Beim DFB wird man sich vor der Partie gegen Schweden am liebsten an das letzte Aufeinandertreffen bei einer Weltmeisterschaft erinnern. 2006, beim Sommermärchen im eigenen Land, setzte sich Deutschland im Achtelfinale souverän mit 2:0 durch. Doppelpack Lukas Podolski schon in der ersten Viertelstunde, dazu fast eine ganze Stunde in Überzahl. Die schwedischen Stars wie Henrik Larsson oder Zlatan Ibrahimovic hatte man im Griff.
Die Skandinavier dürften sich ihrerseits vor allem an das mittlerweile legendäre 4:4 im Oktober 2012 im Berliner Olympiastadion erinnern. 4:0 hatte Deutschland im Spiel der WM-Qualifikation bereits geführt, eine überragende Leistung gezeigt, doch in der letzten halben Stunde brach man völlig ein: am Ende stand es 4:4.
Ein kleiner Vorteil für die Tre Kronor: Während sich beim amtierenden Weltmeister nur noch der damalige Co-Trainer Joachim Löw und Miroslav Klose, der damals die beiden Poldi-Tore vorbereitete, an 2006 erinnern dürften, hat Schweden gleich mehrere Spieler von 2012 dabei, die aus erster Hand berichten können, dass dem Favoriten durchaus beizukommen ist. Mikael Lustig ackerte schon damals in der Viererkette, Sebastian Larsson im Mittelfeld.
Schwedens Kapitän Granqvist: "Deutschland hat mich überrascht"
Auch der heutige Kapitän Andreas Granqvist war damals in der Innenverteidigung dabei. Er war im Auftaktspiel gegen Südkorea Mann des Spiels, hatte die meisten Ballaktionen und Pässe und verwandelte den Elfmeter zum 1:0-Erfolg.
Was er von den Deutschen gegen Mexiko sah, bestärkte ihn in seiner Überzeugung: Wie damals in Berlin wird auch diesmal in Sotschi etwas zu holen sein. "Gegen Mexiko hatten sie sehr viele Ballverluste, das hat mich schon überrascht. Normalerweise spielen deutsche Mannschaften disziplinierter", gab er über den Gegner zu Protokoll.
Deutschland hat den Druck, Schweden dagegen hat schon mehr erreicht als erwartet. 2014 war man noch in den Playoffs an Cristiano Ronaldo und den Portugiesen gescheitert, diesmal klappte es mit der ersten WM-Teilnahme seit 2006. Und diesmal wäre auch nach einer Niederlage gegen Deutschland weiterhin alles drin.
Kein Wunder, dass bei den in blau-gelb gekleideten Fans Partystimmung vorherrscht: In Nowgorod vernichteten die rund 7000 Schlachtenbummler auf feucht-fröhliche Weise die Biervorräte der Innenstadt, in Sotschi könnte es zu ähnlichen Szenen kommen.
Niemand in Schweden vermisst Zlatan Ibrahimovic
Da ist es mittlerweile fast vergessen, dass der größte Star des schwedischen Fußballs gar nicht dabei ist. Zlatan Ibrahimovic beschränkt sich dieser Tage auf Werbeauftritte. Ein mögliches Comeback im Nationalteam, von ihm selbst ins Gespräch gebracht, war für Nationaltrainer Jarne Andersson kein Thema: "Für mich ist eindeutig: Wenn man aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist, wie es Zlatan nach der EM getan hat - und er war sehr deutlich, als wir darüber geredet haben -, ist die Sache klar."
Der Superstar, der beim 4:4 noch getroffen hatte, wird dabei auch von Fans und Spielern nicht vermisst. "Es ist ziemlich klar und für jeden zu sehen, dass wir ohne Zlatan ganz anders auftreten", betonte Stürmer Marcus Berg. "Jetzt sind wir ein echtes Team."
Ein Team, das über den Teamgeist kommen muss. Viele Spieler in der Startelf waren in der abgelaufenen Saison nur Ersatz oder spielten wie Berg in unterklassigen Ligen. Auch Emil Forsberg, der Spieler im Kader mit dem zweifellos größten Potenzial, konnte seine herausragende erste Saison bei RB Leipzig nicht wiederholen.
Schweden wie Mexiko stark über die linke Seite
Das alles heißt jedoch nicht, dass die Schweden keine gute Leistung auf den Platz bringen können. Gegen Südkorea kontrollierte man nach schlampigen ersten Minuten die Partie, drängte die Asiaten tief an den Strafraum zurück und verzeichnete zur Pause fast 65 Prozent Ballbesitz. Es ist beileibe nicht so, als würde dieses Team nur kontern können.
Aufgebaut wurde das Spiel dabei vor allem über den linken Innenverteidiger Granqvist und die Sechser Albin Ekdal und Larsson. Wo das deutsche Spiel gegen Mexiko rechtslastig war, ging es hier mit Forsberg und dem hoch stehenden Ludwig Augustinsson hauptsächlich über die linke Seite nach vorn - ein entblößter Joshua Kimmich wäre also ein gefundenes Fressen. Schweden kann durchaus einen gepflegten Kombinationsfußball spielen, bevor irgendwann der Ball auf einen der beiden Stürmer kommt.
Verteidigen, das können sie aber natürlich immer noch. Die Defensive ist und bleibt das Prunkstück des Teams. Im flachen 4-4-2 wird mit zwei ganz engen Ketten gespielt, Südkorea brachte keinen einzigen Schuss auf den Kasten von Schlussmann Robin Olsen.
Lindelöf kehrt zurück: Schwedens Defensive noch besser
Gegen Deutschland dürfte es nur eine Änderung in der Startelf geben. Manchester Uniteds Victor Lindelöf hat sein leichtes Fieber auskuriert, konnte in den letzten Tagen trainieren und wird wohl wieder den Platz neben Granqvist einnehmen, was den Weg durch die Mitte noch schwieriger macht.
Lediglich einen Punkt zu ermauern, reicht dem Außenseiter allerdings nicht. "Gegen Deutschland können wir nicht 90 Minuten nur verteidigen. Wir müssen auch selbst den Ball laufen lassen und unsere Chance suchen", forderte Granqvist. Er weiß schließlich aus erster Hand, dass diese Chance durchaus vorhanden ist.