Vor 54.096 Zuschauern im Johannesburger Ellis Park verpasste das ersatzgeschwächte Chile hingegen den ersten Viertelfinal-Einzug seit 1962. Damals war man im eigenen Land bis ins Halbfinale vorgestoßen.
Auf Seiten der Brasilianer sah Felipe-Melo-Ersatz Ramires die zweite Gelbe Karte und fehlt damit gegen die Niederlande.
Nachbetrachtung:
Brasilien bringt mit seiner fast schon konventionellen Spielweise niemanden mehr in orgastische Nähe, die Effizienz der Selecao ist bei dieser WM jedoch weiter beeindruckend. Das Manko beim 0:0 gegen Portugal war das Fehlen von Kaka - mit dem Spielmacher ist Brasilien einfach eine Klasse besser, weil er der Mann mit den entscheidenden Geistesblitzen ist. Sein Pass vor dem 2:0 auf Luis Fabiano war schlichtweg überragend.
Nach Nordkorea und der Elfenbeinküste war auch Chile kein echter Prüfstein für die Dunga-Elf, die den Gegner schon in der WM-Quali mit 3:0 und 4:2 abgestraft hatte. Brasilien ließ Chile für jeden Fehlpass bluten, die Mannen von Bielsa rannten mit jugendlichem Übermut quasi ins offene Messer.
Was sich hingegen noch verbessern könnte ist das Spiel über die Flügel, das gegen die in der Defensive besser strukturierten Holländer noch mehr im Fokus stehen wird. Bei Ballbesitz schieben Maicon und Bastos fast schon bedingungslos nach vorne, bekommen aber zu selten den Ball. Geht dieser in der Vorwärtsbewegung verloren, wäre man Robben und Co. im Viertelfinale quasi schutzlos ausgeliefert.
Ein Fragezeichen steht nach der Sperre für Ramires noch hinter der Besetzung der linken Position (bzw. halblinken) im Mittelfeld. Ob Felipe Melos Sprunggelenksverletzung, erlitten durch ein Foul des Portugiesen Pepe, rechtzeitig ausheilt, ist noch offen.
Reaktionen:
Carlos Dunga (Trainer Brasilien): "Wir müssen uns weiter verbessern, in allen Bereichen. Es war trotzdem ein sehr gutes Spiel von uns. Wir haben gegen ein gutes Chile sehr gut nach vorne gespielt. Das wollen die Leute ja auch sehen: offensiven Fußball. Wir wollen ihnen das geben. Gegen die Niederlande wird es schwierig, sie sind technisch sehr stark, ihr Fußball ist unserem sehr ähnlich."
Juan (Brasilien): "Das war ein wichtiges Tor, weil das Spiel bis dahin noch eng war."
Robinho (Brasilien): "Wir müssen uns auf jeden Fall noch verbessern."
Marcelo Bielsa (Trainer Chile): "Unser Ausscheiden ist gerecht, auch wenn das Resultat nicht so hoch hätte ausfallen müssen. Die Überlegenheit Brasiliens war einfach zu hoch, sie waren besser als wir. Wir konnten sie einfach nicht bremsen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Nach dem Nichtangriffspakt gegen Portugal kehren Kaka und Robinho bei Brasilien in die Startelf zurück, Ramires spielt zudem für den verletzten Felipe Melo. Elano und Julio Baptista fallen ebenfalls aus.
Bielsa muss bei Chile die gesperrten Ponce, Medel (beide Gelbsperre) und Estrada (Gelb-Rot) ersetzen. Es spielen dafür Fuentes, Contreras und Carmona. Spielmacher Valdivia wird aufgrund eines defensiveren Mittelfeld-Systems geopfert, Suazo kehrt ins Sturmzentrum zurück.
9.: Gilberto Silva zieht aus 30 Metern ab, Bravo lenkt den Ball um den Pfosten.
28.: Lucio kommt nach einer Ecke an den Ball und spitzelt ihn weiter in Richtung Gilberto Silva - dabei wird der Inter-Verteidiger von Contreras gefällt. Brasilien will Elfmeter, bekommt aber nur Ecke.
35., 1:0, Juan: Ecke Maicon von rechts. Lucio und Luis Fabiano blocken die Verteidiger stark weg. Juan steigt völlig frei hoch und köpft links oben ein.
38., 2:0, Luis Fabiano: Konter Brasilien. Robinho kommt über links und spielt in die Mitte zu Kaka. Der leitet den Ball direkt in den Strafraum und bedient Luis Fabiano damit mustergültig. Der lässt Bravo aussteigen und schiebt ins leere Tor ein. Drittes Turniertor.
46.: Bielsa reagiert auf den Rückstand, bringt Tello und Valdivia für Contreras und Gonzalez und stellt auf ein offensives 4-3-3 um. Valdivia geht ins Zentrum, Tello auf Links. Vidal spielt nun rechts hinten.
59., 3:0, Robinho: Starkes Solo von Ramires über den halben Platz. Drei Chilenen orientieren sich am Strafraum zu ihm, dann der perfekte Pass auf Robinho. Der steht völlig frei und trifft rechts unten.
75.: Suazo setzt sich erstmals gegen Lucio durch und zieht aus der Drehung ab - Julio Cesar pariert.
78.: Ecke Chile von links. Suazo kommt im Strafraum zum Volley, trifft den Ball nicht richtig. Dennoch klatscht er von oben auf die Latte.
Fazit: Beeindruckend reife und abgebrühte Leistung der Brasilianer, die mit kraftlosen Chilenen kaum Probleme hatten.
Der Star des Spiels: Juan (SPOX-Note 1). Brasiliens Prunkstück ist nicht mehr der Angriff, sondern die Abwehr. Suazo war bei dem Ex-Leverkusener vollkommen abgemeldet, das eigentlich spielstarke Chile insgesamt nur durch Fernschüsse gefährlich. Juan macht hinten deutlich weniger Show als Lucio, hat eine starke Spieleröffnung und brachte die Selecao durch seinen wuchtigen Kopfballtreffer auf die Siegerstraße.
Für die SPOX-User war Robinho Man of the Match
Die Gurke des Spiels: Pablo Contreras (SPOX-Note 5). Ihm und Fuentes oblag es, die Ausfälle in Chiles Abwehr zu kompensieren. Contreras gab jedoch keine gute Figur ab, stand oftmals schlecht zum Ball und zu weit von seinen Mitspielern weg. Wurde von Bielsa zur Halbzeit geopfert.
Die Pfeife des Spiels: Howard Webb. Wenigstens ein Engländer, der durch gute Leistungen überzeugt. Hatte das Spiel jederzeit im Griff und diesmal auch keine grobe Fehlentscheidung im Repertoire. Beim Zweikampf Contreras gegen Lucio hätte er allerdings auf Elfmeter entscheiden können (28.). Zweiter kleiner Schönheitsfehler: Er hätte Maicon für seine Schwalbe Gelb zeigen können (33.).
Analyse: Die erste Halbzeit verlief ganz nach dem Geschmack des neuen Brasilien: Chile versuchte munter nach vorne zu spielen und ließ der Selecao dabei genügend Platz und Raum für schnelle Gegenstöße. Brasilien spielte dabei aber zunächst viel zu umständlich und zu oft durch die Mitte.
Erst nach einer halben Stunde liefen die Gegenangriffe der Brasilianer strukturierter ab - auch weil Kaka endlich das Heft in die Hand nahm. Das 1:0 war der Präzision von Maicon, der Cleverness des sperrenden Lucio und der Sprungkraft von Juan zu verdanken - das 2:0 war dann die pure Eleganz, verkörpert von Tor-Vorbereiter Kaka.
Chile-Coach Bielsa musste zur Pause reagieren und stellte auf 4-3-3 um, was aber mit Valdivia als Spielmacher noch ein Tick offensiver als das 3-4-3 daher kam. Brasilien hatte es nun noch einfacher, die vielen Ballverluste der oftmals zu verspielten Chilenen schnell und flüssig vor Bravos Tor zu tragen. So fiel dann auch das 3:0.
Insgesamt war Chile einfach zu naiv und defensiv durch die vielen Sperren zu schwach aufgestellt, um Brasilien ernsthaft gefährden zu können. Die Selecao darf hingegen weiter von WM-Titel Nummer sechs träumen.
Brasilien - Chile: Fakten zum Spiel