SPOX: Herr Spengler, vier von zehn DTM-Saisonrennen sind bereits absolviert. Sie liegen punktgleich mit Audi-Pilot Mike Rockenfeller an der Spitze der Meisterschaft. Schon beim Saisonauftakt gab es direkt den ersten Aufreger: Mercedes-Pilot Gary Paffett beklagte sich über BMW. Speziell Sie und Martin Tomczyk standen im Mittelpunkt seiner Kritik.
Bruno Spengler: Ich kann das nicht wirklich verstehen. Das war eine Rennsituation, nichts Besonderes. Ich habe versucht, ihn in der Mercedes-Kurve innen zu überholen. Da haben wir uns leicht berührt. Das war nichts Schlimmes. Ich glaube, Gary war eher sauer, weil das Rennen für ihn nicht gut lief. Das hat er wohl auf uns geschoben. Dafür können wir aber nichts.
SPOX: Nach dem Lauf in Brands Hatch hat BMW beim Rennen in Spielberg erstmals einen Dreifachsieg geholt. Sie haben vor Marco Wittmann und Timo Glock gewonnen. Für einen Ex-Formel-1-Fahrer und einen DTM-Rookie eine beachtliche Leistung.
Spengler: Von Timo Glock habe ich erst in den letzten fünf Runden etwas mitbekommen. Da denkt man sich: 'Wow, der ist von 13 auf drei gefahren'. Die neuen Option-Reifen machen den Unterschied: erst sehr schnell, dann leicht abbauend. Timo konnte in Spielberg nur durch das neue Reglement nach vorne fahren. Früher wäre das nicht möglich gewesen. Das läuft genauso, wie es gewollt war. Auch die Leute an der Spitze können jetzt Probleme bekommen. Und als Fahrer ist es eine Herausforderung: Man hat mehr Grip und kann viel später bremsen.
SPOX: Trotz der Neuerungen konnten Sie auf dem Red-Bull-Ring Ihre Pole halten und den Sieg nach Hause bringen. Nach dem Rennen wurde befürchtet, BMW wäre das ganze Jahr nahezu unschlagbar. Wie haben Sie das Wochenende erlebt?
Spengler: Spielberg war insgesamt unglaublich. Zuerst die Leistung im Qualifying, wo ich teilweise zweieinhalb Zehntel Vorsprung hatte - Pole-Position. Unser Paket hat sensationell funktioniert - auch im Rennen. In der DTM fahren drei der besten Hersteller der Welt, die alles geben, um zu gewinnen. Da in einem Rennen die ersten drei Plätze zu belegen, kommt ja so gut wie nie vor. Am Lausitzring war es dann auch ein bisschen schwieriger.
SPOX: Sie waren wieder der beste BMW-Pilot. Nach Startplatz fünf sprang am Sonntag nur der siebte Rang raus. Abgesehen von zwei Ausfällen 2012 kamen Sie seit dem Wechsel zu BMW nie so weit hinten ins Ziel. Muss ein Ausreißer nach unten mal sein, um sich zu motivieren?
Spengler: Mit einem siebten Platz kann ich nicht glücklich sein. Aber das war das Beste, was wir an dem Wochenende rausholen konnten. Wir hatten Schwierigkeiten, das richtige Setup zu finden. Aber unsere Basis ist gut, manchmal liegt es nur an kleinen Details. Stimmt eine Kleinigkeit nicht, hast du keine Chance mehr, weil du im Qualifying zwei Zehntel hinten bist und nur noch als Fünfter oder Sechster startest.
SPOX: Der Frust hat sich auf der Auslaufrunde entladen. Sie haben Audi-Pilot Mattias Ekström wutentbrannt den Mittelfinger gezeigt.
Spengler: Das war im Nachhinein nicht die beste Reaktion. Da möchte ich mich entschuldigen. Aber das waren meine Emotionen! Mattias Ekström hat mir in der letzten Kurve schön eine von hinten gegeben. Ich hätte schreien und keine Zeichen machen müssen. Das hätte gereicht, das weiß ich fürs nächste Mal. Aber das ist mir einmal passiert und wird nie wieder vorkommen.
SPOX: Ekström war sich direkt nach dem Rennen keiner Schuld bewusst. Er sagte, die DTM sei kein Kinderspielplatz.
Spengler: Es war total unfair, was Mattias gemacht hat. Das hat er auch selbst gemerkt. Er hat mir nachher gesagt: "Das war an der Grenze." Damit ist das Thema abgeschlossen. Das ist Sport. Ich gebe auch immer alles. Ich spiele keine Rolle und bin wie ich bin. Der Finger war zu viel, das ist klar. Ich ärgere mich in Zukunft, ohne Zeichen zu machen.
SPOX: Es wurmt Sie aber noch, dass Sie nicht siegfähig waren?
Spengler: Gewinnen ist extrem wichtig. Dafür trainiere ich jeden Tag, dafür achte ich jeden Tag auf mein Essen und arbeite an meiner Konzentration. Ich mache alles, um Rennen zu gewinnen. Das ist wie eine Droge, weil du Emotionen bekommst, die du im normalen Alltag nie hast. Wenn du einmal gewinnst, willst du es immer wieder. Es ist aber nicht so, dass ich zu Hause sitze und mir denke, wie schön das im letzten Jahr war. Das ist im Kopf in einem geschlossenen Ordner.
SPOX: Ihre DTM-Laufbahn bestand aber nicht nur aus Highlights. Welche Rennen waren für Sie die schlimmsten Ihrer Karriere?
Spengler: Oschersleben, das drittletzte Rennen 2011. Ich hätte danach in der Meisterschaft einen guten Vorsprung auf Martin Tomczyk haben können - über zehn Punkte. 15 Runden vor Schluss hatte ich einen Dämpferschaden und die Meisterschaft war verloren. Shanghai 2010 war ähnlich. Da konnte ich beim letzten Rennen die Meisterschaft gewinnen, habe aber im Qualifying die Mauer touchiert und musste abbrechen. Das hat mich das Rennen gekostet, weil man da sehr schwer überholen konnte.
SPOX: Aktuell richtet sich die Konzentration auf das Saisonhighlight in Nürnberg: Das Monaco der DTM, der Norisring. Für BMW und Audi ist es zudem das Heimspiel. Was ist der Schlüssel zum Sieg?
Spengler: Die Strecke ist extrem schwierig. Ich habe schon dreimal gewonnen und stand außer 2005 immer auf dem Podest. Der Norisring ist deshalb mit Abstand eine meiner Lieblingsstrecken. Von der Abstimmung her muss man schnell auf der Geraden und stabil auf der Bremse sein. Die Kombination ist schwierig, weil man einen Aerodynamik-Kompromiss eingehen muss.
SPOX: Und was ist für den Fahrer anspruchsvoll?
Spengler: Alles! Spätes Bremsen auf den Bodenwellen, nah an die Mauer fahren - die richtige Linie zu treffen ist nicht einfach, auch wenn es nur vier Kurven gibt. Da kann man sich schnell vertun. Eine Zehntel wirft einen auf dem Norisring im Qualifying mindestens fünf Positionen nach hinten.
SPOX: Anschließend geht es erstmals nach Russland. In Moskau erwartet sie eine von Hermann Tilke gebaute, Formel-1-taugliche Rennstrecke, auf der Sie noch nie gefahren sind. Wie bereiten Sie sich auf das unbekannte Terrain vor?
Spengler: Ich kenne nichts von der Strecke. Es bringt nichts, mich mit Moskau zu beschäftigen, wenn erst der Norisring kommt. Erst am Montag danach geht es los. Ich schaue mir die Strecke auf ein paar Onboard-Videos bei Youtube an. Das ist das einzige, was ich machen kann. Keiner kennt die Strecke. Das ist was komplett Neues und für die DTM sensationell. Für mich persönlich wird das ein weiteres Highlight: Ich war noch nie in Russland. Mein Halbbruder arbeitet in Moskau und besucht mich am Rennwochenende.
SPOX: Haben Sie nach einem Rennen mal vergessen, dass sie nicht mehr im Rennauto sitzen und etwas zu stark aufs Gas getreten?
Spengler: Nein. Nie. Das kann man gar nicht vergessen. Im Rennauto sind es 60 Grad mit Overall und Helm. Wenn ich vom Rennauto ins Straßenauto steige, ist das eine ganz andere Welt: Klimaanlage, Radio, sehr bequem. Das passiert nicht, dass man denkt, man ist noch auf der Rennstrecke.
SPOX: Aber als Rennpilot erschreckt man doch sicher mal seine Mitfahrer mit seinem Fahrstil?
Spengler: Im Straßenverkehr nicht, aber auf der Rennstrecke. Bei Taxifahrten habe ich Vollgas gegeben und bin gedriftet. Einige Leute haben richtig Spaß, manche haben Angst und schreien, wenn ich fahre. Aber ich glaube, das ist Emotion pur und die genießen das genauso. Wenn die Leute neben mir sitzen, wissen sie nicht, wann ich bremse oder einlenke. Die können sich auf nichts vorbereiten. Wenn man dann im Auto ist, kriegt man mehr Gefühl dafür.
SPOX: Wie sieht es denn um ihre eigenen Beifahrerqualitäten aus?
Spengler: Ganz schlecht. Ich habe Angst, wenn jemand schnell fährt. Da sage ich direkt: "Mit mir brauchst du nicht schnell fahren." Es gibt nur ein paar Leute, denen ich vertraue: meinem Vater und ein, zwei anderen Kumpels. Mit anderen fahre ich aber ziemlich ungern. Bei meiner Freundin hat es auch eine ganze Weile gedauert. Jetzt geht es. Sie hat mir gezeigt, dass sie das kann. (lacht)
SPOX: Dann müssten Sie sich bei den Drive-Like-Bruno-Events im vergangenen Jahr als Fahrlehrer ja unwohl gefühlt haben.
Spengler: Nein. Gar nicht. Bei Drive-Like-Bruno habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Mir macht das genauso viel Spaß wie den Leuten, die da sind. Sie können mit Formula-BMW-Fahrzeugen auf der Strecke Erfahrungen sammeln und Fahrsicherheitstrainings machen. Für mich ist es interessant, den Leuten einen Eindruck vom Rennsport zu vermitteln. Die Leute haben mir viele Fragen gestellt und genau zugehört. Die haben auch gefragt, wo ich wie bremse. Meinen Traumjob anderen Menschen zu erklären - besser geht es nicht. Ich freue mich schon auf die diesjährigen Events im Herbst.
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SPOX: Die DTM expandiert aktuell kräftig. Die asiatische Super-GT passt ihr Reglement an das der DTM an, in Nordamerika wird es 2015 einen eigenen Ableger geben. Sind Sie dabei? Immerhin sind Sie als Kanadier ein gutes Aushängeschild.
Spengler: Erst mal heißt das Projekt "2013". Am Ende des Jahres schauen wir, ob es gereicht hat. Mein Traum wäre, mit der DTM nach Montreal zu gehen - ob mit der US-DTM oder mit der europäischen. Die Strecke würde genau zu unseren Autos passen und die Leute sind totale Motorsport-Fans. Ich würde mich riesig freuen, mit der DTM zu Hause zu fahren. In den letzten Jahren erkennen mich immer mehr Leute und interessieren sich für die DTM. Beim Norisring kommt ein Fan, der extra von Kanada anreist, um mich zu sehen. Das finde ich sensationell.
Die DTM-Meisterschaftsstände 2013