Sie sind auch sehr aktiv in den sozialen Medien. Wie viel, Zeit verbringen Sie bei Instagram?
Nassar: Momentan sehr viel. Aber auch nur dann, wenn ich wirklich nichts zu tun habe. Mein Ziel ist es, andere Menschen zu erreichen. Deshalb teile ich meinen Alltag mit ihnen und nehme sie auf diese Art mit. Mir haben früher zum Beispiel Frauen als Vorbilder durchaus gefehlt. Ich habe auch kein Problem mehr damit, Hasskommentare zu lesen. Meistens ignoriere ich das. Wenn einer nicht mit mir und dem was ich tue klarkommt, soll er mir nicht folgen und mich in Ruhe lassen. Instagram ist grundsätzlich aber eine super Plattform, andere Menschen zu inspirieren und zu motivieren. Und natürlich auch zur Kommunikation. Man lernt tolle Menschen kennen. Deshalb investiere ich dafür auch gerne Zeit.
Was bedeutet Boxen für Sie?
Nassar: Respekt, Disziplin, Ausdauer, Kraft, Taktik. Da werden Werte vermittelt, die man anderswo vielleicht nicht so erfährt. Und es gibt den Austausch unterschiedlicher Kulturen.
Dabei durften Sie zunächst gar nicht an offiziellen Kämpfen teilnehmen ...
Nassar: Dass ich zu Beginn nicht an offiziellen Wettkämpfen teilnehmen durfte, hat mich verletzt. Das konnte ich nicht verstehen. Der Einsatz meiner ersten Trainerin damals, die Wettkampfbestimmungen für mich zu ändern, hat mir gezeigt: Es ist alles möglich, wenn man dran bleibt! Als die Bestimmungen dann geändert wurden, hat mich das so stolz gemacht und Kraft gegeben. Für mich war immer klar: Ich trainiere, ich werde kämpfen, fertig. Nach den Titeln in Deutschland war klar, dass ich international boxen möchte. 2019 haben wir es dann geschafft, die Wettkampfbedingungen auf der ganzen Welt zu ändern.
Zeina Nassar: "Eine Frau hat mir den Tod gewünscht"
Wie gingen Sie zum Beginn Ihrer Karriere mit Anfeindungen um?
Nassar: Mittlerweile gehe ich ganz gut mit öffentlichem Druck um. Aber anfangs habe ich das alles noch gelesen und wollte diskutieren. Eine Frau, die nicht mal religiös ist, hat mir zum Beispiel den Tod gewünscht. Dann habe ich gemerkt, dass das gar keinen Sinn macht. Denn natürlich hat mich das sehr verletzt und es hat mich abgelenkt von meinen Zielen. Ich beschäftige mich fast nur noch mit dem positiven Feedback, das macht mich glücklicher. Alles andere ist mir mittlerweile egal.
Sehen Sie sich als Boxerin? Oder als Kämpferin für Toleranz, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung? Oder beides?
Nassar: Zu Beginn keiner Karriere war da nur der Sport. Ich hatte nicht das Ziel, die Welt zu verändern. Es hat sich einfach so entwickelt und ich bereue keine meiner Entscheidungen. Ich bin in eine Vorbildrolle gewachsen, wodurch natürlich auch die Verantwortung wächst. Ich wurde oft ins kalte Wasser geworfen und habe dabei meine Erfahrungen gemacht. "Fighting is nor about winning or losing. It's about learning" ist deshalb auch mein Lieblingsspruch. Ich bin nicht nur eine Boxerin, sondern eine Kämpferin.
Nike's "Just do it"-Kampagnen sind weltbekannt, Sie sind nun ein Gesicht davon. Macht Sie das stolz?
Nassar: Ich bin total stolz darauf, für mich ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Ich versuche weiterhin, Zeichen zu setzen und den Menschen zu zeigen: Alles ist möglich, wenn du dafür kämpfst! Mach' einfach, trau dich, habe den Mut für den ersten Schritt! Das ist meine Botschaft.
Zaina Nassar über Rückschläge, Olympia und ihren Trainer
Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Nassar: Man benötigt Willen, Ehrgeiz, Bissigkeit und Durchhaltevermögen, um damit klarzukommen. Es gibt immer einen Ausweg, aufgeben ist keine Option.
Was ist Ihr sportlicher Traum?
Nassar: Olympia. Das wäre unglaublich.
Ihren letzten Kampf in Koblenz haben Sie nach Punkten verloren.
Nassar: Ich weiß, dass ich an diesem Tag nicht meine beste Leistung gezeigt habe. Die Vorbereitung war sehr schwierig, ich musste alles komplett alleine organisieren. Aber nun ist es so, ich muss nach vorne schauen. Nächstes Mal werde ich noch stärker sein.
Sie sind eine starke Frau - haben es Trainer entsprechend schwer im Umgang mit Ihnen?
Nassar: Es ist sehr wichtig, gute Menschen um sich herum zu haben und nicht allein dazustehen. Ich nehme sehr gerne Hilfe an, ich kann nicht 24 Stunden am Tag wie eine Maschine sein. Mir ist überdies aber auch wichtig, dass ich mich nicht verstelle und authentisch bin. Sondern dass ich etwas mache, wobei ich mich auch wohlfühle.