpool bezeichnete die einstweilige Verfügung in einer ersten öffentlichen Erklärung als "ungerechtfertigt" und "schädlich". Es bleibt die Frage, wie ein US-Gericht die Entscheidung des englischen High Courts beeinflussen kann.

Die Antwort: Die RBS betreibt Geschäfte im Staat Texas und die NESV ist ohnehin ein in den USA beheimatetes Unternehmen. Außerdem wird Broughton vorgeworfen, dass er einige seiner Gespräche mit Hicks in Texas geführt habe und einem texanischen Bewohner damit Schaden zugefügt habe.

Liverpool, die RBS und NESV arbeiten jetzt daran, die einstweilige Verfügung so schnell wie möglich aufzuheben, um den Verkauf noch vor der Deadline am Freitag perfekt zu machen. Die Zeit läuft. Und sie läuft gegen den FC Liverpool. Jetzt auch noch mit acht Stunden Zeitverschiebung in Texas.

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