Minutenlang liegt Jonas Vingegaard regungslos auf dem Boden, eine riesige Schürfwunde ziert seinen Rücken, ein Betreuer kniet vor dem zweimaligen Tour-Sieger und leistet Erste Hilfe. Dann wird der dänische Superstar auf einer Trage in einen Krankenwagen gebracht, er trägt eine Halskrause und ein Beatmungsgerät.
Vingegaards heftiger Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt hat den Radsport in einen Schockzustand versetzt. Wenige Stunden nach dem Unfall gab sein Team Visma-Lease a bike zumindest leichte Entwarnung: Vingegaard sei "stabil und bei Bewusstsein", im Krankenhaus werde es weitere Untersuchungen geben. Diese ergaben schließlich ein gebrochenes Schlüsselbein sowie mehrere gebrochene Rippen, wie der niederländische Rennstall später am Abend mitteilte. Vingegaard bleibe "als Vorsichtsmaßnahme im Krankenhaus".
Rund 35 km vor dem Ziel der vierten Etappe waren insgesamt acht Fahrer in einer Rechtskurve von der Fahrbahn abgekommen, Vingegaard rauschte mit hoher Geschwindigkeit in einen Betongraben.
Baskenland-Rundfahrt: Auch Roglic und Evenepoel betroffen
Auch die Top-Stars Primoz Roglic (Bora-hansgrohe) und Remco Evenepoel (Soudal-Quick Step) kamen an derselben Stelle zu Fall. Evenepoel erlitt wie Vingegaard schwere Verletzungen. Sein Team Soudal-Quick Step gab bekannt, dass bei dem Belgier ein Bruch des rechten Schlüsselbeins und des rechten Schulterblatts festgestellt wurde. Der 24-Jährige wird am Freitag in sein Heimatland reisen, wo er sich einer Operation und weiteren Untersuchungen unterziehen wird.
Giro-Sieger Roglic humpelte von der Unfallstelle. Er konnte wenig später schon wieder seinen Daumen heben, als er in einem Teamauto saß. Das Trio musste die Rundfahrt nach den Stürzen aufgeben.
Roglic war bereits auf der dritten Etappe am Mittwoch gestürzt. Der Slowene zog sich Schürfwunden, Prellungen sowie Blutergüsse zu, konnte aber wieder aufs Rad steigen und seine Gesamtführung verteidigen. Die Rundfahrt galt für Roglic, Vingegaard und Evenepoel als Vorbereitungsrennen auf die Tour de France. Alle drei wollen in Frankreich um den Gesamtsieg fahren.
Van Aert, Kämna, Vingegaard: Immer wieder heftige Unfälle
Deutsche Fahrer waren nicht in den Sturz am Donnerstag verwickelt. Nach einer langen Unterbrechung neutralisierten die Rennleiter das Peloton. Nur die sechs Ausreißer, die zum Unfallzeitpunkt weit vor dem Feld lagen, "durften" um den Sieg fahren. Diesen sicherte sich der Südafrikaner Louis Meintjes vom Team Intermarche-Wanty. Mattias Skjelmose (Lidl-Trek) übernahm aufgrund Roglics Ausstieg die Gesamtführung. Die Etappe wurde jedoch nicht gewertet.
Im Radsport kam es in den letzten Tagen zu einer ganzen Reihe von heftigen Unfällen. Erst am Mittwoch musste der Deutsche Lennard Kämna nach einem Verkehrsunfall auf einer Trainingsfahrt in ein Krankenhaus eingeliefert werden, der 27-Jährige liegt auf der Intensivstation. Er befinde sich in einem "stabilen Zustand, er ist wach, ansprechbar und kann kommunizieren", teilte sein Team Bora-hansgrohe am Donnerstag mit.
Auch Topstar Wout van Aert kam während des Eintagesrennens Quer durch Flandern zu Fall. Der Belgier zog sich bei einem Massensturz ein gebrochenes Brustbein, ein gebrochenes Schlüsselbein und mehrere gebrochene Rippen zu. Van Aert wurde bereits erfolgreich operiert. Im vergangenen Jahr war der Schweizer Gino Mäder nach einem schweren Sturz verstorben.