SPOX: Herr Sdunek, Sie hatten eine Hüft-OP und müssen aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten. Wie geht es Ihnen inzwischen?
Fritz Sdunek: Mir geht es sehr gut, sonst würde ich Aufgaben wie das Trainieren von Felix Sturm nicht übernehmen. Dennoch halte ich mich an das, was die Ärzte mir geraten haben, und schalte einen Gang runter. Ich arbeite jetzt nur noch mit zwei Prozent.
SPOX: Am 4. September steigt Ihr neuer Schützling Felix Sturm gegen Giovanni Lorenzo in den Ring. Ihre Prognose?
Sdunek: Wir haben eine tolle Vorbereitung gehabt, denn sein Fitness- und sein Ernährungscoach arbeiten Hand in Hand und haben für Felix ein gutes Programm erstellt. Ich sehe dem Kampf mit großer Zuversicht entgegen: Felix wird den Ring als Sieger verlassen und seinen Titel verteidigen.
SPOX: Sauerlands Trainer Ulli Wegner ließ Marco Huck vor dessen Kampf gegen Matt Godfrey einen Mini-Triathlon absolvieren, um das Training abwechslungsreicher zu gestalten. Machen Sie so etwas auch mit Felix Sturm?
Sdunek: Nein. Wir haben unsere eigenen Trainingsmethoden, die sich mit Sicherheit von Ulli Wegners unterscheiden. Aber unsere sind effektiver und spezifischer.
SPOX: Sturm kämpfte zuletzt am 11. Juli 2009 - eine ziemlich lange Pause. Wird das ein Problem für ihn sein?
Sdunek: Nein. Die Pause hat ihm sicherlich gut getan. Und er war nicht untätig: Er hat sehr viel Sparring gemacht und ist dementsprechend fit. Außerdem arbeitet er sehr selbstbewusst und zielstrebig an seiner Selbständigkeit - und das Projekt läuft gut.
SPOX: Sturm geht einen ungewöhnlichen Weg: Er hat sich von Universum getrennt, ein eigenes Gym aufgebaut - was halten Sie davon?
Sdunek: Wenn ein Boxer das nötige Kleingeld hat, sollte er durchaus darüber nachdenken. Für Sturm ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Er kann für sich selbst arbeiten und in die eigene Tasche wirtschaften.
SPOX: Sie trainieren Sturm erst seit kurzem - wie klappt die Zusammenarbeit?
Sdunek: Wir ergänzen uns sehr gut. Er ist wissbegierig und bereit, viele Dinge auszuprobieren. Das kommt meinem Trainingsstil entgegen.
SPOX: Sie und Sturm waren nicht immer ein Traumpaar. Universum-Trainer Michael Timm sagte einmal: "Ich dachte bis zuletzt, die Zusammenarbeit zwischen den beiden ist eine Ente. Niemals im Leben hätte ich mir vorstellen können, dass Fritz Felix trainiert."
Sdunek: Ich habe Felix Sturm in der Vergangenheit oft kritisiert. Aber ich war immer ehrlich und habe ihm meine Meinung ins Gesicht gesagt und nie hinter seinem Rücken über ihn gesprochen. Er hat eine gewisse Überheblichkeit an den Tag gelegt, in Aussprüchen und auch bei seinem Verhalten. Es durfte beispielsweise keiner mit ihm aufs Plakat. Und mit so einem Verhalten hätte er nicht in meine Trainingsgruppe gepasst.
SPOX: Sie haben lange für Universum gearbeitet. Warum sind Sie von dort weggegangen?
Sdunek: Ich wollte kürzertreten. Nach der ersten Hüft-OP habe ich gemerkt, wie gut mir die Ruhe tut. Da dachte ich mir: "Fritz, jetzt trainierst du nur noch Witali Klitschko." Ich wollte auch wieder mehr Zeit für mich selbst haben. Aber dann verlief die zweite Operation so gut und die Anfrage von Felix Sturm flatterte in mein Haus. Also habe ich zugesagt, denn so schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe: Es ist eine tolle Aufgabe und mir wird nicht langweilig.
SPOX: An den Gerüchten, Sie hätten bei Universum aufgrund fehlender Wertschätzung aufgehört, ist also nichts dran?
Sdunek: Nein. Schon letzten Herbst habe ich die Entscheidung getroffen, kürzerzutreten. Dieser Entschluss hatte nichts mit zu wenig Respekt vor meiner Arbeit zu tun.
SPOX: Wegner meinte im Interview mit SPOX: "Seit Sdunek weg ist, geht es bei Universum bergab"...
Sdunek: So sollte man das nicht sehen. Ulli sieht definitiv zu schwarz, was Universum betrifft. Mit diesem Boxstall wird es wieder bergauf gehen.
SPOX: Trifft Ihre Nachfolger Artur Grigorian und Magomed Schaburow möglicherweise eine Mitschuld an der derzeit schlechten Situation von Universum?
Sdunek: Ich habe lange mit Artur und Magomed zusammengearbeitet. Die beiden haben einiges auf dem Kasten und sind immer offen für neue Trainingsmethoden. Außerdem darf man die jetzige Situation nicht verallgemeinern. Bis auf die letzten Monate lief es für Universum nicht schlecht.
SPOX: Wenn es nicht am Training liegt - woran dann?
Sdunek: Das Ganze ist eine mentale Frage. Die Boxer wissen nicht, wie es mit Universum weitergeht, wie ihre eigene Zukunft aussieht. Auf ihnen lastet derzeit ein großer Druck. Das trägt sicherlich dazu bei, dass sie nicht stabil sind und ihre Leistungen nicht abrufen können.
SPOX: In den unteren Gewichtsklassen gibt es zumindest Veränderungen, im Gegensatz zum Schwergewicht. Dort thronen die Klitschko-Brüder. Gibt es tatsächlich keinen, der ihnen das Wasser reichen kann?
Sdunek: Im Moment sehe ich keinen.
SPOX: Was ist mit David Haye oder Tomasz Adamek?
Sdunek: Beide hatten ihre Chance, gegen einen der Klitschkos zu kämpfen, aber sie haben gekniffen. Davon abgesehen glaube ich kaum, dass die beiden den Klitschkos gefährlich werden könnten.
SPOX: Sie trainieren Witali Klitschko. Wie motiviert man jemanden, der die Boxszene so dominiert?
Sdunek: Fehlende Motivation stellt kein Problem dar. Beide Klitschkos wissen, dass sie gejagt werden, und bereiten sich daher auf jeden ihrer Kämpfe optimal vor.
SPOX: Haben Sie Verständnis dafür, dass die beiden Klitschko-Brüder nicht gegeneinander antreten wollen?
Sdunek: Natürlich. Das wäre der allergrößte Humbug. Was sollte so ein Kampf bringen? Nach dem Fight würde jeder sagen, der Kampfausgang wäre abgesprochen oder getürkt gewesen.
SPOX: Derzeit läuft das Super-Six-Turnier. Ist Arthur Abraham für Sie der Favorit auf den Titel?
Sdunek: Andre Ward könnte ihm den Titel streitig machen, aber im direkten Duell wird Abraham ihn doch ausknocken. Er hat einfach den härteren Punch, hinter seinem Schlag steckt ein gewaltiger Hammer.