Carlos Alcaraz bat im schicken schwarzen Smoking galant zum Tanz. Der zweimalige Wimbledonsieger streckte Barbora Krejcikova mit einem breiten Grinsen im Gesicht die Hand aus und schwofte mit der Tschechin beim Champions Dinner zum Rhythmus von Dua Lipa eine kurze Runde über das Parkett. Alcaraz wirkte dann aber auch erleichtert, als er die letzte Prüfung in London bestanden hatte.
"Mein Tanzen könnte besser sein, ich werde mein Bestes geben", hatte der 21 Jahre alte Ausnahmeathlet schon unmittelbar nach seiner großen Finalshow auf dem Centre Court gegen Novak Djokovic gesagt und viele Lacher geerntet.
In seinem Hauptjob, in den größten Tennisarenen, ist das Rhythmusgefühl des nun viermaligen Grand-Slam-Siegers dagegen derzeit einmalig und er schickt sich an, die Tour noch stärker zu dominieren. Wird Alcaraz gerade bei den bedeutendsten Events des Jahres allmächtig?
Die Ziele, die sich der Weltranglistendritte setzt, sind ganz weit oben anzusiedeln. "Carlitos" will mit seinem einmaligen Mix aus unwiderstehlicher Kraft und fast kindlicher Spielfreude den Weg der Legenden beschreiten, "mit den großen Jungs an einem Tisch sitzen", wie er sagt.
Und, was die Anzahl der Titel angeht, mit Ikonen wie Grand-Slam-Rekordsieger Novak Djokovic, Sandplatzkönig Rafael Nadal und "Maestro" Roger Federer mitsprechen können.
Alcaraz mit besserer Bilanz als Federer, Nadal und Djokovic
Djokovic, dessen zweite Finalniederlage in Folge auf dem "heiligen Rasen" gegen Alcaraz beim 2:6, 2:6, 6:7 (4:7) deutlich klarer ausfiel als im Vorjahr, steht bei sagenhaften 24 Grand-Slam-Siegen, Nadal folgt mit 22 vor Federer mit 20.
"Ich weiß nicht, was mein Limit ist und will nicht darüber nachdenken", sagte Alcaraz: "Ich will einfach nur den Moment genießen und weiter träumen. Mal sehen, ob es am Ende meiner Karriere 25, 30, 15 oder vier sein werden. Ich weiß es nicht."
In seinem jungen Alter hat er aktuell eine bessere Bilanz als die "großen Drei", einzig Boris Becker und die Schweden Björn Borg und Mats Wilander konnten zuvor derart jung in der Open Ära schon vier Grand-Slam-Titel vorweisen.
Alcaraz muss Perfektionismus walten lassen
Um in Sphären von Djokovic und Co. vorstoßen zu können, muss aber für Alcaraz, den die spanische Sportzeitung AS schon als "den Großen" bezeichnete, weiter alles zusammenpassen.
Alcaraz wird sich auf Jahre mit Haut und Haar dem Tennis verschreiben, auch abseits des Courts Perfektionismus walten lassen müssen. In der Vergangenheit bremsten ihn immer mal wieder Verletzungen aus.
Und es hängt natürlich auch von der Konkurrenz ab, die durch die zwei Triumphe des Spaniers binnen fünf Wochen weiter angestachelt sein dürfte. Bei den US Open werden unter anderem der italienische Weltranglistenerste Jannik Sinner, aber auch noch einmal Titelverteidiger Djokovic in der Hoffnung auf seinen 25. Majorsieg Alcaraz angreifen wollen. Beim nächsten großen Ziel, den Olympischen Spielen in Paris, will auch Alexander Zverev wieder ein gewichtiges Wort um die Goldmedaille mitsprechen.
Doch Alcaraz hat in Wimbledon ein starkes Signal gesetzt: An ihm ist in Zukunft nur schwer vorbeizukommen.