Im Nachhinein war der 21. Spieltag wohl einer der entscheidenden im Kampf um die Meisterschaft in der Primera Division. Barca gewann souverän mit 3:0 in Alicante, Real Madrid hingegen blamierte sich mit 0:1 bei Osasuna und der Rückstand auf die Katalanen in der Tabelle wuchs auf sieben Punkte.
Der sonst oft spektakulär kombinierenden Real-Offensive musste man nach dem Spiel ein ernüchterndes Zeugnis ausstellen: Karim Benzema hing fast durchgehend in der Luft, falls er nicht gerade im Abseits stand. Mesut Özil, Cristiano Ronaldo und Angel di Maria, normalerweise Garantien für ansehnlichen Angriffsfußball, konnten sich kaum in Szene setzen. Die Pass-Maschinerie in der Offensive geriet ins Stocken.
Auch, weil die ständigen präzisen Zuspiele und die sichere Rückendeckung von Seiten der Sechser nicht wie üblich funktionierten. In diesem Fall machte eine einzige Personalie den Unterschied aus: Der angeschlagene Xabi Alonso wurde von Trainer Jose Mourinho 65 Minuten lang geschont, stattdessen begann Lassana Diarra neben Sami Khedira.
Mit Alonsos Einwechslung nach dem 0:1 bekam das Spiel der Madrilenen endlich die Sicherheit und Struktur, die zuvor fehlten, auch wenn es aufgrund schlechter Chancenauswertung nicht mehr zum Ausgleich reichte. Und schon bevor Alonso ins Spiel kam, stellte der "Marca"-Tickerer konsterniert fest: "Es ist einfach nicht dasselbe, wenn Diarra oder Khedira den Ball haben, wie wenn ein Xabi Alonso den Ball führt."
Unersetzlich in der Madrid-Elf
Dabei hätte Mourinho eigentlich die Lehren aus dem vorhergehenden Spieltag ziehen müssen. Schon da hatte Alonso bewiesen, dass er unverzichtbar ist. Gegen RCD Mallorca präsentierte Mourinho eine höchst ungewöhnliche Aufstellung, in den spanischen Medien war von einer "Revolution in Madrids Startelf" die Rede.
Fernando Gago und Esteban Granero begannen im defensiven Mittelfeld. Khedira war durch eine Verletzung verhindert, Alonso jedoch einsatzbereit. Dennoch musste er auf der Bank Platz nehmen - ein beinahe verheerender Fehler.
In Durchgang eins spielte sich Real keine einzige Torchance heraus, das Experiment mit Gago und Granero auf der Sechs entpuppte sich als totaler Reinfall. Zur Pause korrigierte Mourinho seinen Fehler in puncto Aufstellung und schickte Alonso aufs Feld, der in der zweiten Halbzeit zum überragenden Mann auf dem Platz avancierte.
Er schloss sämtliche Lücken und bewies wieder einmal, wie souverän er als Balleroberer, Ballverteiler und Defensiv-Dirigent funktioniert. Durch einen Benzema-Treffer in der 62. Minute holte sich Real einen wichtigen Dreier im Kampf um den Anschluss an Spitzenreiter Barca, SPOX kürte Alonso damals zum Spieler des Spiels.
"Die Wirbelsäule des Real-Spiels"
Es sind nur zwei Belege von beliebig vielen (z.B. der jüngsten Niederlage gegen Gijon, wo Alonso wegen Gelbsperre ausfiel) für die enorm wichtige Rolle, die dem 29-Jährigen bei Madrid zukommt. Coach Mourinho bezeichnet ihn aufgrund seiner Konstanz und Zuverlässigkeit als "Metronom", für die "Marca" ist er die "Wirbelsäule des Real-Spiels".
Doch welche Funktion hat Alonso bei den Königlichen? Als Sechser soll er als Bindeglied zwischen Abwehr und Offensive fungieren, von hinten heraus Kommandos geben, das Spiel aufbauen und in die richtigen Bahnen lenken. Ist der Gegner im Ballbesitz, besteht sein Auftrag darin, Passräume zuzustellen, Druck auf das gegnerische Mittelfeld auszuüben und sich voll und ganz auf den Ballgewinn zu konzentrieren.
Einen besonders markanten Unterschied zu anderen Sechsern wie etwa Bastian Schweinsteiger gibt es aber: Schweinsteiger schaltet sich deutlich öfter in Angriffe mit ein und sucht auch mal den Torabschluss aus der zweiten Reihe. Alonsos Aufgabe hingegen ist es, Spielzüge ausschließlich einzuleiten, nicht etwa, sie abzuschließen. Bezeichnend, dass er unter Mourinho noch kein einziges Pflichtspieltor erzielt hat und nur verhältnismäßig wenige Assists zu Buche stehen.
Vielmehr besteht sein Job darin, den offensiven Vier (meist Ronaldo, Özil und Di Maria sowie Benzema/Adebayor als einzige Spitze) den Ball immer und immer wieder servierfertig in den Fuß beziehungsweise in den Lauf zu spielen. Was so einfach klingt, beherrscht Alonso wie kaum ein anderer auf seiner Position. Manch ein Real-Gegner würde sich wünschen, die Laufwege von Madrids Offensiv-Quartett nur annähernd so gut antizipieren zu können wie Passgeber Alonso.
"Xabi = Khedira, Lass und noch mehr"
Durch blanke Zahlen lassen sich Alonsos Leistungen womöglich noch eindrucksvoller belegen. Bis zum Clasico-Rückspiel hatte der Spanier 2344 Einsatzminuten in der Primera Division auf dem Buckel. In dieser Zeit hat er insgesamt 1575 erfolgreiche Pässe sowie 188 Ballgewinne zu verzeichnen.
Pro Spiel ergeben sich daraus rund 60 erfolgreiche Pässe - einige Spieler auf seiner Position wären schon über derart viele Ballkontakte froh - sowie durchschnittlich sieben Ballgewinne. Eine überragende Quote. Hinzu kommt, dass Alonso in seiner Zeit bei Real Madrid noch nie länger als zwei Ligaspiele ausfiel. In der Saison kam er auf starke 34 Liga-Einsätze von Beginn an, einzig Keeper Iker Casillas überragte ihn in dieser Hinsicht (38 Spiele).
Oder aber man bringt Alonsos Stellenwert für Real ohne ewige Zahlenspiele mit einer einfachen Gleichung kurz und knackig auf den Punkt - so wie es "Marca"-Redakteur Santi Siguero tat: "Xabi = Khedira, Lass und noch mehr."
Xavis Wachhund als Erfolgsgarant
Im anstehenden Duell im Copa-del-Rey-Finale (21.15 Uhr im LIVE-TICKER) soll Khedira gemeinsam mit Pepe an der Seite von Alonso im defensiven Mittelfeld ackern. Vor allem Alonsos volle Aufmerksamkeit gehört, wie schon im Liga-Rückspiel, Barcas Mittelfeld-Gehirn Xavi.
Während Alonso gegen "schwächere" Teams bei gegnerischem Ballbesitz hauptsächlich Passwege schließt und den Gegner schon im Aufbauspiel zermürbt, spielt er gegen Kaliber wie Barcelona auch gerne mal den persönlichen Wachhund von Nationalmannschaftskollege Xavi - wie beim 1:1 am Samstag.
Zwar war Xavi keineswegs über 90 Minuten abgemeldet, doch Alonso machte ihm das Leben derart schwer, dass Barcas Regisseur nicht in sein gewohnt geniales Spiel fand. Ließ er sich fallen, rückte Alonso sogar bis über die Mittellinie raus, um seinem Gegenspieler weiter an den Füßen zu kleben. Teilweise stand Alonso bei Barca-Ballbesitz weiter vorne als Di Maria oder Ronaldo.
Die gleiche Schlüsselrolle kommt dem 29-Jährigen auch im Finale der Copa del Rey zu. Nimmt er Xavi aus dem Spiel, hakt Barcelonas Kombinations-Maschinerie am möglicherweise wichtigsten Glied. Und Alonso könnte wieder einmal seinen Stellenwert für das Spiel der Königlichen unterstreichen.
Der Kader von Real Madrid