"Es macht keinen Spaß, so zu leiden": Die Ikonen pfeifen vor den French Open aus den letzten Löchern

Von Stefan Petri
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Am Sonntag beginnt mit den French Open das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres. Was ist für Rafael Nadal bei seiner Abschiedsvorstellung möglich? Gehört Novak Djokovic überhaupt zu den Favoriten? SPOX nimmt die wichtigsten Akteure in Paris unter die Lupe - und stellt fest: Viel besser könnten die Vorzeichen für Alexander Zverev kaum stehen.

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Außerdem: Weitere Legenden verabschieden sich, Jan-Lennard Struff und Angie Kerber könnten überraschen - und viele Stolpersteine für Iga Swiatek scheint es nicht zu geben.

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French Open, Spieler im Fokus: Rafael Nadal

Eigentlich würde es passen, wenn er am Montagnachmittag nicht auf den Court Philippe-Chatrier kommen würde, sondern auf den Court Rafael Nadal: Von "Wohnzimmer" zu sprechen, wirkt ob seiner historischen Dominanz fast schon lachhaft untertrieben.

Nadal will es noch einmal wissen, wahrscheinlich ein letztes Mal. Monatelang zweifelte der 37-Jährige öffentlich an seiner Form und daran, überhaupt anzutreten. In Rom wurde er in seinem letzten Match von Hubert Hurkacz geputzt (1:6, 3:6). Und nun hat es auch die Auslosung alles andere als gut mit ihm gemeint (s.u.).

Aber es wäre verrückt, Nadal schon im Vorfeld abzuschreiben - man erinnere sich an 2022, als er das Turnier mit einem von Spritzen betäubten Fuß zum 14. Mal gewann. Einen Trainingssatz gegen Daniil Medvedev gewann er unlängst, und der Russe konstatierte: "Er hat besser gespielt als in Rom oder Madrid. Rafa wird immer Rafa sein."

Das Publikum wird ihn so frenetisch anfeuern wie noch nie, und gewinnt er tatsächlich sein Auftaktmatch, dann ... erscheint schon wieder alles möglich.

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French Open, Spieler im Fokus: Novak Djokovic

Womöglich schauen wir in ein paar Jahren zurück und stellen fest, dass die "Ära Novak Djokovic" in diesem Mai 2024 eigentlich schon vorbei war: Kein Titel bisher in dieser Saison, Niederlagen gegen Spieler der Sorte Alejandro Tabilo oder Tomas Machac. Der Titelverteidiger ist so verwundbar wie schon viele Jahre nicht mehr, das spürt er auch selbst - und das strahlt er auch aus.

"Ich sehe mich nicht als Favorit", sagte er nach seinem Halbfinal-Aus in Genf, wo er sich noch ein bisschen Spielpraxis und Selbstvertrauen holen wollte. Immerhin gewann er da zwei Matches und spielte phasenweise ganz ordentlich, aber dann kommen auch immer wieder unerklärliche, auch körperliche Durchhänger hinzu: "Ich wünschte, ich würde mich besser fühlen. Es macht keinen Spaß, auf dem Court so zu leiden."

Gegen keinen der Titelanwärter hat er in Paris je verloren, sieht man mal von Nadal ab. Mit Wimbledon und den Olympischen Spielen kommen seine beiden größten Ziele des Jahres erst noch. Aber in der aktuellen Form könnte auch schon Lokalmatador Pierre-Hugues Herbert in Runde 1 eine gewaltige Hürde darstellen ...

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French Open, Spieler im Fokus: Carlos Alcaraz

Die ehemalige Nummer eins müsste angesichts des wackeligen Legenden-Duos erster Anwärter auf den Coupe des Mousquetaires sein. Niemand jedoch weiß, wie sein Körper mitspielt: In seinem einzigen Sandplatzturnier des Frühlings verlor er in Madrid gegen Andrey Rublev, danach pausierte er, um seinen lädierten Unterarm zu schonen. Man erinnere sich: Im Vorjahr hielt er im Halbfinale gegen Djokovic richtig gut mit, bevor er dann von Krämpfen förmlich zerlegt wurde.

Er fühle sich besser, sagte der 21-Jährige unlängst: "Im Training kann ich die Bälle immerhin schmerzfrei schlagen." Er werde nicht viele Matches brauchen, um die 100 Prozent zu erreichen, und die sollte er in einem zunächst freundlichen Draw auch bekommen. Wenn der Körper mitmacht.

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French Open, Spieler im Fokus: Jannik Sinner

Die ersten Saisonmonate dominierte Sinner in fast schon Djoker-hafter Manier, gewann in Australien sein erstes Grand-Slam-Turnier. Aber auch bei ihm stehen dicke Fragezeichen hinter der Fitness. Die Hüfte zwang ihn in Madrid zur Aufgabe: "Natürlich ist mein körperlicher Zustand nicht da, wo ich ihn haben will. Aber nicht einmal zehn Tage vor dem Erstrundenmatch können wir keine Wunder vollbringen."

Das klingt nicht gerade beruhigend, auch wenn es beim rothaarigen Italiener zuletzt im Training ebenfalls besser funktioniert haben soll. Sein Lieblingsturnier ist Roland Garros bisher allerdings nicht, bestes Ergebnis war das Viertelfinale im Jahr 2020. Es könnte zum Halbfinal-Kracher gegen Alcaraz kommen, aber dafür müssen beide die zwei Wochen erst einmal senkrecht bleiben.

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French Open, Spieler im Fokus: Alexander Zverev

Wenn nicht jetzt - wann dann!? Djokovic und Nadal pfeifen aus den letzten Löchern, Alcaraz und Sinner reisen lädiert an. Dazu der Turniersieg in Rom: Bessere Vorzeichen kann sich Zverev für seinen ersten Major-Titel kaum wünschen. Mit drei Halbfinalteilnahmen in Folge sind die French Open eigentlich auch sein Lieblings-Slam.

Der 27-Jährige hätte sich aber sicherlich einen anderen Gegner zum Auftakt gewünscht als Nadal - ein veritabler Knüppel zwischen den Beinen. "Mein Bruder hat es mir gesagt", verriet Sascha am Freitag. "Zuerst dachte ich, er macht Witze."

Zverev konzentrierte sich aber prompt aufs Positive: "Ich wollte in meiner Karriere unbedingt noch mal gegen Rafa spielen", sagte er am Freitag. Und weiter: "Ich wollte nicht, dass meine letzte Erinnerung gegen ihn ist, wie ich mit dem Rollstuhl rausgefahren werde."

Mit einem Sieg könnte Zverev also gleich mehrere Dämonen der Vergangenheit besiegen. Wobei schon eine weitere dunkle Wolke über ihm schwebt: Am 31. Mai beginnt in Berlin der Prozess wegen Körperverletzung gegen ihn, er selbst beteuert seine Unschuld.

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French Open, Spieler im Fokus: Jan-Lennard Struff

Endlich der erste Turniersieg der Karriere in München, dazu insgesamt gute Auftritte in der Sandplatzsaison mit Niederlagen gegen Sinner, Alcaraz und Tsitsipas - letztere zwang er in drei enge Sätze. Struffi kann mit den Besten mitspielen! Ungesetzt könnte in Runde drei Alex De Minaur (AUS/11) warten, anschließend Medvedev. Ein Run in die zweite Woche ist möglich.

French Open: Die deutschen Teilnehmer im Überblick

Männer:

NameWettbewerb
Alexander ZverevEinzel
Jan-Lennard StruffEinzel
Dominik KoepferEinzel
Yannick HanfmannEinzel
Daniel AltmeierEinzel

Frauen:

NameWettbewerb
Tatjana MariaEinzel
Tamara KorpatschEinzel
Laura SiegemundEinzel
Angelique KerberEinzel
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French Open, weitere Spieler im Fokus

Für Casper Ruud (Finalist 2022 und 2023) und Stefanos Tsitsipas (Finalist 2021) gilt das Gleiche wie für Zverev: So weit offen stand die Tür für sie gefühlt noch nie. In Monte-Carlo und Barcelona standen sie sich jeweils im Endspiel gegenüber, brüderlich teilten sie die Titel auf. Normalerweise ist immer einer der Topleute besser als sie. Diesmal vielleicht nicht?

Andy Murray und Stan Wawrinka könnten in Paris wie auch Nadal ihre Abschiedsvorstellung geben. Bei Murray (37) scheint ein Karriereende in diesem Kalenderjahr ebenfalls praktisch sicher, Stan ist mittlerweile stolze 39 Jahre alt. Das Losglück hat den beiden dreifachen Grand-Slam-Siegern ein direktes Duell in Runde 1 spendiert. Immerhin wird einer weiterkommen.

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French Open, Spielerin im Fokus: Iga Swiatek

Gaaaaanz leichte Nadal-Vibes bei der Königin der roten Asche? Mit 22 hat Swiatek bereits drei French-Open-Titel auf dem Konto: Die Bestmarke von sieben Turniersiegen, gehalten von Chris Evert, wackelt bereits ein wenig. "Auf jeden Fall kann sie das schaffen", sagte Evert der AP: "Sie bringt einfach alles mit."

Wie eine Maschine spielt die Polin aktuell. Löcher im Selbstbewusstsein, in der Vergangenheit hin und wieder zu beobachten, gibt es aktuell nicht. In Rom und Madrid gewann sie das "Dirt Double", im Finale jeweils gegen ihre ärgste Konkurrentin (s.u.). Das riecht ganz stark nach dem vierten Streich.

French Open, Spielerin im Fokus: Aryna Sabalenka

Die Australian-Open-Siegerin ist eine der wenigen Spielerinnen, die auch eine Swiatek in Bestform vom Platz blasen kann. Das gelang ihr aber weder im Endspiel von Madrid (5:7, 6:4, 6:7) noch in dem von Rom - und da war es mit 2:6 und 3:6 sogar überraschend glatt. "Hoffentlich sehen wir uns in Roland Garros im Finale und dort kriege ich dich dann", scherzte sie anschließend. Aber sie wartet nun auch schon seit Melbourne auf einen Turniersieg.

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French Open, Spielerin im Fokus: Angelique Kerber

Es ist vergleichsweise ruhig um Angie Kerber geworden, seit ihrer Rückkehr in den Tenniszirkus. Insofern darf man von der 36 Jahre alten Mutter wohl nicht allzuviel erwarten, zumal Sand ohnehin nicht ihr Lieblingsbelag ist.

Das Turnier in Rom macht allerdings Hoffnung: Dort kam sie bis ins Achtelfinale, verteilte auf dem Weg dahin gleich zwei Bagel-Sätze und macht es anschließend Swiatek so richtig schwer (5:7, 3:6). Darauf lässt sich aufbauen, gerade mit Blick auf das Jahreshighlight Olympia. In Runde zwei würde wohl aber schon Elena Rybakina (KAZ/4) warten.

French Open, Spielerin im Fokus: Danielle Collins

Wenn man es einer Spielerin zutrauen kann, die Hegemonie von Swiatek/Sabalenka zu durchbrechen, dann der 30 Jahre alten Amerikanerin. Die kündigte bereits ihr Karriereende zum Saisonende an - und spielt seitdem absolutes Toptennis, und zwar seit Monaten: Nach Titeln in Miami und Charleston verlor sie in Madrid und Rom jeweils gegen Sabalenka, hielt da aber lange gut mit. Alle Güteklassen darunter putzt sie dagegen förmlich weg.

Im Viertelfinale könnte sie auf Swiatek treffen. Wer die Chance hat, möge sich bis dahin das eine oder andere Match von ihr anschauen. Nicht nur für ihr famoses Tennis, sondern auch für ihr sensationell unwirsches Auftreten bei den anschließenden Interviews. Die Frau verstellt sich absolut null.

Bonus: French Open

Jup, auch das Turnier an sich steht im Fokus. 2022 machte Turnierdirektorin Amélie Mauresmo Schlagzeilen mit der stiefmütterlichen Behandlung von Damenmatches und der Begründung, deren Matches seien nun einmal weniger attraktiv. Natürlich musste sie prompt zurückrudern, sehr viel besser wurde es aber auch im folgenden Jahr nicht.

Das Thema wird sie deshalb auch hier wieder verfolgen, neben den hohen Ticketpreisen und den gähnend leeren Business-Logen, die bei Top-Matches das Gesamtbild trüben.

Einen üblen Misstritt hat sich das Turnier bereits erlaubt: Der zweifache Finalist Dominic Thiem bekam auf seiner Abschiedsturnier keine Wildcard. Als er in der Quali scheiterte und vom offiziellen X-Account des Turniers mit den Worten "Paris liebt dich, Domi" bedacht wurde, gab es völlig zurecht einen kleinen Shitstorm.

French Open 2024: Die Titelverteidiger im Überblick

WettbewerbSieger/ Siegerin
Männereinzel:Novak Đoković
Fraueneinzel:Iga Świątek
Männerdoppel:Ivan Dodig
Austin Krajicek
Frauendoppel:Hsieh Su-wei
Wang Xinyu
Mixed:Miyu Katō
Tim Pütz