"Es gibt Fahrer, die überfordert sind"

Von Alexander Mey
Audi verlor 2011 in Le Mans zwei Autos durch schwere Unfälle
© Getty

Mike Rockenfeller kennt die schöne Seite von Le Mans, aber auch die hässliche. 2010 gewann Rocky das schwierigste Langstreckenrennen der Welt, im letzten Jahr erlebte der Audi-Pilot ebenso wie Teamkollege Allan McNish einen spektakulären Horrorunfall. Im SPOX-Interview spricht Rockenfeller über die Herausforderung Le Mans, Konkurrenz und Blackouts.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Ein Jahr nach ihrem Horror-Unfall kehren Sie nach Le Mans zurück. Können Sie von Ihrer großen Liebe nicht lassen?

Mike Rockenfeller: Wenn Sie so wollen, können Sie das so sagen. Le Mans ist auf jeden Fall meine große Liebe. Aber nicht nur meine. Jeder Langstrecken-Pilot, der einmal die Chance hat, hier zu fahren, wird sich verlieben. Das Rennen ist einfach etwas Besonderes.

SPOX: Was macht es so besonders?

Rockenfeller: Da kommt alles zusammen. Es ist das traditionsreichste, bedeutendste und schwierigste 24-Stunden-Rennen der Welt. Entsprechend toll ist es, sich hier in die Siegerlisten einzutragen. Es gibt zwar auch die 24 Stunden auf dem Nürburgring, die auch ihren ganz eigenen Reiz haben, aber den Unterschied macht der Grad an Professionalität, der hier in Le Mans herrscht. Die Prototypen, die wir fahren, sind das Höchste an Technologie, was der Motorsport zu bieten hat. Der Aufwand, den die Hersteller betreiben, ist locker mit dem in der Formel 1 zu vergleichen.

SPOX: Die Sicherheitsstandards zum Glück auch, sonst würden wir wahrscheinlich jetzt nicht miteinander reden. Ihr Unfall 2011 bei mehr als 300 km/h hat die Motorsport-Welt geschockt. Sie auch?

Rockenfeller: Dieser Unfall ist ein fester Teil meiner Le-Mans-Erfahrungen, das ist ganz klar. Aber ich konnte damit zum Glück sehr schnell abschließen, weil es mir direkt danach sehr gut ging. Ich hatte keine großen Verletzungen und konnte schon nach relativ kurzer Zeit wieder in ein Rennauto steigen. Von daher ist das abgehakt.

SPOX: Sie sind damals an einer der schnellsten Stellen beim Überholen mit einem deutlich langsameren Fahrzeug kollidiert und nahezu ungebremst in die Leitplanken eingeschlagen. Werden Sie diesmal einen größeren Bogen um langsamere Fahrzeuge machen?

Rockenfeller: Es gehört zu Le Mans dazu, dass dort Autos aus verschiedenen Kategorien fahren, die natürlich unterschiedlich schnell sind. Das ist grundsätzlich auch gut so. Aber leider gibt es eben Fahrer, die mit dem Rennen in Le Mans etwas überfordert sind. Das ist mir zum Verhängnis geworden, aber ich würde in der gleichen Situation heute wieder genauso handeln wie damals. Hoffentlich aber mit anderem Ausgang.

SPOX: Haben Sie den Unfall bewusst erlebt?

Rockenfeller: Nein, da hatte ich einen Blackout. Ich erinnere mich an Bruchteile, aber mehr nicht. Ich habe mir die Bilder vom Unfall danach natürlich angeschaut, aber auch auf denen war ja leider nicht viel zu erkennen. Andere Aufnahmen als die im Internet verfügbaren hatten wir auch nicht.

SPOX: In Le Mans fahren Sie für ein Wochenende, Ihr Hauptberuf in dieser Saison ist aber die DTM. Kann man das so sagen?

Rockenfeller: Nun ja. In der DTM fahre ich zehn Rennen, in Le Mans nur eins. Von daher passt das schon. Ich investiere schließlich die meiste Zeit in die DTM. Aber ich sage nicht, das eine ist mir wichtiger als das andere. Ich will Le Mans gewinnen und ich will in der DTM gewinnen. Da mache ich keine Unterschiede.

SPOX: Zwischen den beiden Autos gibt es aber sehr wohl Unterscheide, und zwar sehr große.

Rockenfeller: (lacht) Es ist alles anders. Du hast im Prototypen ein ganz anderes Cockpit, du hast mehr Leistung, mehr Abtrieb, mehr Grip. Das bedeutet schnellere Rundenzeiten und mehr Speed auf den Geraden. Aber im Prinzip geht es immer um dasselbe. Von daher ist die Umstellung gar nicht so schwierig, immerhin mache ich das jetzt auch schon einige Jahre. Die meiste Gewöhnungszeit brauchst du in der Tat für die Strecke hier in Le Mans. Die ist so anders als alles, was du sonst das Jahr über fährst, da brauchst du schon um die zehn Runden, um dich richtig wohl zu fühlen.

SPOX: Audi ist in diesem Jahr mit zwei verschiedenen Fahrzeugkonzepten am Start. Einem konventionellen Diesel und einem Hybrid. Wo liegen die größten Unterschiede?

Rockenfeller: Mit dem Hybrid hat man mehr Leistung, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite hat man aber auch zwei Liter Treibstoff weniger an Bord, was sich über die lange Renndistanz sicher auch bemerkbar machen wird. Wir haben beide Konzepte am Start, um zu sehen, welches in diesem Jahr mit diesen Regeln das bessere ist.

SPOX: Sie fahren nicht den Hybrid sondern den konventionellen Diesel. Ein Vor- oder Nachteil?

Rockenfeller: Das muss man abwarten. Ich gehe davon aus, dass wir mit beiden Autos auf Augenhöhe gegeneinander kämpfen können. Sollte es regnen, wird der Hybrid mit dem Allrad-Antrieb sicher keinen Nachteil haben. Aber lassen wir uns überraschen.

SPOX: Wer könnte Audi denn in die Suppe spucken?

Rockenfeller: Mit Toyota haben wir einen starken Konkurrenten. Die sind zwar neu, haben aber mit ihrem Hybrid bei den Testfahrten einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Unterschätzen sollten wir die auf gar keinen Fall.

SPOX: Fahren Sie lieber am Tag oder in der Nacht?

Rockenfeller: Mir macht beides Spaß. Ich lege während so eines Rennens eher Wert darauf, längere Stints zu fahren, um dann auch entsprechend längere Pausen zu haben. Grundsätzlich ist es in der Nacht aber noch anstrengender als am Tag, weil man noch fokussierter auf jedes Detail sein muss als am Tag. Wie im normalen Straßenverkehr ist auch für uns die Sicht in der Nacht deutlich schlechter. Da helfen auch unsere extrem grellen Scheinwerfer nicht. Wenn es also zum Beispiel anfängt zu regnen, sind für uns nachts die Bedingungen viel schwerer einzuschätzen als tagsüber.

SPOX: Was machen Sie in den Pausen während des Rennens? Kann man da überhaupt schlafen?

Rockenfeller: Das handhabt jeder Fahrer anders. Ich versuche schon, richtig zu schlafen. Das klappt mal besser, mal schlechter, da geht es mir wie jedem anderen Menschen auch. Am härtesten wird es meistens am frühen Sonntagmorgen wenn die Sonne aufgeht. Dann ist es wichtig, sich vorher gut ausgeruht zu haben.

SPOX: Sie fahren in Ihrer Karriere abwechselnd DTM-, GT-Autos und Prototypen. Was würden Sie gerne noch einmal ausprobieren?

Rockenfeller: Also für die Formel 1 bin ich mit 28 Jahren nicht mehr ganz die Zielgruppe (lacht). Ich bin i mit dem, was ich tue, vollkommen zufrieden. Momentan möchte ich einfach gerne dort fahren wo Audi fährt. Schließlich gibt es eine Menge Rennfahrer, die den Traum haben, einmal so einen Le-Mans-Prototypen zu fahren. Das kann ich an diesem Wochenende wieder machen.

Audi mit Innovationsschub in Le Mans: Mit Hybrid und Diesel zum Klassiker