Ruhig redet Türkgücüs Kaderplaner Robert Hettich im Gespräch mit SPOX und Goal. Langsam und fast schon ein kleines bisschen gelangweilt sagt er dann irgendwann: "Wir sind erst ganz am Anfang unserer Entwicklung." Dieser Anfang ist aber weder langsam, noch langweilig. Dieser Anfang schreit: zwei souveräne Aufstiege hintereinander! Von der sechsthöchsten bis in die vierthöchste Leistungsstufe! Bis in die Regionalliga Bayern! Transferoffensive!
Aber wenn das erst der Anfang ist, Herr Hettich, was ist dann das Ende? "In der nächsten Saison wollen wir im vorderen Drittel der Regionalliga landen. Die Vision unseres Präsidenten Hasan Kivran ist, irgendwann in der 2. Bundesliga zu spielen." Und genau das ist es, was bei Türkgücü zählt: der Präsident und seine Visionen.
"Er ist der Chef", sagt Hettich. Klar, Kivran macht den erstaunlichen Erfolgslauf doch erst möglich. Dank seines Kapitals und auch seiner Kontakte. "Mit AON, GAZI und FTI unterstützen uns bereits sehr renommierte Firmen", erklärt Hettich. "All diese Engagements gehen auf Geschäftskontakte unseres Präsidenten zurück." Das Geld sitzt dementsprechend locker.
Präsident Kivran spielte einst selbst für Türkgücü
Der gebürtige Türke Kivran kam mit sechs Jahren nach München. Anschluss gab ihm auch der Fußball, als Jugendlicher spielte er einst selbst für Türkgücü. Später wurde er Geschäftsführer einer Leasing-Firma. Vom Verein heißt es, er sei "Unternehmer mit verschiedenen Beteiligungen". Seit dem 1. Januar 2016 fungiert der heute 53-jährige Kivran als Türkgücü-Präsident. Laut dem kicker investierte er seitdem einen hohen sechsststelligen Betrag in den Klub.
Um die Bürokratie kümmert sich sein Bruder Kenan, der als Geschäftsstellenleiter der einzige festangestellte Verwaltungsmitarbeiter des Vereins ist. Gemeinsam treiben sie die Ausgliederung der Profimannschaft in eine Kapitalgesellschaft voran, es seien nur mehr Kleinigkeiten zu klären. Gemeinsam wollen sie Türkgücü zu dem machen, was es mal war: eine große Nummer.
Kapitän Yilmaz: "Wir werden ein bisschen missverstanden"
1975 gründete eine Gruppe türkischer Migranten den SV Türk Gücü. Zu deutsch: Türkische Kraft. In den 1980er und 1990er Jahren spielte der Klub insgesamt sechs Jahre in der damals drittklassigen Bayernliga, zeitweise gemeinsam mit 1860 München. Über 10.000 Zuschauer kamen gerne mal ins Münchner Dantestadion, um Türk Gücü spielen zu sehen. 2001 aber ging der Klub in Konkurs, es folgten turbulente Jahre mit Neugründungen, Abstiegen und Fusionen. Und dann kam Kivran.
Er will viel und das will er schnell. Bei der Konkurrenz und deren Fans kommt der rasante Aufstieg nicht unbedingt gut an, was Türkgücü-Kapitän Yasin Yilmaz gar nicht verstehen kann. "Wir sind doch kein Klub, der aus dem Boden gestampft wurde", sagt er zu SPOX und Goal. "Viele wissen leider nicht, dass Türkgücü ein Traditionsverein ist. Wir werden ein bisschen missverstanden."
Ein Ex-1860-Trio bastelt am Aufstieg
Yilmaz wechselte 2017 vom Münchner Vorortklub FC Unterföhring zu Türkgücü - gemeinsam mit vier Mitspielern und Trainer Andreas Pummer. Vorwürfe der Konkurrenzschwächung und Wucherei waren vorprogrammiert und natürlich kamen sie auch. Vor allem in den sozialen Netzwerken, wo Kritik schnell in Hass mündet. "Wenn ich jeden Kommentar zur Anzeige bringen würde, würde ich meine Familie nicht mehr sehen", sagte Pummer damals. "Dann würde ich meine Freizeit auf dem Polizeirevier verbringen."
Für Türkgücü jedenfalls lohnten sich die Verpflichtungen: Pummer führte den Klub mit seinen alten, neuen Spielern zu den beiden Aufstiegen. Künftig muss er aber in die zweite Reihe treten. Er wird Co-Trainer des neuen Chefs Reiner Maurer, der dort schon reichlich Erfahrung hat, wo Türkgücü hin will: in der 2. Bundesliga. Zweimal trainierte Maurer 1860 München, Hettich war damals Pressesprecher des Klubs. Im Tor stand Michael Hofmann, jetzt ist er er Torwarttrainer von Türkgücü. Ein Ex-1860-Trio bastelt am Aufstieg von Türkgücü - und dafür an einem runderneuerten Kader.