Pat Rafter im Interview: "Die Fans haben das Match zu einem Rock-Konzert gemacht"

Pat Rafter gewann 1997 und 1998 zweimal in Folge die US Open.
© getty

In der Nacht auf Montag beginnen in Melbourne die Australian Open. Vor dem Start des ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres spricht die australische Tennis-Legende Pat Rafter im exklusiven SPOX-Interview über seine Karriere-Highlights wie die beiden US-Open-Titel und das denkwürdige Wimbledon-Finale gegen Goran Ivanisevic.

Cookie-Einstellungen

Außerdem erzählt der 46-Jährige, wie es zum Bruch mit Nick Kyrgios und Bernard Tomic kam und schwärmt von Alexander Zverev und Angelique Kerber.

SPOX: Pat, um Sie ist es in letzter Zeit ruhiger geworden. Wie geht es Ihnen und womit vertreiben Sie sich die Zeit?

Pat Rafter: Danke der Nachfrage, mir geht es sehr gut. Mein 70 Acre großer Grundbesitz im Hinterland von Northern New South Wales in Australien hält mich ganz schön auf Trab. Es gibt extrem viel zu tun, es macht aber auch extrem viel Spaß und es macht mich zufrieden. Also im Moment kann ich es mir gar nicht vorstellen, einen Spieler auf der Tour zu betreuen und so viel herumzureisen.

SPOX: Wenn wir an Ihre Karriere denken, fallen uns natürlich die beiden US-Open-Titel ein, dazu viele epische Matches gegen Andre Agassi, aber das Match aller Matches war das Wimbledon-Finale gegen Goran Ivanisevic. 7:9 im Fünften.

Rafter: Das Goran-Match war in so vielerlei Hinsicht ein interessantes. Es wurde ja an einem Montag gespielt. Der Eintritt war frei und es war ein komplettes Chaos zuzuschauen, wie jeder versuchte, zu den Plätzen zu rennen und sich einen zu ergattern. Ich hatte gerade mein Training beendet, als die Tore aufmachten. Ich musste wirklich in die Kabine rennen, damit ich nicht niedergetrampelt werde. Sowohl Goran als auch ich hatten zuvor Wimbledon-Finals verloren, wir wollten diesen Sieg so sehr. Das Match war eng, die Qualität war gar nicht mal so hoch, aber die Fans haben das Match zu einem Rock-Konzert gemacht. Auf dem Platz und auf den Rängen war die Spannung förmlich greifbar. Am Ende verlor ich und Goran verließ Wimbledon als sehr glücklicher Mann.

SPOX: Ein Jahr zuvor hatten Sie schon eine bittere Niederlage im Wimbledon-Finale gegen Pete Sampras erleiden müssen, als dieser seinen siebten Titel holen sollte. Dabei lief es eigentlich so gut am Anfang. Was ist dann passiert?

Rafter: Na ja, das Match zwischen Pete und mir war mein erstes Wimbledon-Finale und sein gefühlt 100. Ich weiß es auch nicht. Ich gewann den ersten Satz und führte auch im Tiebreak des zweiten Satzes, aber dann habe ich es verkackt. Ich habe die Ziellinie gesehen und es zugelassen, dass ich von meiner Nervosität besiegt wurde. Es tat weh, aber nicht so sehr wie die Niederlage gegen Goran.

SPOX: Man hatte damals den Eindruck, dass Pete und Sie sich nicht sonderlich leiden konnten.

Rafter: Pete und ich hatten und haben kein Problem miteinander. Es stimmt, dass wir nicht die besten Freunde waren und wir hatten unsere kleinen Scharmützel, aber wir haben uns in der Umkleide auch ganz normal unterhalten. Es war alles in Ordnung, nur manchmal war in bestimmten Situationen der Druck auf dem Court so groß, dass uns ein paar Dinge unter die Haut gegangen sind.

SPOX: Sie haben die US Open zweimal in Folge gewonnen, Sie waren 1999 auch die Nummer eins der Welt. Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen?

Rafter: Die beiden US-Open-Siege waren sicherlich meine besten Tennis-Momente, aber gleichzeitig erinnnere ich mich auch unheimlich gerne an viele kleine Meilensteine. Zum Beispiel das erste Mal, als ich überhaupt nach Wimbledon gekommen bin oder mein Land im Davis Cup zu repräsentieren, solche Dinge haben mir auch sehr viel gegeben und bedeutet, nicht nur die Triumphe.

SPOX: Ihr erster US-Open-Titel war sehr unerwartet, Sie schlugen Agassi im Laufe des Turniers und setzten sich im Finale gegen Greg Rusedski durch. Danach sagten Sie einen meiner Lieblingssätze aller Zeiten.

Rafter: Ich glaube, ich weiß, welchen Sie meinen. Ich sagte: Die Menschen denken, dass ich jetzt irgendein Genie bin, weil ich gewonnen habe. Aber es ist nicht so, dass ich ein komplett neuer Spieler bin - ich bin immer noch der gleiche Dreckssack, der ich immer war. (lacht)

SPOX: Genau den meinte ich.

Rafter: Ich muss aber leider gestehen, dass ich diesen Satz von meinem Kumpel John Fitzgerald gestohlen habe. Ihn habe ich immer sehr bewundert und tue es heute noch. Ich wollte damit einfach ausdrücken, dass es im Leben keine Rolle spielt, was für ein guter Tennisspieler du mal wirst, oder was für ein toller Business-Mann. Denke immer daran, bescheiden zu bleiben. Das ist das Wichtigste.

Pat Rafter gewann 1997 und 1998 zweimal in Folge die US Open.
© getty
Pat Rafter gewann 1997 und 1998 zweimal in Folge die US Open.

Pat Rafter über Australian Open: "Es brachte alles nichts"

SPOX: Ein Jahr später besiegten Sie im Halbfinale Sampras in fünf Sätzen und zerstörten dann im Finale Mark Philippoussis. Wie wichtig war der zweite Grand-Slam-Titel?

Rafter: Es ist immer schön zu wissen, dass du etwas mehr als nur einmal geschafft hast. Einfach um zu beweisen, dass es nicht nur Glück war. Es war extrem befriedigend. Ich vergleiche es mit der Geburt meines zweiten Kindes. Okay, ich habe es nicht selbst bekommen, nur ein bisschen geholfen. (lacht) Es ist einfach schön zu wissen, dass es kein Zufall war.

SPOX: Kommen wir zu den Australian Open. Sie haben einmal an der Seite von Jonas Björkman den Doppel-Titel gewonnen, aber im Einzel lief es lange gar nicht. Es dauerte bis 2001, ehe Sie zum ersten Mal das Halbfinale erreichten. Warum klappte es bei den Aussie Open nicht so richtig?

Rafter: Der Doppel-Titel war fantastisch. Es hat mir immer so viel Spaß gemacht, Doppel zu spielen und einen Partner an der Seite zu haben. Das erleben wir im Tennis nicht so oft. Dazu kam, dass Jonas und ich uns schon aus der Zeit kannten, als wir beide versuchten, es auf die Tour zu schaffen. Wir hatten sehr ähnliche Karrieren und Jonas ist einfach ein richtig cooler Bursche. Die Aussie Open waren tricky für mich, das stimmt. Ich glaube, der größte Grund für den ausbleibenden Erfolg war, dass ich immer viele Matches gebraucht habe, bis ich mich auf dem Court wohlgefühlt habe und das nötige Selbstbewusstsein entwickeln konnte. Vor Wimbledon hatte ich Matchpraxis von den Vorbereitungsturnieren auf Rasen, vor den US Open hatte ich dann über mehrere Monate viel Tennis gespielt, das lag mir. Dagegen hat mir die Weihnachtspause vor den Aussie Open immer geschadet. Ich konnte so viel trainieren wie ich wollte, es brachte alles nichts, ich brauchte Matches in Turnieren, um bereit zu sein. Es kam nicht von ungefähr, dass mein letzter Auftritt mein bester sein sollte. Das lag einfach daran, dass ich aufgrund des Davis Cups bis spät im Jahr gespielt und nur eine Woche Pause hatte.

SPOX: Sie kommen aus eher armen Verhältnissen, war das ein großer Antrieb bei Ihrer Karriere?

Rafter: Auf jeden Fall. In den 70er und 80er Jahren hatten viele Menschen in Australien nicht viel Geld, auch wir nicht. Ich bin in einer großen Familie groß geworden, aber unsere Eltern haben immer versucht, es uns allen zu ermöglichen, unsere Träume verfolgen zu können. Egal ob das in einer akademischen Laufbahn war oder woanders. Ich habe gesehen, wie hart meine Eltern dafür gearbeitet und welche Opfer sie gebracht haben. Das war sehr inspirierend für mich. Mein großes Ziel war es immer, ein Haus zu kaufen, wenn ich meine Karriere beendet habe. Glücklicherweise habe ich das geschafft - und noch ein bisschen mehr. (lacht)

SPOX: Was haben Sie aus Ihrer Karriere am meisten gelernt?

Rafter: Tennis ist wie jeder Sport eine großartige Lebensschule. Wenn du älter wirst, verschieben sich die Perspektiven, aber eine der größten Lehren für mich war, dass Erfolg sich nicht darüber definiert, wie viele Matches oder Grand Slams du gewinnst. Erfolg bedeutet, der beste Spieler zu sein, der du sein kannst, das ist der einzige Maßstab.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema