WM

Argentiniens WM-Helden Scaloni und Messi: Die Lionels aus den Marken

messi-1200-11
© imago images

Lionel und Lionel: Die beiden Protagonisten von Argentiniens drittem WM-Triumph tragen nicht nur den selben Vornamen, es gibt noch weitere durchaus kuriose Parallelen zwischen Superstar Messi (35) und Trainer Scaloni (44).

Cookie-Einstellungen

Nur etwa eine Autostunde liegt zwischen den Herkunftsorten der Familien von Lionel Messi und Lionel Scaloni. Aber nicht in Argentinien. Nein, nicht einmal in Südamerika. Sondern in der italienischen Region Marken, etwas nordöstlich von Rom an der Adria gelegen.

Messis Ur-Ur-Großvater väterlicherseits, Angelo Messi, stammt aus Recanati, sein Ur-Ur-Großvater mütterlicherseits, Raniero Coccettini, aus San Severino. Ende des 19. Jahrhunderts wanderten beide von ihren italienischen Dörfern nach Argentinien aus. Einige Jahre später folgten Scalonis Großeltern aus Ascoli Piceno, rund 85 Kilometer südlich von den Herkunftsorten Messis Vorfahren gelegen.

In jener Zeit erfolgte eine wahre Völkerwanderung von den Marken nach Argentinien, wo Wohnraum und Arbeit wartete. Laut einer Erhebung von 2005 hatten damals 1,5 Millionen Argentinier ihre Wurzeln in jener italienischen Region. Die meisten verschlug es in den Großraum Buenos Aires, aber Messis und Scalonis Vorfahren drangen ins Landesinnere vor. Während sich die Messis in Rosario niederließen, wählten die Scalonis das nahe Dörfchen Pujato.

Die heute drittgrößte Stadt Argentiniens Rosario entwickelte sich erst ab dem späten 19. Jahrhundert zu einem industriellen Zentrum des Landes. Historischen Ortskern gibt es keinen, alle Straßen sind im Schachbrettmuster angeordnet. Im Osten fließt der gewaltige Fluss Parana, an dessen Ufer sich die einzige nennenswerte Sehenswürdigkeit der Stadt befindet: das Monumento Nacional a la Bandera zu Ehren der argentinischen Flagge, die 1812 unweit Rosarios erstmals gehisst wurde.

Der wahre Stolz der Stadt sind aber ihre beiden großen Fußballklubs. Newell's Old Boys, rot-schwarz. Rosario Central, gelb-blau. In den 1970er Jahren durchbrachen sie die Phalanx der Dauermeister aus dem Großraum Buenos Aires und gewannen ihre ersten nationalen Titel. Das Derby von Rosario gilt heute als eines der stimmungsvollsten Spiele Argentiniens.

Scaloni war bei Messis Nationalmannschaftsdebüt dabei

Messi und Scaloni starteten ihre Karrieren beide bei den Newell's Old Boys. Abwehrspieler Scaloni machte Mitte der 1990er Jahren als Teenager zwölf Pflichtspiele, ehe er zunächst zu Estudiantes de La Plata und schließlich nach Europa weiterzog. 2015 beendete er seine Profikarriere bei Atalanta Bergamo.

Messi sorgte bei den Newell's Old Boys schon als Kind für Aufsehen: Bei einem Spiel der Profimannschaft - womöglich mit Scaloni auf dem Platz - zeigte er zur Halbzeitpause seine Fähigkeiten im Ballhochhalten. Der Legende nach schrien die Fans im Stadion: "Maradona, Maradona, Maradona!" Mit seiner Jugendmannschaft blieb Messi drei Jahre lang ungeschlagen, was ihr in Bezug auf das Geburtsjahr der Kinder den Spitznamen "Maschine 1987" einbrachte. Im Alter von 14 wechselte Messi zum FC Barcelona, wo er zum Superstar avancierte.

Sein Nationalmannschaftsdebüt feierte er im August 2005 bei einem Freundschaftsspiel gegen Ungarn. Auf dem Platz stand damals auch Scaloni, es war eines seiner insgesamt nur sieben Länderspiele. 2017 kehrte er als Co-Trainer von Jorge Sampaoli zum Verband zurück. Sampaoli stammt aus dem Nachbarstädtchen von Scalonis Heimat Pujato und spielte in der Jugend ebenfalls für die Newell's Old Boys, ehe eine schwere Verletzung seine Karriere beendete.

Stattdessen setzte er die große Trainer-Tradition Rosarios fort: Abgesehen von Scaloni und Sampaoli stammen unter anderem auch Argentiniens Weltmeister-Trainer von 1978 Cesar Luis Menotti, der ehemalige Trainer des FC Barcelona Gerardo Martino sowie der legendäre Marcelo Bielsa aus dem Großraum Rosario. Nach Bielsa ist heute sogar das Stadion der Newell's Old Boys benannt. Eine Tribüne trägt den Namen von Diego Armando Maradona, der schon von übermäßigem Kokainkonsum gezeichnet 1993 fünf torlose Pflichtspiele für den Klub absolvierte.

Wie Lionel Messi und Argentinien zusammenfanden

Erinnerungen an Messi waren in Rosarios Zentrum unterdessen lange Fehlanzeige. Bis heute gibt es kein Messi-Museum und keine Messi-Statue. Es ist ein Kontrastprogramm zum Cristiano-Ronaldo-Kult auf dessen Heimatinsel Madeira, die Messis ewiger Widersacher einst schon im Alter von zwölf Jahren verlassen hat.

Lange pflegten die Argentinier und auch die Bewohner Rosarios ein ambivalentes Verhältnis zu Messi, der ob seines frühen Wechsels nach Europa stets kritisch beäugt wurde. Gibt er für die argentinische Nationalmannschaft tatsächlich genau so viel wie für Barcelona? Bei der enttäuschenden Heim-Copa 2011 wurde Messi ausgebuht, 2016 verkündete er gar seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

Erst die dadurch ausgelöste Angst vor einem traurigen Nationalmannschaftsende des Superstars dreht die Stimmung in Argentinien: In Buenos Aires gab es große Kundgebungen für einen Rücktritt vom Rücktritt, Präsident Mauricio Macri meldete sich zu Wort, Messis heutiger Kollegen Enzo Fernández schrieb einen süßen Brief und Scaloni twitterte: "Geh nicht." Es sollte sich lohnen, Messi überlegte es sich nochmal anders.

Bei der Copa 2021 gewann er unter Scaloni seinen ersten großen Titel mit der Nationalmannschaft, woraufhin nahe des Monumento Nacional a la Bandera in Rosario endlich ein riesiges Wandgemälde zu seinen Ehren enthüllt wurde. Dieser Triumph machte aus Messi und den Argentiniern schließlich eine untrennbare Einheit, die in der emotionalen Achterbahnfahrt von Katar und Messis Karriere-Krönung mit dem WM-Titel gipfelte.

Entscheidenden Anteil am Finalsieg gegen Frankreich hatte neben Messi und Trainer Scaloni vor allem noch Ángel Di María. Natürlich stammt auch er aus Rosario, natürlich hat auch er italienische Vorfahren.

Artikel und Videos zum Thema