Die neuen Spekulationen um Franz Beckenbauers Rolle in der Affäre um die Fußball-WM 2006 in Deutschland verschlugen der Szene am Wochenende weitgehend die Sprache. Keine der unmittelbar betroffenen Parteien kommentierte den Bericht der Süddeutschen Zeitung über Hinweise, dass die ominöse Zahlung der WM-Macher von 6,7 Millionen Euro mit einem Privatinvestment Beckenbauers im TV-Rechte-Bereich in Verbindung stehen könnte - und damit nicht in irgendeinem Zusammenhang mit dem WM-Turnier.
Beckenbauers Management ließ eine SID-Anfrage bis zum Sonntagnachmittag unbeantwortet. Einzig der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger, der 2005 als zuständiges Mitglied des WM-Organisationskomitees für Finanzen die unheilvolle Zahlungsanweisung freigezeichnet hatte, nahm zur neuen Entwicklung Stellung. "Die Fakten lassen die Schlussfolgerung des Berichtes nicht zu. Das ist zu oberflächlich und zu kurz gesprungen", sagte Zwanziger dem SID.
Bericht: Über Beckenbauer-Konto floss Geld nach Katar
Laut SZ verfolgt die ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt auf Basis einer Notiz einer Bankangestellten eine neue Fährte zu Beckenbauer. Demnach könnte die Überweisung der WM-Organisatoren an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus tatsächlich zur Tilgung privater Verbindlichkeiten aus einem Geschäft mit Fernsehrechten aus dem Imperium des 2002 Konkurs gegangenen Kirch-Konzerns gedient haben.
Nach bisheriger Darstellung der meisten Beteiligten jedoch soll die falsch deklarierte und über den Weltverband FIFA geleitete Zahlung mit einer Forderung der FIFA-Finanzkommission für einen späteren Zuschuss zu den Organisationskosten in vielfacher Höhe zusammenhängen. 2002 waren dafür angeblich auch über ein Beckenbauer-Konto insgesamt zehn Millionen Schweizer Franken (umgerechnet 6,7 Millionen Euro) an eine Firma des dubiosen und später wegen Korruption lebenslang gesperrten FIFA-Funktionärs Mohammed Bin Hammam (Katar) geflossen. Die FIFA bestreitet indes eine solche Gesamtkonstellation schon seit der Enthüllung des WM-Skandals vor über zwei Jahren.
Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zwanziger
Gänzlich wollte Zwanziger den neuen Ansatz für die Ermittlungen als einen Beitrag zur Aufklärung auch nicht ausschließen. "Es könnte natürlich eine Verbindung zum Kirch-Konkurs geben, und ich habe auch etwas mit TV-Rechten im Hinterkopf. Aber so, wie es nun dargestellt wird, kann es nicht sein, denn schließlich ist das Geld ja nach Katar geflossen." Aus Sicht des 72-Jährigen ist die mutmaßlich neue Spur dadurch kalt.
Der Verdacht der Staatsanwaltschaft würde allerdings das Rätsel um die unlogische Erklärung der WM-Macher von der privat auch von Beckenbauer geleisteten Vorleistung für den WM-Zuschuss der FIFA auflösen helfen. Zugleich könnten im Falle einer Bestätigung des neuen Ansatzes mehrere verantwortliche Personen aus dem damaligen WM-OK in Unkenntnis der tatsächlichen Faktenlage gehandelt und die Zahlung veranlasst haben.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt in der Affäre gegen Zwanziger, seinen Präsidenten-Nachfolger Wolfgang Niersbach und den ehemaligen DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem schweren Fall. Alle drei gehörten im fraglichen Zeitraum zur Spitze des von Beckenbauer angeführten WM-OK.