SPOX: Erinnert man sich nach solchen Erfahrungen überhaupt mal zurück, wie die eigene Karriere einst begann?
Wittmann: Ja, das habe ich noch im Kopf. So etwas vergisst man nicht. Mit sechs Jahren saß ich zum ersten Mal in einem Kart. Ich bin mit meiner Familie und dem eigenen Anhänger zu den einzelnen Rennen gereist. Im Laufe der Zeit wurde alles viel professioneller, mit dem Werksteam ging es sogar nach Italien und Japan. Ich habe damals viel gelernt. Das Fahrgefühl, das man sich im Kart aneignet, hilft einem auch im Formel- und Tourenwagensport.
SPOX: Stimmt es eigentlich, dass Sie sogar gegen Sebastian Vettel angetreten sind?
Wittmann: Ja, allerdings nur einmal. Er war in seinem letzten Jahr, ich hatte dagegen gerade eben erst mit dem Kartfahren begonnen. Ich weiß auch nicht mehr, wie das Rennen ausgegangen ist. In der deutschen Junioren-Kartmeisterschaft bin ich zudem gegen Nico Hülkenberg angetreten.
SPOX: Vettel und Hülkenberg fahren mittlerweile in der Formel 1. Spielt die Königsklasse auch in Ihrer Karriereplanung eine Rolle?
Wittmann: Die Formel 1 war und ist ein Traum, das muss ich zugeben. Aber ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass der Weg sehr schwer ist. Es reicht ein Blick auf das aktuelle Geschehen. Es gibt so viele Paydriver, die den eigentlich talentierteren Fahrern die Cockpits wegnehmen. Ich habe nun mal keinen Gönner oder Investor, der mich mit 20 Millionen Euro unterstützt. Ich sehe diese Entwicklung sehr kritisch. Aber das geht mich momentan nichts an. Ich bin mit der Zeit eher Realist als Optimist geworden und freue mich auf die Chance, die mir BMW in der DTM gegeben hat. Neben der Formel 1 habe ich auch von der DTM geträumt - und dorthin habe ich es dank BMW nun geschafft.
SPOX: Sie hatten zwar keinen Gönner an Ihrer Seite, profitierten allerdings 2007 von der Zusammenarbeit mit Willi Weber, der jahrelang für Michael Schumacher verantwortlich war. Inwiefern hat er Ihnen geholfen?
Wittmann: Er hat mir den Wechsel in den Formelsport überhaupt erst ermöglicht. Dafür bin ich ihm dankbar. Ohne ihn hätte sich meine Karriere wohl nicht so erfolgreich entwickelt. Weber nahm damals mit Hülkenberg, Christian Vietoris und mir vielsprechende deutsche Talente unter Vertrag. Die Zusammenarbeit endete allerdings bereits nach einem Jahr. Seine Erwartungshaltung war sehr groß. Trotzdem kann ich kein schlechtes Wort über ihn verlieren.
SPOX: Sie ähnelten in der Formel BMW mit Ihrer roten Kappe, einem roten Wagen und der "Deutschen Vermögensberatung" als Sponsor Michel Schumacher. Fühlten Sie sich von Weber in eine Rolle gedrängt?
Wittmann: Ich wollte sicherlich kein zweiter Michael Schumacher sein, sondern der erste Marco Wittmann. Aber ohne Investoren muss man nun mal andere Wege einschlagen. Deswegen war mein Erscheinungsbild an Schumi angelehnt. Das war Webers Hintergedanke. Es ist wie überall: Wer das Geld hat, hat das Sagen. Aber mich hat das nicht weiter gestört.
SPOX: Die anderen Fahrer waren davon aber nicht gerade angetan. Unter den Nachwuchsfahrern gab es viel Neid und Eifersucht.
Wittmann: Es gab schon einige Stimmen, die sich wunderten, warum ausgerechnet dieser Wittmann jetzt mit Weber zusammenarbeitet. Aber ich habe mich davon nicht verunsichern lassen. Außerdem ist es ganz normal, dass man im Duell mit anderen deutschen Fahrern der Beste sein will.
SPOX: Trotz Ihrer Weber-Vergangenheit ist nicht Schumacher ihr Vorbild, sondern Alex Zanardi. Warum?
Wittmann: Die meisten nehmen sich den Sportler als Idol, der am meisten Erfolg hat. Schumacher ist in diesem Zusammenhang sicherlich ein Paradebeispiel. Aber Zanardis Geschichte hat mich mehr fasziniert. Er hat beide Beine verloren, ist aber einige Jahre später trotzdem wieder ins Auto gestiegen und hat sogar Rennen gewonnen. Davor muss man den Hut ziehen. Er hat immer noch so viel Spaß am Leben. Er ist der perfekte Beweis, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als den Sport.
SPOX: Für Sie dürfte derzeit dennoch nur die DTM zählen. Wie lauten Ihre persönlichen Ziele für die Saison?
Wittmann: Es ist schwer zu sagen, wo genau ich stehe und was im Endeffekt möglich ist. Ich will die ersten Rennen einfach so gut wie möglich überstehen. Die Top 10 wären ein netter Erfolg. Der Rückstand nach ganz vorne sollte auch nicht zu groß sein. Ich lasse mich überraschen. Den größten Druck mache ich mir wahrscheinlich sowieso selber.
Der DTM-Kalender 2013