Es ist selten, dass ein Sportler gleich in mehreren Sportarten talentiert ist und Erfolge vorweisen kann - zwei bekannte Beispiele sind der Amerikaner Bo Jackson und Hakeem The Dream Olajuwon.
Bo Jackson kennen in Deutschland viele nur aus seiner Sportschuhwerbung von vor gut zwanzig Jahren, doch der frühere Baseball- und Footballspieler gilt noch heute als einer der höchstdekorierten Profisportler der US-Geschichte.
Dem Nigerianer Hakeem Olajuwon war eine Karriere als Nationaltorwart im Fußball vorgezeichnet, als er sich entschied, Basketballprofi zu werden und in die USA zu gehen. Dort gewann er mit den Houston Rockets zwei NBA-Meisterschaften und wurde in der Saison 1993/1994 zum Most Valuable Player und dem besten Verteidiger der Saison gewählt.
Gemein ist Sportlern wie Jackson und Olajuwon, dass sie so talentiert waren, dass sie es in jedem Sport hätten schaffen können, wenn sie es nur wollten.
Vom Ringen zum Profi-Wrestling
Den amtierenden UFC-Weltmeister im Schwergewicht, Brock Lesnar, kann man problemlos in diese Riege einreihen. Ihm gelang in seiner Collegezeit ein Rekord von 106-5 im Amateurringen - eine ausgezeichnete Bilanz.
Er wurde in dieser Zeit zweimaliger NJCAA All-American, NJCAA Schwergewichtsmeister, zweifacher NCAA All-American und zweimaliger Big Ten Conference Meister. In seinem Abschlussjahr 2000 gelang ihm sogar der Gewinn der NCAA Schwergewichtsmeisterschaft, der höchsten Auszeichnung überhaupt im amerikanischen Amateurringen.
Doch anders als Basketball und Football ist das Ringen eine brotlose Kunst. Während talentierte Ballsportler hochdotierte Angebote der NBA oder NFL bekommen, stehen Ringer nach dem College vor der Entscheidung, selbst als Trainer aktiv zu werden oder den Sport an den Nagel zu hängen und einer geregelten Arbeit nachzugehen.
Für Brock Lesnar kam es nie infrage, dem Sport den Rücken zu kehren - er schlug nur einen ungewöhnlichen Weg ein: das Profi-Wrestling. Noch während seiner Collegezeit bekam Lesnar ein gutes Angebot des Marktführers World Wrestling Entertainment (WWE). Er wurde zunächst ins Trainingscamp Ohio Valley Wrestling in Louisville, Kentucky geschickt - aber schon nach wenigen Wochen war klar, dass er in einem Tempo dazulernte, das man so in der Vergangenheit noch nie gesehen hatte.
Ausflug in die NFL
Er wurde nach nur wenigen Monaten Training zu einem permanenten Teil der wöchentlichen Ausstrahlungen der WWE und nach kurzer Zeit zum WWE Weltmeister.
Doch trotz seines kometenhaften Aufstiegs und der hohen Gagen, die er bekam, wurde Lesnar von Monat zu Monat unzufriedener. Wrestling mag zwar eine athletische Betätigung sein, aber der sportliche Wettkampf fehlte dem Hünen von Monat zu Monat mehr. Zusätzlich ist Lesnar ein sehr ruhiger, zurückgezogen lebender Mensch und hatte somit seine Schwierigkeiten damit, mit den überwiegend schillernden Persönlichkeiten des Wrestlings klarzukommen.Im März 2004 fasste er den Entschluss, die WWE zu verlassen und NFL-Profi zu werden. Dies wurde allgemein mit Spott und Hohn quittiert, da Lesnar abgesehen vom Sportunterricht an der Schule noch nie Football gespielt hatte.
Wenige Monate später stand er für die Minnesota Vikings auf dem Feld. Lesnar war einfach so zum Training erschienen und überzeugte durch seine athletischen Fähigkeiten, sodass die Coaches gar keine andere Möglichkeit hatten, als ihn in die Mannschaft aufzunehmen.
Boom der MMA dank "The Ultimate Fighter"
Die Preseason 2005 hielt Lesnar bis zum Ende durch und wurde als letzter Cut vor dem offiziellen Saisonstart aus dem Team entlassen. Die Gründe dafür waren jedoch nicht in seinen spielerischen Leistungen zu suchen, sondern nach Aussage der Coaches eher darin begründet, dass er auf dem Spielfeld eine Körperlichkeit an den Tag legte, die im Football nicht toleriert werden konnte. Sie empfahlen Lesnar, sich im Kampfsport zu betätigen.
Das Timing war perfekt, denn dank der UFC-Realityshow "The Ultimate Fighter" erlebte der MMA-Sport in den USA gerade einen Boom, wie man ihn noch nie gesehen hatte. Während davor lediglich in der japanischen Kickboxliga K-1 mit Kampfsport Geld verdient werden konnte, eröffnete sich nun eine ganz neue Möglichkeit.
Lesnar begann im Oktober 2005 mit dem MMA-Training und stand am 2. Juni 2007 zum ersten Mal im Ring - gegen den südkoreanischen Silbermedaillisten der Olympischen Spiele 2006 im Judo, Kim Min-Soo. Nach lediglich einer Minute und neun Sekunden stand der Sieger fest: Brock Lesnar.
"Aufbaufight" gegen Frank Mir
Es war jedem Insider sofort klar, dass dieser Mann das Potential hat, eine völlig neue Generation der Schwergewichte zu begründen, und wenige Monate später nahm die UFC Lesnar unter Vertrag.
Am 2. Februar 2008 stieg der Mann aus Minnesota zum ersten Mal ins Octagon. Doch anders als beispielsweise im Boxen üblich bekam er keinen Aufbaugegner, sondern musste sofort gegen den früheren UFC-Schwergewichtsmeister Frank Mir ran.
Der Fight an sich hätte spektakulärer gar nicht sein können, denn Lesnar deklassierte den UFC-Veteranen Mir und hatte ihn nach 90 Sekunden am Rand einer Niederlage, als der Grapplingspezialist ein Bein Lesnars zu fassen bekam und ihn mit einem Kniehebel zur Aufgabe zwang.
Brock Lesnar ist ein ausgesprochen ehrgeiziger Sportler. Er gibt sich nicht damit zufrieden, einer der Besten sein. Alles außer der Nummer eins hält er für völlig inakzeptabel, und so intensivierte er sein Training noch mehr.
Weltmeister nach nur neun Monaten
Sechs Monate später war zum ersten Mal zu erkennen, wie dominant Lesnar werden würde. Er stieg bei UFC 82 gegen den UFC- und PRIDE-Veteranen Heath Herring ins Octagon und dominierte den völlig überrumpelten Texaner fünfzehn Minuten lang. Lesnar holte sich nicht nur einen verdienten Punktsieg, sondern er deklassierte Herring so, dass dieser seine aktive Karriere danach an den Nagel hängte.
Kurz darauf einigte sich die UFC in einem Vertragsdisput überraschend mit dem damals amtierenden Schwergewichtsmeister Randy Couture.Lesnar war zu der Zeit das einzige Schwergewicht, das für einen Titelkampf infrage kam und noch nicht anderweitig verplant war, und so bekam der ehemalige Profi-Wrestler und NFL-Footballer nur neun Monate nach seinem UFC-Debüt die Chance, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen.
Lesnar ging als krasser Außenseiter ins Rennen - wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass er gegen einen fünfmaligen UFC-Weltmeister und den wohl höchstdekorierten Kämpfer der UFC-Geschichte antrat. Doch auch Couture hatte der geballten Macht Brock Lesnars nichts entgegenzusetzen und verlor durch Technischen K.o. in der zweiten Runde.
Von Spitzenform weit entfernt
Lesnar hat bis heute einen Pfad der Zerstörung in der UFC hinterlassen, den man so seit Mike Tyson im Boxsport vor nunmehr fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen hat. Dem Sieg gegen Couture folgte die Revanche gegen Frank Mir und zuletzt im Juli eine Titelverteidigung gegen Shane Carwin, bei der Lesnar in der ersten Runde stark angeklingelt wurde, in der zweiten Runde aber das Ruder übernahm und zum ersten Mal in seiner Karriere durch Aufgabe gewann.
Dabei sah es lange Zeit so aus, als sei seine Karriere vorbei, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hat. Im Oktober des letzten Jahres musste Lesnar während eines Jagdausflugs ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil er schlimme Schmerzen im Abdomen hatte.
Nach mehreren Wochen der Unsicherheit und der Fehldiagnosen stellte sich heraus, dass er eine Darmerkrankung namens Divertikulitis hatte - und das bereits latent seit achtzehn Monaten. Seine Ärzte waren sich sicher, dass er in dieser Zeit maximal fünfzig Prozent seiner Leistungsfähigkeit hatte abrufen können. Selbst im Comebackkampf gegen Shane Carwin war Lesnar zwar körperlich genesen aber noch nicht in Spitzenform.
Der nächste Rückschlag
Am Samstag setzte der Weltmeister bei UFC 121 in Anaheim, Kalifornien seinen Titel gegen den ungeschlagenen Cain Velasquez aufs Spiel - und verlor in der ersten Runde. Velazquez wurde von vielen Insidern als Favorit gehandelt, ihrer Ansicht nach ist er ein besserer Ringer, schneller, ein besserer Striker und hat mehr Ausdauer als Lesnar. Was er nun bewiesen hat.
Doch wenn Brock Lesnar in seinem Leben eines bewiesen hat, dann ist es, dass man ihn nie auszählen darf, denn was Lesnar erreichen will, das erreicht er auch. Und dieser unbedingte Siegeswille ist der berühmte "X-Faktor", der ihn dazu bringen wird, sich wieder zurückzukämpfen.