Es war kein schönes Spiel am 11. März 2015. Im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zwischen dem FC Chelsea und Paris Saint-Germain hätte den Blues an der Stamford Bridge nach dem 1:1 im Hinspiel ein 0:0 gereicht - und die Engländer spielten entsprechend.
Jose Mourinho hatte seine Jungs aufs Verteidigen eingestellt und bekam obendrein ein Geschenk von Referee Björn Kuipers, der PSG-Star Zlatan Ibrahimovic in der 31. Minute mit einer lächerlichen Roten Karte vom Platz stellte. Als dann auch noch Gary Cahill in der 81. Minute zur Führung traf, schien die Messe gelesen - bis David Luiz seinen Auftritt hatte.
Gut fünf Minuten vor Schluss stieg er nach einer Lavezzi-Ecke zum Kopfball hoch und wuchtete das Leder genau unter die Latte zur Verlängerung. Der Jubel des brasilianischen Wuschelkopfs hätte exzessiver kaum sein können: Er brach, umringt von seinen Mitspielern, in Freudentränen aus.
Mourinho? Von wegen speziell
Das war natürlich nicht die feine englische Art, wie man ein Tor gegen seinen Ex-Klub bejubelt, mit dem man unter anderem die Königsklasse gewonnen hatte. Schließlich war Luiz nach wie vor beliebt bei den Londoner Fans und stand unter anderem via Social Media im regen Kontakt mit seinem einstigen Arbeitgeber.
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Nachdem PSG in der fälligen Verlängerung den Einzug in die nächste Runde perfekt gemacht hatte, entschuldigte sich Luiz zwar für seine Jubel-Arie und betonte, dass diese nichts mit dem Gegner zu tun gehabt hatte, sondern auf die situationsbedingten Emotionen zurückzuführen war. Diskutiert wurde die Szene trotzdem, was auch am Mann an der Seitenlinie von Chelsea lag.
Mourinho hatte Luiz im Sommer zuvor fast vom Hof gejagt, da er keinen festen Platz mehr für den gelernten Innenverteidiger hatte. Die Nummer vier leistete sich im Abwehrzentrum zu viele Patzer und schaffte es nicht, das taktische Konzept des Portugiesen umzusetzen. Mourinho löste das Problem, indem er den Publikumsliebling ins defensive Mittelfeld zog - was auch Mou-Vorgänger Rafa Benitez schon getan hatte. Dort fühlte sich dieser aber einfach nicht wohl und spielte konstant unter seiner Bestform.
Im PSG-Clash mit Chelsea geriet Luiz bei seiner "Rückkehr" dann schwer mit seinem Ex-Coach aneinander. Auslöser war die Strafe gegen Ibrahimovic. Einst betonte Luiz auch, dass The Special One für ihn gar nicht so "special" sei - er könne nichts Besonderes an dem Star-Coach finden.
Wunsch- oder Notlösung?
Chelsea und Luiz trennten sich also im Sommer 2014 nach drei gemeinsamen Jahren. PSG blätterte knapp 50 Millionen Euro hin, um Luiz mit dessen Landsmann Thiago Silva zu vereinen und so eine der prominentesten Innenverteidigungen Europas zu bilden.
In der Folgezeit regnete es für PSG zwar Titel in der Ligue 1, der angepeilte Triumph in der Champions League blieb aber aus. Eine Mitschuld daran trug auch die so namhafte Innenverteidigung, die in wichtigen Spielen nicht immer für Stabilität gesorgt hatte. Unvergessen ist das Viertelfinal-Hinspiel zwischen PSG und dem FC Barcelona 2015, als Luis Suarez dem armen Luiz mehrfach Knoten in die Beine spielte und anschließend ins Herz des Prinzenparks traf.
Schon im vergangenen Jahr bahnte sich dann für Luiz in Paris ein ähnliches Schicksal an wie zuvor auf der Insel - es gab auf der Vier weniger risikobehaftete Spieler als ihn, der in die Rolle als Backup für das Duo Silva/Marquinhos zu fallen drohte. Auf dieses Szenario hatte der inzwischen 29-Jährige nun keine Lust mehr und schloss sich in einem völlig überraschenden Deadline-Deal seinem Ex-Klub aus London an, der 38,5 Millionen Euro zurück nach Frankreich überwies.
Doch wie passt das zusammen? Passt Luiz wirklich in das System vom neuen CFC-Coach Antonio Conte, dessen Taktiken und Anforderungen an seine Verteidiger sicherlich nicht weniger komplex sind als die von Mou? War der Brasilianer gar nur eine Notlösung, nachdem die Blues bei Contes Wunschkandidaten abgeblitzt waren?
Ein Test für Kante
Ganz abwegig ist das nicht. Leonardo Bonucci, John Stones, Kalidou Koulibaly oder auch Marquinhos - diese Innenverteidiger wollte Conte haben, kassierte aber einen Korb nach dem anderen. Sie alle wären dafür geeignet, die von Conte so geliebte Dreierkette zu spielen, auf die er nach anfänglichen Experimenten bis dato lieber verzichtete.
John Terry oder Gary Cahill wurden für diese Variante als nicht brauchbar eingestuft, da sie technische Mängel und Defizite im Spielaufbau haben. Selbiges gilt auch für Branislav Ivanovic, während Talent Kurt Zouma nach seinem Kreuzbandriss noch nicht wieder bei 100 Prozent ist.
Luiz hingegen mag technisch auf einem hohen Level agieren und auch der ein oder andere weite Pass in die Spitze gehört in sein Repertoire. Seine gefürchteten individuellen Aussetzer sind als zentraler Spieler einer Dreierkette aber tödlich, Chelseas neuer Sechser N'Golo Kante muss wohl immer mit dem schlimmsten rechnen. Darauf spielte auch Gary Lineker in einem Tweet direkt nach dem Wechsel an, als er seine Worte an Kante richtete mit dem Hinweis, dass dieser ab sofort harte Tests zu bestehen habe.
Droht Luiz die Bank?
Es ist natürlich auch möglich, dass Conte die Dreierkette weiterhin vermeidet und Luiz in einer Viererreihe agieren lässt. Dazu passt auch die Verpflichtung von Linksverteidiger Marcos Alonso, der es Cesar Azpilicueta ermöglichen würde, auf die von ihm bevorzugte Position des Rechtsverteidigers zu rücken.
Dann wäre allerdings für Ivanovic kein Platz mehr, der auch im Zentrum spielen kann. Kommt in naher Zukunft auch noch Zouma zurück, hat Conte die Qual der Wahl. Für Luiz heißt das, dass ein Stammplatz nicht garantiert ist, gerade auch, weil die Blues nicht international unterwegs sind und daher weniger rotieren müssen.
Optimist Luiz verschwendet an dieses Szenario keinen Gedanken: "Es ist eine großartige Möglichkeit, den Fans erneut zu zeigen, wie sehr ich es liebe, für diesen Klub zu spielen. Ich bin hier, weil ich die Ambition habe, für einen großen Klub zu spielen und das heißt auch, dass man darüber nachdenken muss, jeden Titel zu gewinnen."
Zwischen Champions League und PlayStation
2012 holte er als Innenverteidiger schon einmal die Champions League mit den Blues. Das gelang auch, weil der damalige Coach Roberto Di Matteo es schaffte, Luiz als Innenverteidiger zu bändigen und ihm die abenteuerlustigen Ausflüge nach vorne auszutreiben.
Dazu ist auch Conte in der Lage, allerdings muss Luiz es wollen. Andernfalls könnte ein Vergleich von Gary Neville aus dem Jahre 2013 wieder greifen. Er behauptete, Luiz spiele, als werde er von einem Zehnjährigen auf der Playstation gesteuert. Für 40 Millionen wäre das ein teurer Spaß.
David Luiz im Steckbrief