Für das deutsche Team, das im Viertelfinale nun auf den Sieger der Partie Argentinien gegen Mexiko trifft, war es der höchste Sieg gegen England. Für die Three Lions war es dagegen die höchste Niederlage bei einer Weltmeisterschaft.
Nachbetrachtung:
Der knappe 1:0-Zittersieg gegen Ghana hatte doch einige Zweifel am deutschen Team hervorgerufen, diese Zweifel beseitigte die Elf gegen England komplett. Nichts zu sehen von Nervenflattern oder zu großem Druck.
Stattdessen übernahm Deutschland von Beginn an das Kommando und überzeugte vor allem spielerisch einmal mehr. Offensiv agierte die DFB-Auswahl enorm kreativ, technisch versiert und variantenreich. Mit Müller, Klose, Podolski und Özil gibt es ein Quartett, das jederzeit für einen Treffer gut ist. In Schweinsteiger besitzt das deutsche Team einen umsichtigen Spielgestalter.
Bei England vermisste man diesen. Trotz Gerrard, Lampard und Barry. Wie schon im gesamten Turnierverlauf war das englische Team nicht in der Lage, Linie ins Spiel zu bekommen. Überhaupt war England bei dieser WM eine einzige Enttäuschung. Als einer der Favoriten ins Turnier gestartet, wurden die Three Lions den Ansprüchen nie gerecht.
Wieder einmal ist damit frühzeitig Schluss für eine englische Mannschaft. Offen scheint dadurch auch die Zukunft von Coach Fabio Capello. Durch die versuchte Revolte von John Terry schien der Italiener schon angeschlagen, die Klatsche gegen den Erzrivalen aus Deutschland könnte Capello nun den Rest geben.
Allerdings hat der Mister noch Vertrag, den der englische Verband erst unmittelbar vor der WM um zwei Jahre verlängerte. Und der ist richtig gut dotiert. Ein Rücktritt Capellos scheint daher ausgeschlossen. Nächste Woche wird es ein Treffen zwischen Capello und dem Verband geben.
Reaktionen:
Bundestrainer Joachim Löw (Deutschland): "Ich habe meiner Mannschaft in der Pause gesagt, wir müssen versuchen, das dritte Tor zu erzielen. Wir wussten, dass wir über Konter zum Erfolg kommen können, weil England aufmachen muss. Das haben unsere Spieler glänzend umgesetzt."
Teammanager Fabio Capello (England): "Es wäre für uns sehr wichtig gewesen, dass zweite Tor anerkannt zu bekommen. Ich verstehe nicht, warum wir in unser heutigen Zeit mit soviel Technologie immer noch über solche Dinge reden müssen. Ich glaube, dass wir nach dem 1:2 gut gespielt haben. Es hätte 2:2 stehen müssen. Was danach passiert, war enttäuschend aufgrund der Fehler. Die Deutschen haben ihre Konter sehr gut gefahren. Deutschland ist eine große Mannschaft und hat gut gespielt, wir haben Fehler gemacht, aber der Schiedsrichter hat einen noch größeren gemacht. Aber das ist Fußball."
Bastian Schweinsteiger: "Dem Oberschenkel geht es gut. Ich bin bis in die Nacht behandelt worden. Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft, was wir heute geschafft haben über 90 Minuten. Wir haben taktisch sehr gut gespielt, hatten die Kompaktheit und haben nach vorne gute Aktionen gehabt. Natürlich besaßen wir auch das Glück bei Lampard. Wir dürfen nicht so leichtfertig eine 2:0-Führung hergeben. Wir haben Respekt vor Argentinien und Mexiko, Angst aber gibt es bei uns nicht. Wir sind eine gute Mannschaft mit Qualitäten und können auch das Viertelfinale überstehen."
Miroslav Klose: "Ich habe immer wieder betont, dass wir eine Klassemannschaft haben, die genauso gut angreifen wie verteidigen kann. Das hat mir heute sehr imponiert. Wir waren von der ersten Minute an im Spiel, griffig und am Mann dran. Ich habe bei meinem Tor spekuliert und den langen Ball einfach gut umgesetzt. Unser Ziel bleibt das Halbfinale und das wollen wir auch erreichen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Beim DFB-Team sind die zuletzt angeschlagenen Schweinsteiger und Boateng fit. Klose beginnt nach seiner Sperre wieder im Sturm. Bei den Engländern gibt es keine Änderungen. Upson darf also wieder in der Innenverteidigung ran.
20., 1:0, Klose: Assist für Neuer nach einem langen Abschlag. Terry steht völlig falsch und Upson kommt nach einem Aufsetzer Klose nicht mehr hinterher. Klose wird noch am Trikot gezupft, spitzelt den Ball aber aus zehn Metern rein. Kloses 12. WM-Tor insgesamt.
32., 2:0, Podolski: Özil spielt Klose an der Außenlinie an. Der spielt hoch in den Lauf von Müller, der alleine vor James steht. Müller legt aber quer und Podolski kann von links aus acht Metern abziehen, tunnelt James.
37., 2:1, Upson: Ecke kurz ausgeführt auf Gerrard. Der flankt vom rechten Strafraumeck in die Mitte. Boateng ist nicht eng bei Upson und Neuer fliegt beim Rausgehen am Ball vorbei. Kopfballtor aus fünf Metern!
38.: Wembley-Tor für England. Aber die Schiris geben es nicht. Lampard zieht aus 16 Metern ab und der Ball landet an der Unterlatte und hüpft klar hinter der Linie im Tor auf. Glück für Deutschland, der Treffer zählt nicht.
67., 3:1, Müller: Direkter Konter nach dem Freistoß von Lampard. Boateng kurz auf Müller, der links Schweinsteiger anspielt. Der dribbelt über den halben Platz und zieht in die Mitte. Müller lauert in der Drei-gegen-drei Situation weit rechts und kommt aus 14 Metern zum Schuss. Ab ins kurze Eck, James schaut nicht gut aus.
70., 4:1, Müller: So kontert man in Perfektion! Klose spielt mit links vom eigenen Strafraum einen Traumpass steil auf Özil. Der überläuft locker Barry und dribbelt bis in den Strafraum der Engländer. Müller kommt mit, wartet auf den Querpass und schiebt aus sechs Metern souverän ein!
Fazit: Das deutsche Team feiert einen absolut verdienten Sieg gegen England. Spielerisch präsentierte sich die DFB-Elf mal wieder richtig stark und war den Engländern eigentlich in allen Belangen überlegen.
Der Star des Spiels: Thomas Müller (SPOX-Note 1). An dieser Stelle könnte auch Arne Friedrich stehen oder Bastian Schweinsteiger oder Miro Klose oder... Müller war auf dem rechten Flügel enorm viel unterwegs, ging immer wieder in die Tiefe und krönte seine eigene starke Leistung und die einer überragenden deutschen Mannschaft mit zwei Toren.
Voting: War war der "Man of the Match"?
Die Gurke des Spiels: Gareth Barry (SPOX-Note 5). Der Mittelfeldmann von Manchester City war einer von zig englischen Spielern, denen der deutsche Kombinationsfußball viel zu schnell ging. Barry sollte die Zentrale dicht machen, war damit allerdings total überfordert. Kläglich, wie er sich beim 4:1 vom Özil auf der Außenbahn überlaufen ließ. Von seinem Aufbauspiel mal ganz zu schweigen...
Die Pfeife des Spiels: Jorge Larrionda. Der Uruguayer hatte durchaus Mühe mit der Partie. Die Gelbe Karte für Friedrich war etwas überzogen. Bewertete auch den einen oder anderen Zweikampf falsch. Und: Lag zusammen mit seinem Assistenten eklatant daneben, als der Schuss von Lampard (38.) klar hinter der Linie aufsprang, Larrionda den Treffer aber nicht gab.
Analyse: Das deutsche Team fand schneller ins Spiel als die Engländer. Was gleich auffiel: Deutschland übernahm vor allem im Mittelfeld das Kommando. Ohne Ball wurde geschickt verschoben, so dass England häufig nur der lange Pass blieb.
Bei eigenem Ballbesitz rückten Podolski und Müller schnell nach außen und machten das Feld damit groß. Dadurch, dass Schweinsteiger und Khedira immer wieder mit Tempo nachrückten, erzeugte die DFB-Elf in der Zentrale vor dem englischen Tor immer wieder Überzahl, was vor allem Özil Freiheiten bescherte.
Durch den überraschenden Treffer von Upson war England mit einem Mal wieder zurück in der Partie. Trotz der Qualitäten von Barry, Lampard und Gerrard überbrückte die Capello-Elf das Mittelfeld allerdings meist schnell mit langen Bällen, wodurch England die Deutschen nie unter Dauerdruck setzen konnten.
Dennoch bekam das DFB-Team vor allem in den ersten 20 Minuten nach der Pause Probleme, weil Schweinsteiger und Khedira den Abstand zur eigenen Innenverteidigung immer wieder zu groß werden ließen und bei eigenem Ballbesitz keiner da war, der das Spiel ausreichend beruhigte.
Zwei überragende Konter der Deutschen beendeten dann allerdings das kurze Aufbäumen der Three Lions und krönten eine absolut überragende deutsche Leistung.
Deutschland - England: Fakten zum Spiel