Mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Jeans über den Prothesen präsentierte sich "Blade Runner" Oscar Pistorius vor dem WM-Auftakt in Daegu.
Der südafrikanische 400-m-Läufer wird mit seinem Start bei den 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Südkorea Geschichte schreiben. Denn am Sonntag wird er als erster beinamputierter Läufer gegen Nichtbehinderte ins Rennen um die WM-Krone einsteigen. An eine Siegchance glaubt der 24-Jährige nicht, trotzdem ist er in aller Munde. Und nicht jeder spricht gut von ihm.
"Widerspricht den Grundsätzen der Leichtathletik"
"In der deutschen Mannschaft dürfte Oscar Pistorius nicht laufen. Sein Start in der normalen Leichtathletik widerspricht den Grundsätzen der Leichtathletik. Seine Prothesen sind technische Hilfsmittel", sagt Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
"Über 90 Prozent denken positiv über mich. Ich habe früher oft zu emotional auf die negativen Äußerungen reagiert. Jetzt bin ich ruhiger geworden", sagte Pistorius. Überhaupt würde er die Diskussionen über seine Prothesen endlich gern beendet wissen: "Ich musste viele Tests über mich ergehen lassen. Jetzt gibt es ein Urteil. Damit sollte alles klar sein."
Doch kurz bevor er einen ähnlichen Medienauflauf wie tags zuvor Superstar Usain Bolt produzierte, war der "Fall Pistorius" wieder auf die Tagesordnung gekommen. Lamine Diack, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, erklärte vor dem Auftakt der Titelkämpfe am Samstag, Pistorius dürfe nur als Startläufer in der südafrikanischen 4x400-m-Staffel antreten.
Pistorius kontert Vorwürfe
"Er ist ein ganz spezieller Fall. Das einzige, was wir dem südafrikanischen Verband gesagt haben, ist, dass er als erster Läufer antreten muss, wenn er in der Staffel laufen will. Ansonsten ist es zu gefährlich für die anderen Athleten", meinte Diack. Sein Verband hatte Pistorius 2007 noch den Start bei der WM versagt.
Grund ist eine Regel, nach der jede technische Hilfe, ob in Form von Federn, Rädern oder ähnlichen Elementen, dann verboten ist, wenn sie einen Vorteil bringen kann.
"Ich laufe mit diesen Prothesen seit 2004, hergestellt werden sie unverändert seit 1997. Ich darf sie nicht wechseln. Aber kein anderer behinderter Athlet läuft mit ihnen annähernd meine Zeiten", rechtfertigte sich Pistorius zum wiederholten Mal und widersprach dem Vorwurf, sein Carbon-Laufwerk sei schneller als gesunde Beine.
Johnson: "Ich unterstütze Oscar"
2008 hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS verfügt, dass Pistorius bei Erfüllung der Normen mit seinen Prothesen auch bei Wettkämpfen der Nichtbehinderten starten darf. Pistorius, dem im Alter von elf Monaten die Unterschenkel unterhalb der Knie amputiert worden waren, hatte damals jedoch die Olympianorm für Peking nicht geschafft.
Hinsichtlich der Teilnahme von Pistorius bei Olympia 2012 in London meinte Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): "Für uns ist die Sache sehr klar. Oscar Pistorius muss die Statuten des IOC und der IAAF beachten und sich für Olympia qualifizieren."
Klar ist die Sache auch für Olympiasieger und 400-m-Weltrekordler Michael Johnson (USA): "Ich unterstütze Oscar. Er läuft nach den Regeln, jetzt soll er sein Bestes geben."
"Davon habe ich immer geträumt"
Rogge und Diack äußerten sich nach Gesprächen der Führungsspitze ihrer Verbände nicht dazu, ob Pistorius gegenüber Nicht-Behinderten einen Wettbewerbsvorteil hat.
Nur zwölf der in Daegu startenden 400-m-Läufer waren 2011 schneller als Pistorius bei seiner Steigerung um eine halbe Sekunde auf 45,07.
Damit dürfte es trotzdem nicht fürs Finale reichen, doch Pistorius fühlt sich schon vor seinem Start als großer Gewinner: "Davon habe ich immer geträumt. Ich will mein Bestes für mein Land geben, im Kampf gegen die Elite des Planeten", sagte der 24-Jährige, als er das WM-Ticket in der Tasche hatte. Am Sonntag geht der Traum endgültig in Erfüllung.