Marketinginstrument in der Findungsphase

Von Pascal De Marco
Mauro Icardi und Inter Mailand verkrampfen auch in diesem Jahr
© getty

Nach enttäuschenden Jahren ist Inter Mailand aus den Augen Europas verschwunden. Chinesische Finanzkraft, ein neuer Trainer und die Bindung eines Superstars sollten den Verein lieber heute als morgen in die Beletage des Fußballs zurückführen, doch stockt der Motor auch weiterhin bedenklich. Hoffnung besteht dennoch.

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Es erinnerte an die alten Zeiten, an die erfolgreichen Tage, als das mit rund 80.000 Zuschauern prallgefüllte Giuseppe Meazza am vierten Spieltag unter Gänsehaut-Stimmung die Schaustätte des Derby d'Italia war.

Der ohrenbetäubende Lärm im Stadion sorgte nicht nur für ständige Vibrationen der Kameras und unklare Bilder vor dem TV-Gerät, sondern auch für die Einschüchterung des eigentlich übermächtigen Serienmeisters Juventus: Ein nahezu perfekter Mauro Icardi und ein nahezu perfektes Inter bezwangen den Erzfeind aus Turin und machten die Interisti wieder stolz, solche zu sein.

Und wie die italienischen Medien so sind, wurde Coach Franck de Boer nach dem Spiel selbst über die Meisterschaftschancen befragt. Man könnte meinen, die Resultate der jüngsten Vergangenheit hätte es niemals gegeben.

Dass all dies allerdings immer noch fernab der Realität ist, wusste man bei Inter spätestens vier Spiele später. Sie brachten nur vier Punkte ein.

Inter und europäische Spitze? Kontrast!

Nachdem man in den vergangenen Jahren mit Resultaten von Rang vier bis neun weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, lechzt man in der lombardischen Metropole nach der Rückkehr in die Königsklasse. Doch dass Inter und der europäische Spitzen-Fußball derzeit etwas im Kontrast zueinander stehen, stellten nicht zuletzt die Auftritte in der Europa League zur Schau, als man sich peinliche Niederlagen im Heimspiel gegen Hapoel Be'er Sheva und bei Sparta Prag einfing.

Die Inkonstanz treibt Fans und Verantwortliche in den Wahnsinn, doch scheinen die relevantesten Bausteine, wie der Kader, ein Superstar, ein namhafter Trainer und eine finanzkräftige Vereinsführung, für ein erfolgreiches Bestehen in der Serie A bereits vorhanden.

Wirft man einen Blick auf die Mannschaft, so stellt man fest, dass es an Qualität nicht mangelt. Mit dem zweithöchsten Gesamt-Marktwert der Liga sollte man im Kampf um die Champions League ein gehöriges Wörtchen mitreden können.

Die Causa Icardi

Immerhin jüngst ein Leader wurde auserkoren. Mit seiner Vertragsverlängerung wurde Mauro Icardi zum drittbestbezahlten Akteur der Serie A und zu demjenigen, der den einstigen Spitzenverein zurück zu altem Renommee führen soll.

Die Leistungen des 23-jährigen Argentiniers sind noch die konstantesten. Sechs der mageren zehn Inter-Tore gehen auf sein Konto, bei zwei weiteren gab er den Assist. Dass Icardi auch bei Spitzenspielen Leistung abliefert, untermauerte er im Spiel gegen Juve mit einer herausragenden Performance, die ihn vorübergehend zurück in die Herzen der Interisti geholt hat.

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Die Sympathien musste sich Icardi in den vergangenen Jahren nämlich erst wieder erkämpfen. Gerade mehrere Ultra-Gruppierungen der Curva Nord halten nicht viel auf den Mittelstürmer. Das hing unter anderem mit der turbulenten Transferperiode im Sommer zusammen: Als der europaweit begehrte Stürmer ausgerechnet das Interesse des bei Inter verhassten Kontrahenten Napoli warmhielt, zog er den Unmut der Fans auf sich. Chaos entstand.

Kaum zurück in den Herzen, trampelte er am vergangenen Wochenende mit seiner Autobiographie ins nächste Fettnäpfchen. Icardi erlaubte sich in seinem Buch mehrfach Äußerungen gegen die fanatische Anhängerschaft des Klubs und drohte offen mit Auftragsmördern aus der Heimat. Die Interisti forderten beim Heimspiel gegen Cagliari (1:2) die Abtretung der Kapitänsbinde und lauerten dem Argentinier vor dessen Villa auf.

China kauft sich ein

Einen chaotischen Sommer erlebte Inter auch im Hinblick auf die Trainerposition. Mit der Empfehlung von Meisterschaften in Italien und England galt Roberto Mancini, der bereits von 2004 bis 2008 erfolgreiche Jahre bei Inter verbracht hatte, als Wunschverpflichtung von Inter-Präsident Erick Thohir.

Rund 20 Monate später folgte in diesem Sommer keine zwei Wochen vor dem Saisonstart der Abschied. Angeblich aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Indonesier und den neuen chinesischen Eigentümern. Transferwünsche sollen unerfüllt geblieben sein. Es folgte der Niederländer Frank de Boer.

Der chinesische Einzelhandelsriese Suning Commerce hatte im Juni 69 Prozent der Anteile des FC Internazionale für rund 270 Millionen Euro gekauft. Klubchef Thohir hält die Restanteile, während sich der ehemalige Präsident Massimo Moratti komplett zurückzog.

Die chinesischen Investoren unterhalten in China den Erstligisten Jiangsu Suning und haben mit den Verpflichtungen von internationalen Top-Spielern wie Alex Teixera und Ramires bereits signalisiert, viel Geld in den Bereich Fußball investieren zu wollen.

Marketinginstrument mit gewissen Vorzügen

Das Herz der Fußball-Romantiker lassen die Chinesen sicher nicht höher schlagen. "Der Kauf wurde anhand von zwei Überlegungen getätigt: Zum einen hat der Fußball viele Fans und Suning möchte eine Beziehung zu potenziellen Konsumenten aufbauen. Zum anderen kann sich unsere Marke auf dem europäischen Markt etablieren, sobald wir hier Beziehungen zu Klubs und Spielern aufgebaut haben", erklärte der Kopf der Suning-Gruppe Zhang Jindong gegenüber chinesischen Medien recht nüchtern.

Doch das neue Dasein als Marketinginstrument bringt die Interisti finanziell in Sphären, von denen der Klub, der bis zuletzt noch Beschränkungen des Financial Fairplay unterworfen war, in den letzten Jahren nur träumte. Mit Ausgaben von knapp 130 Millionen Euro, zu denen auch die Top-Transfers Joao Mario, Gabriel "Gabigol" Barbosa und Antonio Candreva gehörten, hat de Boer bereits Antrittsgeschenke erhalten, die auf Augenhöhe mit den Transferausgaben von Liga-Dominator Juventus sind.

Inter hat die Anforderungen der UEFA, seine Bilanz bei einem maximalen Minus von 30 Millionen Euro zu halten, den jüngsten Berichten zufolge erfüllt. Die Investitionskraft der Eigentümer wird nun weitere Möglichkeiten bieten, die Mannschaft großflächig zu verstärken. An Personal wird es zukünftig nicht mangeln.

De Boer bereits vor "Woche der Entscheidung"?

Durch die aktuelle Negativ-Serie ist De Boer in der schwierigen Adaptionsphase von der offensiven Eredivisie in die defensiv-geprägte Serie A bereits unter Zugzwang. Er muss die richtige Balance finden. In der aggressiven italienischen Medienlandschaft kein leichtes Unterfangen, so berichtet Spazio Inter bereits von einer "Woche der Entscheidung" und dass gegen Southampton und Atalanta keine weiteren Fehltritte erlaubt seien.

Mit nur fünf Punkten Rückstand auf Tabellenplatz zwei ist die Tabellen-Konstellation noch lange nicht so dramatisch, wie es Tabellenplatz elf vermuten lässt, doch scheint de Boer auch intern schon nicht unantastbar zu sein.

Die Gazzetta taufte die Situation am Montagmorgen "Inferno Inter". Das Weiterkommen in der Europa League sollte trotz schwacher Resultate zum Auftakt erreicht werden. Für de Boer ist es wichtig, neben der nationalen Wettbewerbsfähigkeit auch das Überwintern im Europapokal sicherzustellen - denn die Stimmung ist volatil. So schnell der Vulkan ausgebrochen ist, so schnell können die Nerazzurri auch wieder in den Himmel gehoben werden. Vielleicht bebt das Giuseppe Meazza dann auch wieder in altgewohnter Regelmäßigkeit.

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