SPOX: Herr Rautins, der Saisonstart verlief für die FRAPORT SKYLINERS durchwachsen. Sie sind mit 19,3 Punkten trotzdem der Topscorer der Liga. Was überwiegt?
Andy Rautins: Die Mannschaft steht an erster Stelle. Ich bin kein "Me-First"-Typ, der nur auf sich selbst schaut. Deswegen frustriert es mich, wenn wir Spiele verlieren. Wir müssen schauen, dass wir unser Ziel, mehr als die Häfte unserer Partien zu gewinnen, nicht aus dem Auge verlieren.
SPOX: Der Tiefpunkt war die herbe Klatsche gegen die Bayern, als man mit 32 Punkten Unterschied demontiert wurde. Spielen die Bayern in einer eigenen Liga?
Rautins: Wir dürfen uns nicht mit den Bayern vergleichen. Für mich sind sie der Top-Favorit auf den Titel und gehören zu den besten Teams in Europa. Ich traue Ihnen in der Euroleague einiges zu. Trotzdem darf so etwas nicht noch mal passieren. Wenn wir wieder gegen sie antreten, müssen wir besser vorbereitet sein.
SPOX: Apropos Vorbereitung: Sie stießen erst gegen Ende September zum Team, Anfang Oktober startete schon die Saison. Wie schwer war es, direkt einen Rhythmus zu finden?
Rautins: Der Anfang war wirklich schwer. Ich musste mich an die offensiven Systeme gewöhnen, an die Coaches, natürlich an die Teamkollegen. Sie mussten mich ja auch erst kennenlernen. Trotzdem fühle ich mich wohl. Frankfurt ist eine schöne Stadt, vor allem die Innenstadt mag ich sehr gerne. Viele Leute sprechen Englisch, das erleichtert mir die Umstellung.
SPOX: Im letzten Jahr waren Sie in der amerikanischen D-League aktiv. Wie sehr unterscheidet sich der Basketball dort mit dem Spiel in der BBL?
Rautins: In der D-League wird viel mehr Eins-gegen-Eins gespielt, ein bisschen wie in der NBA. Das ist ein komplett anderes System. In Deutschland kommt es mehr auf Team-Basketball an. Der Ball wird bewegt, jeder spielt den Extra-Pass, auch in der Defense wird mehr im Verbund verteidigt.
SPOX: Auch das Drumherum kann man wohl nicht vergleichen. Wie haben Sie die Atmosphäre in den USA in Erinnerung?
Rautins: Die Atmosphäre ist total verrückt, vor allem am College. Bei jedem Spiel sind um die 30.000 Leute in der Halle. In Europa ist das ähnlich. Sicherlich sind die Publikumszahlen in den USA einzigartig. Aber die Fans sind auch hier sehr enthusiastisch, egal ob während meiner Zeit in Alicante oder in Frankfurt. Der europäische Basketball macht auch deshalb so viel Spaß, weil die Atmosphäre sehr an die Spiele am College erinnert.
SPOX: Gutes Stichwort. Nach dem College wurden Sie von den New York Knicks gedraftet und spielten dort unter anderem mit Carmelo Anthony zusammen. Haben Sie sich etwas abgeschaut?
Rautins: Man lernt sehr viel, wenn man mit so einem großen Namen zusammenspielt. Ich konnte mir einige Teile seines Spiels abgucken und bei mir selbst integrieren: Wie er sich vorbereitet, wie er es schafft, jedes Spiel 40 Minuten auf dem Parkett zu stehen. Auch Amar'e Stoudemire muss man in diesem Zusammenhang erwähnen. STAT ist wohl einer der professionellsten Typen, die ich bisher kennenlernen durfte.
SPOX: Letztes Jahr standen Sie zeitweise auch bei den Oklahoma City Thunder unter Vertrag.
Rautins: Das war eine klasse Zeit und wahrscheinlich die beste Erfahrung, die ich als Profi bisher gemacht habe. Die Organisation der Thunder ist von vorne bis hinten sehr professionell. Der Coaching Staff ist super, die Arbeitsethik einzigartig. Auch die Teamchemie dort ist speziell. Es wird viel Wert darauf gelegt, Leute zu holen, die zum Team passen. Und das ist meiner Meinung nach auch der Schlüssel zum Erfolg: Jungs zu holen, für die das Gewinnen über allem steht.
SPOX: Auch international haben Sie schon Erfahrungen sammeln können. Ihr Vater war Trainer der kanadischen Nationalmannschaft, als Sie dort debütierten. Klingt nach einer gefährlichen Mischung?
Rautins: Es war nicht immer einfach, das stimmt. Vor allem am Anfang muss man aufpassen, nicht in die Vater-Sohn-Rollen zurückzufallen Teilweise hatte ich Probleme mit der Einstellung, manchmal habe ich ihm widersprochen, wenn er mich angeschrien hat. Je älter ich wurde, desto mehr konnte ich akzeptieren, dass er als Coach das letzte Wort hatte. Irgendwann hat es dann richtig Spaß gemacht.
SPOX: Steve Nash hat ein Jahr nach Ihrem Debüt bei der kanadischen Nationalmannschaft seine aktive Karriere beendet. Standen Sie noch zusammen auf dem Court?
Rautins: Leider nicht. Ich hätte es geliebt, mal mit Steve zu spielen. Da er mittlerweile General Manager unseres Teams ist, konnte ich ihn aber auch noch so recht gut kennenlernen.
SPOX: Da Sie als Shooting Guard spielen: Wie verändert es das Spiel für Sie, wenn Sie neben einem Spielertyp wie Nash, also einem "Pass-First"-Point-Guard, auflaufen?
Rautins: Das ist das Beste überhaupt, wenn dein Nebenmann Würfe für andere kreieren kann. Das Spiel wird breiter und du bekommst jede Menge offene Würfe. Russell Westbrook und Kevin Durant sind das beste Beispiel, die beiden gehören nicht ohne Grund zu den besten 1-2-Punches in der NBA.
SPOX: Anthony Bennett wurde beim diesjährigen Draft zum ersten kanadischen No.1-Pick der NBA-Geschichte. Kennen Sie ihn?
Rautins: Er war in diesem Sommer im Camp der Nationalmannschaft dabei. Er scheint wirklich ein besonderes Talent zu sein.
SPOX: Glauben Sie, dass er in Cleveland sofort einen Unterschied machen kann?
Rautins: Als No.1-Pick sollte er das schon können! (lacht)
SPOX: Kommen wir zurück zu Ihnen. Sie haben in den letzten Jahren häufig das Team gewechselt. Sind Sie ein Wandervogel?
Rautins: Ich bin einfach auf der Suche nach einem Klub, der am besten zu mir passt. Ich will mich wohlfühlen und mich entfalten können. Und natürlich spielt auch das Geld eine Rolle, ich muss davon leben können, gerade im Hinblick auf meine Zukunft. Durch die Wechsel habe ich aber auch einiges gelernt: Man weiß in diesem Beruf nie, was der nächste Tag bringt, und muss auch mal mit schlechteren Phasen zurechtkommen.
SPOX: Der Vertrag bei den Skyliners läuft bis zum nächsten Jahr. Wollen Sie es danach wieder bei einem NBA-Klub versuchen?
Rautins: Ich weiß noch nicht, was nach diesem Jahr passiert. Ich glaube, man sollte nur an die Gegenwart denken, wenn man erfolgreich sein will. Welche Möglichkeiten sich auch immer in der Zukunft ergeben: Darüber denke ich erst nach, wenn sie da sind. Ich will nicht ausschließen, dass ich vielleicht sogar länger in Frankfurt bleibe.
Der BBL-Spielplan im Überblick