SPOX: Sie werden im August 32 Jahre alt, haben sich die Prioritäten in den letzten Jahren verändert?
Federer: Die Priorität heiß Tennis. Ich denke ständig über Tennis nach, auch wenn ich im Urlaub bin beispielsweise, ich bin in erster Linie Tennisprofi. Natürlich ist die Familie das Wichtigste im Leben, aber Tennis hat absolute Priorität für mich. Ich weiß, dass meine Karriere nicht ewig gehen wird, deshalb versuche ich, alles zu genießen. Was in meiner Karriere immer besonders wichtig war: Ich hinterfrage mich ständig, auch im Erfolgsfall. Und natürlich besonders, wenn es nicht so läuft. Wenn ich in Wimbledon in der 2. Runde ausscheide, frage ich mich: 'Was ist los? Wie konnte das passieren?' Für gewöhnlich finde ich einen Weg, um wieder in die Spur zu kommen, wenn es nicht so läuft.
SPOX: Wenn ein Aspekt Ihres Spiels nicht so geklappt hat, haben Sie dann versucht, ganz besonders daran zu arbeiten?
Federer: Ich war nie der Typ, der so an die Sache herangegangen ist. Ich war immer der Überzeugung, dass du deine Stärken trainieren musst, nicht deine Schwächen. Deine Stärken sind es, mit denen du das Geld verdienst.
SPOX: Welches Jahr Ihrer Karriere war für Sie am speziellsten? Welcher Rekord bedeutet Ihnen am meisten?
Federer: Das ist eine schwierige Frage. 2006 habe ich über 90 Matches gewonnen, das war etwas Besonderes. Einmal habe ich 24 Finals in Folge gewonnen. Auf die Goldmedaille mit Stan Wawrinka im Doppel in Peking bin ich sehr stolz, weil ich es immer geliebt habe, die Schweiz zu repräsentieren. Und vor allem auch auf die No.1 Trophy, das ist der Gipfel, mehr kannst du nicht erreichen in deinem Sport. 2009 war ein sehr emotionales Jahr für mich mit dem Sieg bei den French Open und dann mit dem Sieg gegen Roddick im Wimbledon-Finale, mit dem ich den Sampras-Rekord knackte. Meine Frau war zu dem Zeitpunkt im achten Monat schwanger, mit Zwillingen, was niemand wusste, das war alles sehr emotional.
SPOX: Sie haben 7 Mal Wimbledon gewonnen, aber der Champion bekommt ja immer nur eine kleine Replica-Version. Das geht doch eigentlich gar nicht, oder?
Federer: Nein, das geht echt nicht. Ich musste deshalb auch unbedingt eine große Trophy haben. Tiger Woods hat mir den Tipp gegeben, weil es im Golf ja auch so ist. Also habe ich gesagt: 'Es ist mir egal, ich zahle auch dafür, aber ich brauche die große Trophy. Schließlich spielen wir doch auch, um die große zu gewinnen!' (lacht)
SPOX: Tennisspieler haben Ihre genaue Routine, die Sie vor jedem Match durchziehen. Was viele nicht wissen: Das 5-minütige Warmup ist eigentlich gar keine Vorschrift.
Federer: Das stimmt, das habe ich auch mal gehört. Man stelle sich vor: Ich komme im Wimbledon-Finale auf den Platz und sage meinem Gegner: 'Hey, ich bin bereit." Dann kann er sich jemanden anderen suchen zum Warmspielen, das wäre großartig. (lacht)
SPOX: Wir wollen aber nicht nur über Sport sprechen, wie sieht es zum Beispiel mit Ihrem Modebewusstsein aus?
Federer: Ich musste da auch eine Entwicklung durchmachen. Am Anfang hatte ich immer ein etwas mulmiges Gefühl, wenn ich einen Anzug anhatte. Ich dachte mir: 'Das bin nicht ich, dafür bin ich auch noch zu jung.' Aber ich wusste, dass ich mich daran gewöhnen muss, weil ich ja auch auf Roten Teppichen unterwegs bin. Also habe ich angefangen, Dinge auszuprobieren, ob es Krawatten waren oder bestimmte Muster. Ich habe dann auch einen Anzug angezogen, wenn ich mit Freunden essen gegangen bin, so wie ein Banker. So habe ich mich daran gewöhnt. Wichtig ist, dass man die Kleider trägt und nicht die Kleider einen tragen.
SPOX: Was ist das Verrückteste, was Sie jemals gemacht haben?
Federer: Ich bin nicht so ein Spinner, der ständig Achterbahn fahren oder Sky Diving machen muss. Was das angeht, bin ich ein bisschen ein Schisser. Mich faszinieren mehr schöne Landschaften, schöne Städte, Kultur. Mal in ein Museum zu gehen, mir Kunst anzuschauen - darin finde ich sehr viel Spannendes. Und die Familie und Freunde sind natürlich das Wichtigste im Leben, das ist meine Energiequelle.
SPOX: Gibt es Träume, die Sie sich nach der Karriere erfüllen wollen?
Federer: Auf jeden Fall noch viele Reisen machen. Und dann lieber im Backpack-Style. Im Moment ist es ja alles sehr luxuriös und darauf ausgerichtet, dass ich mich gut erholen kann. Da kann ich nicht mit dem Rucksack losziehen und mich müde machen. Länder zu bereisen, in denen ich noch nicht war, wäre schön. Oder Städte von einer anderen Perspektive kennenzulernen.
SPOX: Mit der Roger Federer Foundation helfen Sie Kindern im südlichen Afrika. Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie mit der Stiftung erreichen wollen?
Federer: Wir wollen Kindern eine Chance geben. Wir wollen ihnen helfen, dass sie in die Schule gehen und eine solide Ausbildung bekommen können. Manchmal hat es 120 Kinder in einer Klasse, da fehlt natürlich dann die Qualität. Wir kümmern uns dann auch um die Ausbildung für die Lehrer. Oder es fehlen Toiletten oder Wasser an den Schulen, was dazu führt, dass die Eltern ihre Kinder lieber bei sich zuhause behalten. Das sind alles Dinge, wo wir mit der Stiftung versuchen zu helfen. Wir wollen ihnen auch helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Abhängig zu sein, ist eine der schlimmsten Sachen im Leben. Für mich ist es auch ganz wichtig, dass wir das nicht ein paar Jahre machen und uns dann wieder verabschieden. Wir feiern 2013 mit der Foundation unser zehnjähriges Jubiläum. Ich hatte immer Glück in meinem Leben, ich bin nicht reich aufgewachsen, überhaupt nicht, aber meine Mutter kommt ja aus Südafrika und ich habe dort sehr viel Armut gesehen. Für mich ist es sehr schön, dass ich in jungen Jahren so viel zurückgeben kann.