"Die Kritiker können mich am Arsch lecken"

SID
Hanteltraining mit nacktem Oberkörper: Brähmer sagt: "Ich habe mich noch nie so gequält!"
© Getty

Er muss. Oder anders: Er darf auf gar keinen Fall verlieren. Denn packt Jürgen Brähmer am Samstagabend die Hürde Halbschwer-EM nicht, dann hat das "Jahrhunderttalent" wohl ausgeboxt.

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"Die Kritiker können mich am Arsch lecken. Erzählen tun die alle viel. Aber die wenigsten haben Ahnung." Box-Star Jürgen Brähmer (31 Siege, 25 K.o, 2 Niederlagen) ist vor der Halbschwer-EM gegen den Franzosen Rachid Kanfouah in Angriffslaune.

Denn: Der Druck auf den 30-Jährigen wächst. Nach der verpassten WM-Chance gegen den Argentinier Hugo Hernan Garay (verlor einstimmig nach Punkten) muss der Schweriner endlich beweisen, dass er das Zeug für große Kämpfe hat. Brähmer:  "Die Niederlage hat mir einen Schub gegeben. Manchmal braucht das ein Boxer."

Dennoch: Viele zweifeln zunehmend an seinem Können. Zu wenig Biss, mangelnde Disziplin, das letzte Quentchen eben. Solchen Worten würde ein Brähmer, der insgesamt fünf Jahre im Gefängnis verbrachte, sicher nicht zustimmen.

Doch gegenüber SPOX erklärt der 30-Jährige: "Es war nicht immer alles professionell in letzter Zeit. Und ich habe mein Potential auch nicht ausgeschöpft." Was er genau damit sagen wollte, kann sich jeder denken. Schließlich sagen Profi-Sportler nur dann solche Sätze, wenn der eigentliche Job zur Nebensache wurde.

Und so hat es auch der einst als Jahrhunderttalent bezeichnete Brähmer gemeint.

Der Halbschwer-Fighter aus dem Hamburger Universum-Stall - er wirkt vor dem (zweit)-wichtigsten Kampf seiner Karriere locker wie immer. Lockere Sprüche, Siegerlächeln und obendrauf der ein oder andere Tritt auf nervende Medien. Auf den ersten Blick - alles wie immer beim Brähmer-Clan.

Doch hinter der Ich-bin-voll-locker-Fassade macht sich jemand Gedanken. "Klar, meine Karriere besteht aus Höhen und Tiefen. Aber ich kann mich noch verbessern. Das spüre ich."

Brähmer weiß inzwischen wohl genau wie es um sein Standing steht. Über die EM zur WM. So ist sein Plan, so planen die Universum-Strategen. Patzt er, platzt der Traum.

Denn schon zwei Mal schon musste sich Brähmer in großen Fights geschlagen geben. Vor der Garay- Prügel vor vier Monaten, war im Mai 2006 auch sein damaliger Stallkollege Mario Veit zu stark.

Aus diesen Tiefschlägen hat er gelernt. "Ich werde wieder mehr boxen, nicht mehr so auf den K.O. gehen. Zuletzt wollte ich ja nur knallen." Und weiter: "Am Training haben wir gar nicht so viel umgestellt. Aber irgendwie hat es mir diesmal extrem viel Spaß gemacht." Hört man zwischen den Zeilen, entsteht der Eindruck: Brähmer hat eine neue Strategie. Und die soll ihn endlich dahin bringen, wo er hin will.

"Ich will der nächste deutsche Weltmeister werden. An dem Ziel hat sich nichts geändert", sagt Brähmer. Und so wird der Fight gegen einen schlagbaren Franzosen (35 Kämpfen auf 29 Siege, verlor vor zwei Jahren gegen Thomas Ullrich) zu einem Überlebenskampf.

Siegt Brähmer, winkt in den nächsten Monaten der Revanchekampf gegen Garay. Denn der hat ihm bereits ein Re-Match angeboten. Brähmer brennt auf dieses Duell: "Ich weiß, er ist ein starker Boxer. Aber er ist schlagbar. Ich will diesen Kampf unbedingt!"

Doch vorher muss er einen 35-Jährigen aus dem Weg räumen. Und das möglichst souverän. Schließlich war es sein Wunsch, auf einen Aufbaukampf zu verzichten. "Ich wollte sofort wieder einen Titel-Kampf. Alles andere ist Quatsch."

Der Wille ist da. Jetzt braucht es ein Resultat. Was sich aber auch dem Kampf nicht ändern wird: Ein Sympathieträger wird Brähmer nicht mehr. Aber das ist ihm ohnehin scheißegal. Wie es Brähmer sagen würde.