Als allgemeiner Gradmesser für den Verlauf der Zeit eines ausländischen Spielers in der Türkei wird vor allem bei den Clubs aus Istanbul der dortige Atatürk-Flughafen herangezogen. Denn dort wird prinzipiell jeder ankommende Spieler von hunderten Fans mit Jubelgesängen empfangen und auf Schultern getragen. Wenn derselbe Spieler dann einige Monate danach am selben Ort still und leise wie ein gewöhnlicher Tourist auf seine Koffer wartet, dann weiß man: das hat nicht so ganz geklappt. Zehn Beispiele gefällig?
10. Frank de Boer
Anfang 2004 ging auf der Geschäftsstelle von Galatasaray ein Fax ein. Der Inhalt: "Liebe Fans, ich werde euch und eure Unterstützung niemals vergessen. Es war mir eine große Ehre, bei solch einem Verein spielen zu dürfen. Seid euch sicher, dass eine Hälfte meines Herzens für immer gelb-rot sein wird." Was sich nach schmerzhaftem Abschied eines langjährigen Vereinsidols anhört, der Schwierigkeiten mit Mathematik hat, war das Ende der Zeit des Frank de Boer bei Galatasaray.
Der Holländer wurde als Kapitän des FC Barcelona mit großen Hoffnungen empfangen, war aber nach einem halben Jahr bereits wieder weg und heuerte bei den Glasgow Rangers an. Von seiner Zeit in Istanbul bleibt nicht viel in Erinnerung, außer dass er einige Tore verschuldete und Jahre später seinen damaligen Coach Fatih Terim als "Größenwahnsinnigen" bezeichnete. Und sein schönes Abschiedsschreiben natürlich.
9. Kevin Campbell
Im Sommer 1998 sorgte ein Transfer in England und der Türkei für sehr viel Aufsehen. Während beim englischen Aufsteiger Nottingham Forest der Star Pierre van Hooijdonk so verärgert über den Verkauf seines kongenialen Sturmpartners Kevin Campbell zu Trabzonspor war, dass er daraufhin monatelang streikte, versetzte die Unterschrift des Stürmers die Fans in Trabzon in Ekstase. Campbell, bis heute der Spieler mit den meisten Toren in der Premier League ohne Einsatz in der Nationalmannschaft, war zuvor sieben Jahre lang für den FC Arsenal gestürmt und hatte gerade Nottingham mit 23 Toren zurück in die Premier League geschossen. In Trabzon ist Campbell immer noch unvergessen.
Bei den Fans war er damals sehr beliebt und sorgte außerdem mit einem Hattrick für einen 5:2 Sieg bei Galatasaray, an den man sich in Trabzon noch heute gern erinnert. Nach sieben Monaten war die Geschichte aber trotzdem schon wieder beendet, und der Grund für die Trennung war ziemlich häßlich: der damalige Präsident Mehmet Ali Yilmaz war mit den Leistungen des Engländers nicht zufrieden und nannte den dunkelhäutigen Campbell einen "Kannibalen" und sagte über ihn: "Was wir als Tormaschine geholt haben, hat sich als Waschmaschine herausgestellt." Als Campbell in einer Pressekonferenz seinen Abgang und die Gründe dafür erklärte, saßen neben ihm die Kapitäne Ogün und Abdullah, um ihre Solidarität auszudrücken.
8. Franck Ribery
Es hätte alles so schön werden können: als Franck Ribery im Februar 2005 im Galatasaray-Trikot mit seiner Frau Wahiba im Ali Sami Yen-Stadion posierte, wusste keiner so richtig, wer dieser kleine Franzose überhaupt ist. Die Beschreibung des Neuzugangs aus Metz in einer türkischen Zeitung klang dann auch recht hilflos: "Ribery belegt im Superstar-Ranking der französischen Liga Platz 65." Der Anfang verlief also holprig, vier Monate später war er aber der große Publikumsliebling. Der Franzose verzückte die Fans mit seiner spektakulären Spielweise und war spätestens nach dem Finale um den türkischen Pokal gegen Erzfeind Fenerbahce, in dem er mit einem Treffer und zwei Vorlagen maßgeblich am Sieg beteiligt war, der absolute Liebling. Rein sportlich gesehen war die Zeit Riberys in Istanbul also alles andere als ein Flop.
Doch nach einem halben Jahr verkündete Ribery aber aus heiterem Himmel seinen ablösefreien Wechsel nach Marseille, da er nach eigener Aussage vier Monate lang kein Gehalt erhalten habe. Danach kam es zu jahrelangen Streitigkeiten zwischen Verein und Spieler, die vor dem Obersten Sportsgerichtshof endeten. Ribery bekam Recht und Gala ging leer aus. Noch heute sorgt das Thema Ribery bei den Gala-Fans für gemischte Gefühle: Soll man ihm nachweinen? Soll man ihn verfluchen? Oder soll man stolz darauf sein, dass der heutige Weltklassemann sich bei Galatasaray ins Rampenlicht spielte? Ribery hat das Ganze aber abgehakt und trotz aller Streitigkeiten seinen Frieden mit dem Ex-Verein geschlossen: "Ich bete für Galatasaray."
7. Wladimir Bestschastnych
Auch der Transfer des Ex-Bremers Vladimir Bestschastnych zu Fenerbahce Anfang 2002 warf einige Fragen bei den Fans auf, auch wenn es nicht so emotional zuging wie bei Ribéry: Wer soll das sein? Wie spricht und schreibt man den diesen Namen? Und warum wurde der überhaupt geholt? Das Problem mit dem Namen war schnell gelöst, das Trikot des Neuen wurde einfach mit "Vladimir" beschriftet. Und die Eckdaten des Russen sahen auch gar nicht so schlecht aus: Rekordtorschütze der russischen Nationalmannschaft, Spielführer in Moskau, zudem schon einmal in der Bundesliga gespielt, was bei neuen Spielern sowieso immer ein gutes Kriterium ist.
An Bestschastnychs unauffällige Spiele im Fener-Dress erinnert sich heute zwar niemand mehr, an den Transfer an sich aber schon. Denn die Erzählungen des damaligen Vorstandsmitglieds, das nach Moskau flog um den Deal über die Bühne zu bringen, klingen wie eine Szene aus einem alten Mafiafilm: "Die Atmosphäre dort war die ganze Zeit über sehr angespannt. Sie kontrollierten dauernd, ob unser Ablösegeld echt war. Sie misstrauten uns so sehr, dass sie mit bewaffneten Männern zu den Verhandlungen kamen." Doch wenn Saran gedacht hatte, dass der Stürmer sich bei ihm für das Begeben in Lebensgefahr mit Toren am Laufband revanchieren wird, wurde er leider enttäuscht. Nach einem Treffer in 12 Einsätzen zog Bestschastnych nämlich auch schon wieder weiter.
6. Jo
Jo wurde im Januar von Galatasaray per Ausleihe aus Manchester City geholt und in Istanbul standesgemäß fanatisch empfangen. Runde zwei Monate später wurde er bei seiner Einwechslung in einem Heimspiel vom ganzen Stadion gnadenlos ausgepfiffen. Was war passiert? Mal ganz abgesehen davon, dass Jo in den meisten Spielen enttäuschte und es gerade mal auf drei Tore brachte, schien er seine Zeit am Bosporus mehr als Partyurlaub denn als sportliche Herausforderung zu sehen. Kein Tag verging ohne Schlagzeilen über das wilde Nachtleben des Brasilianers.
Hier eine kleine Auswahl der Medienberichte über die Party-Eskapaden: Jo bestellt an einem Abend 19 Flaschen Champagner, Jo feiert ausgerechnet nach der Derby-Niederlage gegen Fenerbahce eine Hausparty bis die Nachbarn die Polizei rufen, Jo ist bei Facebook auf Party-Bildern mit glasigen Augen und weiblicher Begleitung zu sehen. Mit dem Nachtleben lässt sich wahrscheinlich auch erklären, warum er in Istanbul trotz schlechter Leistungen und mangelnder Fanliebe ziemlich glücklich war: "Ich möchte auf jeden Fall bei Galatasaray bleiben. Ich fühle mich hier sehr wohl." Alles andere als glücklich waren dafür seine Nachbarn. Einer von ihnen beschwerte sich besonders schön über die lautstarken Sex-Partys in der Wohnung des 23-jährigen: "Seit zehn Tagen gibt es in seiner Wohnung täglich eine Party. Abends kommen immer fünf oder sechs Mädchen, und schon geht es ab. Dabei sehen die Mädchen nicht einmal gut aus."
Teil 2: Von Marcelinho bis Ortega