SPOX: Zunächst mal: Glückwunsch zur Meisterschaft! Wie fühlen Sie sich denn nach den ganzen Feierlichkeiten der letzten Tage?
Andy Schmid: Vielen Dank! Bis jetzt bin ich noch zu müde, um zu realisieren, was da gerade passiert ist. Aber allgemein herrscht große Erleichterung. Wir sind vor allem erleichtert, dass das Gequatsche von wegen "wir gewinnen nichts" vorbei ist und das wir irgendwo Geschichte für den Verein geschrieben haben. Da herrscht schon Stolz und Erleichterung. Und auch Genugtuung.
SPOX: Verständlich. Wie lange haben Sie denn letztlich gefeiert?
Schmid: Keine Ahnung. Ich bin nach Hause gekommen, als meine Kinder in den Kindergarten gegangen sind. (lacht)
SPOX: Sie sind ja nun zum dritten Mal in Folge Spieler der Saison geworden. Was bedeuten Ihnen diese individuellen Auszeichnungen im Vergleich zur Meisterschaft?
Schmid: Es war natürlich immer eine Art Wermutstropfen in den letzten beiden Jahren, dass ich diese Auszeichnung bekommen habe, obwohl wir die Meisterschaft nicht gewonnen haben. Jetzt ist es gewissermaßen ein i-Tüpfelchen. Und natürlich ist es schon schön, dass die Spieler, die Trainer und die Manager gesehen haben, dass du gut gespielt hast und das macht mich richtig stolz. Aber das Wichtigste ist, dass wir in Deutschland diesen Titel geholt haben. Klar, es ist eine wirklich schöne Auszeichnung, aber ich hätte darauf auch gerne dieses Jahr verzichten können, wenn wir den Titel trotzdem gewonnen hätten. Wie gesagt, diese Auszeichnung ist schön, aber das andere ist deutlich wichtiger.
SPOX: Sicher! Aber reden wir mal kurz über die vergangenen zwei Jahre, in denen Sie die Meisterschaft jeweils knapp verpasst hatten. Besonders 2014, als nur zwei Tore gefehlt haben ... Kann dieser Titel jetzt darüber hinwegtrösten, oder sind diese Enttäuschungen noch im Hinterkopf?
Schmid: Nein, das tröstet darüber überhaupt nicht weg. Dieser Moment 2014, als wir die Meisterschaft um zwei Tore verpasst haben, das war das einschneidendste Erlebnis meiner Karriere. Diese Wunde war irgendwo sichtbar und spürbar. Und dass wir diese Scharte auswetzen konnten in den Köpfen der Spieler und unserer Fans, das ist eigentlich das Größte. So kann man irgendwie auch positiv zurückdenken an diesen Tag. Das Scheitern damals war vielleicht der Auslöser für den Erfolg in diesem Jahr. Aber so geht es manchmal im Sport und das war vielleicht auch der Grund, warum wir in diesem Jahr die Meisterschaft gewonnen haben. In uns drin war irgendwo ein Antrieb, ein noch stärkerer Wille. Ich hab so ein bisschen gesagt, Besessenheit, nach diesem Ereignis, dass man es am Ende eben schafft. 2014 hat wahrscheinlich niemand geglaubt, dass wir jemals wieder so weit kommen, denn wir hatten das ganze Jahr über gut gespielt. So ist es noch viel schöner, dass wir das letztlich bestätigt haben. Gerade mit der Konkurrenz - Kiel und Flensburg sind wahrscheinlich noch ein wenig breiter aufgestellt und haben nochmal andere Möglichkeiten. Aber wir haben auch viel Glück gehabt mit Verletzungen, während die anderen beiden Mannschaft ein wenig Pech hatten.
SPOX: Was war aus Ihrer Sicht der wichtigste Faktor in dieser Saison?
Schmid: Über 32 Spieltage haben wir wirklich extrem konstant gespielt und wir hatten keine schwachen Spiele gegen vermeintlich schwächere Gegner, gegen die wir uns in den letzten Jahren auch schon mal schwergetan haben. Und es ist auch klar, dass man diese Spiele immer gewinnen muss. Da haben wir auch aus den letzten beiden Jahren gelernt.
SPOX: Ich traue mich fast gar nicht zu fragen, aber: 2013 holten Sie den EHF-Cup und nun die Meisterschaft. Welchen dieser Titel schätzen Sie als wichtiger ein?
Schmid: Also der Europapokal ist Kindergeburtstag im Vergleich zur deutschen Meisterschaft! Der Europapokaltitel war zwar speziell für uns und für den Verein der erste Titel überhaupt. Aber die deutsche Meisterschaft ist meiner Meinung nach der schwierigste Titel, den man gewinnen kann - weltweit! Ich glaube, man muss konstant gut spielen über die ganze Saison, man muss gegen die besten Spieler der Welt gut spielen über zehn Monate, damit man diesen Titel gewinnt. Deswegen ist die deutsche Meisterschaft aus meiner Sicht der größte Titel, den man gewinnen kann.
SPOX: Blicken wir mal voraus: Sehen Sie sich selbst jetzt als eines der größten Teams in Europa? Und können Sie vielleicht sogar in der Champions League angreifen? Wie sind da Ihre Ziele?
Schmid: Also wenn man jetzt schon an die Zukunft denkt, wären wir ja bekloppt. Wir müssen jetzt alles erstmal sacken lassen und dieses Ereignis verarbeiten. Aber natürlich weckt der Erfolg jetzt viele Begehrlichkeiten. Der Glaube ist natürlich da, dass man auch diesen Titel gewinnen kann und es ist nicht unmöglich für diesen Verein, die Champions League zu gewinnen. Aber jetzt groß Ansprüche zu stellen, ist nicht meine Art. Klar könnte ich das tun, aber dass in dieser Champions League auch andere gut spielen können, steht außer Frage. Für den aktuellen Erfolg sind wir viel gerannt, haben lange gekämpft und was danach kommt, muss man dann irgendwo sehen. Dass wir die Qualität haben, um auch im Europacup oben stehen zu können, ist klar. Aber da müsste dann schon alles passen.
SPOX: Ihr Mannschaftskollege Uwe Gensheimer wird die Löwen ja zum Saisonende verlassen. Geben Sie uns bitte mal eine Einschätzung, was das für den Verein bedeutet.
Schmid: Klar ist es schade für die Kollegen und für die Fans. Er war die ganze Zeit dabei, ist das Gesicht des Vereins, aber jetzt hat sich auch irgendwo der Kreis geschlossen. Jetzt kann man ihn auch in Ruhe gehen lassen, weil wir - ich sage mal - gewissermaßen unsere Mission vollendet haben. Er wird sicherlich ein herber Verlust sein. Aber sportlich werden wir das auffangen können. Wir haben hier ein gutes Gerüst in der Mannschaft, das schon länger zusammen spielt und das werden wir auch im nächsten Jahr tun. Und der Verein wird das auch auffangen können. Es ist jetzt nicht so, dass wir die Tür schließen und den Verein zumachen müssten, aber klar ist es ein Verlust. Aber so ist Sport, viele Spieler gehen und viele Spieler kommen. Das mit Uwe ist natürlich speziell, aber es ist auch verständlich, dass er irgendwo noch was anderes sehen möchte. Mit 17, 18 zieht man auch aus zuhause, dann muss man auch mal seine Heimatstadt und sein Umfeld verlassen, um persönlich und sportlich weiterzukommen.
SPOX: Nun liegt eine lange Saison hinter Ihnen. Sie reisen jetzt noch zur Schweizer Nationalmannschaft, danach ist dann sicherlich Urlaub angesagt. Haben sie dafür schon irgendwelche Pläne?
Schmid: Oh, ich werde jetzt erstmal genießen. Ich werde viel mit meiner Familie und meinen Freunden zusammen sein, um denen auch etwas zurückzugeben. Die mussten mich ja in den letzten drei bis fünf Monaten auch immer zuhause ertragen, wenn ich nicht so ganz anwesend war während der Saison.
SPOX: Dann mal viel Spaß im Urlaub und danke fürs Gespräch.
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