Alfred Gislason schüttelte den Kopf. Als das brisante Wiedersehen mit Dagur Sigurdsson zur Sprache kam, gab sich der Bundestrainer der deutschen Handballer betont gelassen. "Ich glaube nicht, dass Dagur das Spiel der Kroaten in vier Tagen auf den Kopf stellen kann", sagte Gislason trocken. Respekt, klar. Sorgen oder gar Angst verspürt der Isländer vor dem wegweisenden Olympia-Duell mit dem EM-Helden von 2016 aber keineswegs.
Sicher ist: Die Partie am Samstag (14.30 Uhr/ZDF und Dyn) beim Qualifikations-Turnier in Hannover nimmt für Deutschland eine immens wichtige Rolle auf dem Weg zu Olympia ein. Ein Sieg - und die Teilnahme an den Sommerspielen in Paris wäre vor dem abschließenden Spiel gegen Österreich am Sonntag ganz nah.
"Er ist dafür bekannt", sagte Rune Dahmke über Sigurdsson schmunzelnd, "sich ein paar unorthodoxe Sachen auszudenken. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er die auch für uns parat haben wird. Es wird spannend." Der Linksaußen des THW Kiel ist neben Andreas Wolff und Jannik Kohlbacher einer von drei Spielern im aktuellen DHB-Kader, die mit Sigurdsson 2016 völlig überraschend den EM-Thron erklommen hatten. "Er hat einfach den Sport verstanden, und er kann das sehr, sehr gut vermitteln."
Die DHB-Auswahl, das weiß Dahmke wie auch Gislason, benötigt nach dem deutlichen, aber mäßigen Auftakt gegen Algerien (41:29) eine Leistungssteigerung, um dem Olympia-Traum wahr werden zu lassen. Auch bei Sigurdssons Debüt, dem 35:29 gegen Österreich, lief noch nicht alles rund. Das Duell mit Deutschland könnte für Kroatien dank des Erfolgs im Schlüsselspiel aber zu einem Matchball im Kampf um eines von zwei zu vergebenen Paris-Ticket werden.
"Ich finde es schön, in Deutschland zu coachen und freue mich auf das Spiel, auf Alfred, einen guten Kumpel", sagte Sigurdsson, der Kroatien erst vor wenigen Tagen offiziell übernommen hatte und dafür auf eine bereits sichere Teilnahme mit Japan an Olympia verzichtete. Entsprechend aufregend waren die vergangenen Tage, Sigurdsson sprach von einer "brutalen" Erfahrung. Die Erleichterung im Gesicht des 50-Jährigen war unübersehbar.
Nun also das Wiedersehen, das auch die Wiederauflage eines isländisches Trainer-Duells ist. Gislason ließ sich auf keine Psychospielchen ein. Das Duell gegen seinen Landsmann sei für ihn "nichts besonderes", schließlich seien beide schon zu Zeiten als Vereinstrainer - Gislason beim THW Kiel, Sigurdsson bei den Füchsen Berlin - oft aufeinander getroffen.
Auf dem Papier ist die Bedeutung aber allemal riesig. Schließlich steht nicht nur Olympia, sondern auch die Zukunft Gislasons auf dem Spiel. Der Vertrag des Routiniers verlängert sich nur bei einer Teilnahme in Paris bis 2027. Johannes Golla schärfte daher gleich nach dem Algerien-Spiel die Sinne, die jüngste Niederlage gegen Kroatien bei der Heim-EM (24:30) sei kein Thema mehr. "Wir müssen auf uns gucken, dass wir unsere Leistung auf die Platte kriegen. Dann ist es relativ egal, was die Kroaten machen", sagte der Kapitän überzeugt.