Aus deutscher Sicht hätten die Neuigkeiten, die am vergangenen Freitag aus dem Paddock an die Öffentlichkeit gelangten, kaum erfreulicher sein können. Nico Hülkenberg steigt zur kommenden Saison bei Sauber ins Cockpit und erhält dort einen "mehrjährigen" Vertrag - dem Vernehmen nach ist sein Kontrakt bis Ende 2027 datiert. Damit ist klar, dass der Emmericher Teil von Audis Formel-1-Projekt wird, schließlich wird der deutsche Hersteller den Schweizer Rennstall 2026 vollständig übernehmen und dann als Audi-Werksteam an den Start gehen.
Erfreulich ist es aus deutscher Sicht deshalb, weil mit Hülkenberg ein deutscher Pilot bis auf Weiteres in der Königsklasse bleibt. Das drohende Szenario, dass ab dem kommenden Jahr womöglich überhaupt kein deutscher Fahrer mehr im Feld vertreten sein könnte, ist abgewendet. Wenn schon aus dem Nachwuchs nicht wirklich Vielversprechendes nachkommt, muss es eben der 36-jährige Routinier richten.
Und die Chancen, dass Hülkenberg nach den zwei tristen Jahren bei Haas tatsächlich Erfolg haben könnte, stehen nicht einmal schlecht. Klar, im kommenden Jahr wird sich an den Kräfteverhältnissen noch wenig tun. Sauber wird unverändert unter dem Teamnamen Stake F1 Team antreten - mit welchem Material man es hier zu tun hat, kann man derzeit ganz gut an den Ergebnissen von Valtteri Bottas und Guanyu Zhou ablesen. Nach fünf Rennen sind die Schweizer einer von drei Rennställen, die noch keinen einzigen WM-Punkt eingefahren haben.
Nico Hülkenberg hat bei Audi keine schlechten Chancen
Für die Saison 2026 werden die Karten jedoch neu gemischt. Die Formel 1 geht dann mit einem neuen Motorenreglement an den Start. Auch in anderen Bereichen, etwa am Chassis oder der Aerodynamik wird es größere Änderungen geben, was das Feld ordentlich durcheinanderwirbeln könnte. Niemand kann zum heutigen Zeitpunkt einschätzen, welche Auswirkungen das genau haben wird. Welches Auto stark sein wird. Welcher Antrieb am leistungsfähigsten sein wird. Eine Prognose gleicht einem Blick in die Kristallkugel.
Auf der anderen Seite bietet es eben aber auch Chancen. Sicherlich werden etablierte und eingespieltere Teams gegenüber einem frisch umgestalteten Rennstall wie Audi zunächst einen Vorteil haben, mit einem siegfähigen Auto im ersten Jahr nach der Übernahme ist also nicht unbedingt zu rechnen. Doch daraus machte der deutsche Hersteller auch gar keinen Hehl. Der tatsächliche Gradmesser wird erst 2027 ein, heißt es. Dann will man bei den Großen mitmischen.
Gegenüber diversen Privatteams wie Aston Martin, McLaren, Haas oder Williams ist man aufgrund der Tatsache, ein Werksteam zu sein, auf jeden Fall im Vorteil. Alleine schon, weil man einen eigenen Antrieb baut und diesen entsprechend der Stärken des eigenen Boliden entwickeln und anpassen kann. Der Anspruch der Ingolstädter wird es ganz klar sein, mittelfristig zu den Top-Teams zu gehören. Unabhängig davon wie schnell das klappt, wird Hülkenberg zumindest ein wichtiger Wegbereiter sein.
Darüber hinaus steht mit Andreas Seidl ein Mann an der Spitze des Rennstalls, der schon bei McLaren bewiesen hat, dass er fähig ist, ein Team kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die Spitze zu führen. Die guten Ergebnisse, die die Briten heute einfahren sind zu großen Teilen auf seine Arbeit in den Jahren zuvor zurückzuführen.
Nico Hülkenberg bei Audi: Konstanz und deutsche Sachlichkeit
Dieser Andreas Seidl ist angeblich auch die treibende Kraft hinter der Hülkenberg-Verpflichtung. Audi hatte schon bei der Bekanntgabe, in die Königsklasse des Motorsports einsteigen zu wollen, immer wieder durchklingen lassen, auf jeden Fall mit einem deutschen Piloten in einem der Cockpits zu planen. Mit Hülkenberg geht dieser Wunsch nun in Erfüllung.
Warum die Wahl genau auf Hülkenberg fällt, mag sich nun der ein oder andere die Frage stellen. Gibt es auf dem deutschen Markt etwa keine besseren und vor allem jüngeren Alternativen als einen 36-Jährigen, dem in 208 Grand-Prix-Stars noch kein einziges Mal der Sprung auf Podest gelungen ist? Übrigens ein unrühmlicher Rekord in der F1-Geschichte.
Und ja, so nüchtern und düster das mit Blick auf die Zukunft vielleicht klingen mag. Nico Hülkenberg ist aktuell das beste Pferd im deutschen Stall. Denn auch wenn seine Statistiken nicht unbedingt auf einen Top-Piloten schließen lassen, schnell fahren kann Hülkenberg in jedem Fall. Das hat er bei verschiedensten Stationen in der Formel 1 immer wieder bewiesen.
Vor allem in der Qualifikation hat der 36-Jährige seine Stärken, mit den Jahren wurde er dann aber auch in den Rennen immer konstanter. Und wenn wir gerade beim Thema Konstanz sind: Bei Hülkenberg weiß man im Gegensatz zu vielen anderen Piloten einfach, was man bekommt. Fehler erlaubt sich der Emmericher nur äußerst selten, seine Erfahrung von elf Saisons als Stammpilot können ebenfalls nicht viele Fahrer im Feld vorweisen.
Und auch abseits der Strecke ist Hülkenberg jemand, von dem Audi absolut profitieren kann. Der 36-Jährige ist immer für einen flotten Spruch gut, kann sich auf der anderen Seite aber ebenso gut artikulieren. Das Temperament und Feuer eines Max Verstappens hat er sicherlich nicht, dafür punktet er jedoch mit deutscher Sachlichkeit und smartem Humor.
Beim Publikum mag das nicht unbedingt verfangen, schließlich hat Hülkenberg auch auf dem deutschen Markt nicht die Fanbase wie sie einst ein Sebastian Vettel oder Michael Schumacher hatten, für das Audi-Projekt passt er aber wie die Faust aufs Auge. Deutschen Fans bleibt so oder nichts anderes übrig, als sich mit Hülkenberg als Zugpferd anzufreunden - unabhängig davon, dass er aus deutscher Sicht nicht die spannendste und aufregendste Option sein mag.
Trotz Lobhudelei: Niemand möchte Mick Schumacher haben
Diese "Aufregung" hätte womöglich ein anderer Kandidat geboten: Mick Schumacher. Wäre der Sohn von Rekordweltmeister Michael nicht passender für ein Cockpit bei Audi gewesen? Im Gegensatz zu Hülkenberg besitzt Mick das deutlich größere Entwicklungspotenzial. Der Nachname passt auch. Alles zusammen, vereint unter einer deutschen Marke. Klingt nicht so übel. Tatsächlich stand Schumacher diversen Medienberichten zufolge ebenfalls auf der Kandidatenliste bei den Ingolstädtern, wie schon 2023 bei Haas zog er gegenüber Hülkenberg jedoch den Kürzeren.
Damals trat der Emmericher seine direkte Nachfolge bei den US-Amerikanern an. Begründet wurde dies mit der weit größeren Erfahrung, die Hülkenberg vorzuweisen hatte. Haas wollte kein vielversprechendes Talent, welches ein ums andere Mal den Boliden in der Streckenmauer versenkt hatte. Haas wollte Abgeklärtheit und Souveränität, welche man sich von Hülkenberg versprach. Ähnliche Beweggründe dürften auch bei der Entscheidung Audis eine Rolle gespielt haben.
Schumacher hat bis heute keinen Weg zurück in ein Stammcockpit gefunden. Obwohl man aus dem Paddock überwiegend Positives rund um seine Leistungen bei Tests oder Simulationsfahrten aufschnappt, so wird man doch das Gefühl nicht los, dass ihm niemand in der Formel 1 so richtig zutraut, am Ende des Tages gut genug für die Königsklasse zu sein.
Daran ändern auch die andauernden Lobhudeleien von Mercedes-Teamchef Toto Wolff nichts, unter dem Schumacher in dieser Saison als Ersatzfahrer der Silberpfeile angestellt ist. Schließlich hätte der Österreicher, wenn man seinen Worten tatsächlich Glauben schenken darf, nach dem Abgang von Lewis Hamilton im kommenden Jahr selbst ein Cockpit neben George Russell zu besetzten. Doch auch dort möchte man Schumacher allen Anschein nicht haben. Genannt werden als Kandidaten stattdessen Max Verstappen, Youngster Kimi Antonelli oder Carlos Sainz.
Letzterer soll auch bei Audi sehr hoch im Kurs stehen und wäre dann der Grund, warum es auch beim zweiten Sitz für Schumacher bei den Ingolstädtern schlecht aussieht. Ein F1-Comeback Schumachers würde somit einen weiteren Rückschlag kassieren. Einen, von dem er sich vielleicht nicht mehr erholen wird. Und dass der Schlag zum Knockout ausgerechnet von einem Landsmann kommt, macht die Sache sogar noch ein wenig bitterer.
Formel 1: Stand in der Fahrerwertung und der Konstrukteurswertung nach 5 von 24 Rennen
Fahrerwertung:
Pos. | Fahrer | Pkt. |
1. | Max Verstappen (Red Bull) | 110 |
2. | Sergio Pérez (Red Bull) | 85 |
3. | Charles Leclerc (Ferrari) | 76 |
4. | Carlos Sainz (Ferrari) | 69 |
5. | Lando Norris (McLaren) | 58 |
6. | Oscar Piastri (McLaren) | 38 |
7. | George Russell (Mercedes) | 33 |
8- | Fernando Alonso (Aston Martin) | 31 |
9. | Lewis Hamilton (Mercedes) | 19 |
10. | Lance Stroll (Aston Martin) | 9 |
11. | Yuki Tsunoda (Racing Bulls) | 7 |
12. | Oliver Bearman (Ferrari) | 6 |
13. | Nico Hülkenberg (Haas) | 4 |
14. | Kevin Magnussen (Haas) | 1 |
15. | Alexander Albon (Williams) | 0 |
16. | Guanyu Zhou (Sauber) | 0 |
17. | Daniel Ricciardo (Racing Bulls) | 0 |
18. | Pierre Gasly (Alpine) | 0 |
19. | Logan Sargeant (Williams) | 0 |
20. | Valtteri Bottas (Sauber) | 0 |
21. | Esteban Ocon (Alpine) | 0 |
Konstrukteurswertung:
Pos. | Team | Pkt. |
1. | Red Bull Racing | 195 |
2. | Scuderia Ferrari | 151 |
3. | McLaren | 96 |
4. | Mercedes-Benz | 52 |
5. | Aston Martin | 40 |
6. | Visa Cash App Racing Bulls | 7 |
7. | Haas | 5 |
8. | Williams | 0 |
9. | Stake Sauber | 0 |
10. | Alpine | 0 |