Als im April 2005 das Finale der ersten Staffel von The Ultimate Fighter im amerikanischen Kabelfernsehen lief, war dies das erste Mal, dass ein MMA-Kampf dort live über die Bildschirme ging. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie die Stimmung in der Halle war.
In der Nachbetrachtung wurde immer wieder von "Aufbruchstimmung" gesprochen, aber tatsächlich waren alle nervös. Was würde passieren? Würde das amerikanische Fernsehpublikum dieses neue Produkt annehmen? Oder würde die Sendung floppen und das Schicksal des Sports besiegeln?
Selbst die wenigen Journalisten am Octagon wussten, wie wichtig dieser Abend war: für die Liga, für den Sport und in etlichen Fällen auch für die eigene berufliche Zukunft. Sechs Jahre später war das TUF Finale die Initialzündung, die die UFC zu einer Sensation machte und die Kämpfer der UFC zu Stars weit jenseits des Käfigs.
Die Ultimate Fighting Championship wuchs gemeinsam mit dem kleinen Kabelsender Spike, und es war eine wundervolle Symbiose. In den letzten beiden Jahren wurde jedoch klar, dass es irgendwann nicht mehr genügen würde, ein großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein, wenn man weiter wachsen will.
Im Jahr 2011 ist der große Boom der letzten Jahre in den USA merklich abgekühlt. Das ist eine völlig normale Entwicklung, wenn aus einem Hype ein gesetzter Sport wird. Der nächste logische Schritt war nun, mit einem der großen Sender eine Allianz einzugehen und die Sendungen der UFC dorthin umzuziehen.
MMA in einem Atemzug mit NFL und NBA
Der Startschuss dafür fällt am Samstag, wenn der Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht zwischen Cain Velasquez und seinem Herausforderer Junior Dos Santos auf dem US-Sender Fox ausgestrahlt wird.
Beide Partner nehmen diesen Schritt ernst. Die UFC hat den größten Kampf zur Verfügung gestellt, den sie dem Sender überhaupt geben konnte. Der Liga werden mindestens 15 Millionen Dollar an Pay-Per-View Einnahmen entgehen, die der Kampf eingebracht hätte - vermutlich sogar deutlich mehr.
Dafür wird die Liga und damit der MMA-Sport nun von Fox im gleichen Atemzug genannt wie die National Football League und die National Basketball Association, zwei weiteren Kronjuwelen des Senders.
Ob dieser Schritt nun zu einem zweiten Boom führt oder ob der Sport weiterhin in seiner Nische bleiben wird, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, aber man tut wirklich alles, um einen Erfolg herbeizuführen.
Größte Schwergewichtskampf der UFC-Geschichte
Im Honda Center in Anaheim steigen zwei Männer um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht ins Octagon, denen die Zukunft der Gewichtsklasse gehört. Beide sind bislang nicht Stars vom Rang eines Brock Lesnar, Georges St. Pierre oder Anderson Silva, haben aber das Zeug dazu, die Schwergewichtsszene noch viele Jahre zu bestimmen.
Es steht außer Zweifel, dass es der größte und wichtigste Schwergewichtskampf der UFC-Geschichte wird. Cain Velasquez und Junior Dos Santos sind die beiden dominantesten Kämpfer in ihrer Gewichtsklasse in der Geschichte der Ultimate Fighting Championship.
Beide sind in der Liga unbesiegt. Beide haben sieben Siege am Stück in der UFC eingefahren. Beide sind extrem sympathisch, bevorzugen aber mehr die leisen Töne und konnten deswegen noch nicht den großen Wurf bei den Fans landen. Doch die Allgemeinheit hat bislang keinen blassen Schimmer davon, wie eindrucksvoll Weltmeister und Herausforderer in der Praxis sind.
In sieben Kämpfen nicht eine Runde abgegeben
Cain Velasquez hat in diesen sieben Kämpfen nicht eine einzige Runde abgeben müssen. Er war nach Messungen von Fightmetric.com in diesen Kämpfen insgesamt 25 Sekunden am Boden in einer Verteidigungshaltung. Für jeden Schlag, den er einstecken musste, teilte er bislang sechs aus - über alle Gewichtsklassen hinweg der beste Wert der UFC-Geschichte. Zwei von drei Takedownversuchen konnte er erfolgreich durchbringen - das ist der viertbeste Wert der Geschichte.
Velasquez hatte keinerlei Schwierigkeiten damit, mit Brock Lesnar einen Mann körperlich zu kontrollieren, der zwei Jahre lang der kompletten Schwergewichtsriege den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Im Schnitt schickt Velasquez seine Gegner alle sechs Minuten und 33 Sekunden zu Boden - oft endgültig. Und das Interessanteste ist, dass er immer noch in der Entwicklung steckt und noch lang nicht auf seinem körperlichen Höhepunkt ankommen wird.
Der Brasilianer Dos Santos ist keinen Deut weniger imposant. Anders als der aufs Ringen fixierte Weltmeister bevorzugt Dos Santos den Standkampf, wo er bislang fünf Treffer für jeden Gegentreffer landete. Es ist eine Sache, den Gegner mit Ground and Pound am Boden zu treffen, ohne selbst einstecken zu müssen, aber es ist eine ganz andere Sache, dasselbe Kunststück auf den Beinen zu vollbringen.
Velasquez als neues Latinoidol?
Nebenbei bemerkt ist der Wert von Junior Dos Santos der zweitbeste der UFC-Geschichte. Auch die sieben Minuten und zehn Sekunden, die der Knockout-Künstler im Schnitt benötigt, um einen Gegner auf die Matte zu schicken, stehen dem Weltmeister in nichts nach. Selbst Shane Carwin, der die wohl härtesten Fäuste der UFC schwingt, konnte Dos Santos in ihrem Fight über drei Runden nicht ansatzweise etwas anhaben.
Erst, wenn man sich diese Dinge vor Augen führt, versteht man, wie groß der Weltmeisterschaftskampf zwischen Cain Velasquez und Junior Dos Santos tatsächlich ist. Er hat das Zeug dazu, in die Lücke zu stoßen, die das Schwergewichtsboxen in den USA vor einem Jahrzehnt hinterlassen hat. Der mexikanisch stämmige Velasquez könnte das neue amerikanische Latinoidol werden, eine Rolle, die seit dem Rücktritt von Oscar De La Hoya nicht neu besetzt werden konnte.
Auch der sympathische Dos Santos hat mit seiner Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär das Zeug zu einem ganz großen Star. Eine solche Knockoutquote hat man in den USA seit Mike Tyson nicht mehr gesehen.
Selten war ein Kampf so offen
Doch wer wird das Rennen machen? Die Buchmacher in Las Vegas sehen Weltmeister Cain Velasquez mit fast zwei zu eins vorn.
Es bleibt abzuwarten, wie gut er seine schwere Schulteroperation überstanden hat, wegen der er nun ein Jahr pausieren musste. Man weiß aus der Historie, dass Verletzungen am Schultergelenk für Ringer oft desaströse Folgen haben. Und: Wird Velasquez mit derselben Kondition aufwarten können wie vor seiner Zwangspause?
Auf der anderen Seite ist Junior Dos Santos auch nicht gerade berühmt für seine Kondition. Er verlässt sich vielleicht einen Tick zu sehr auf seine harten Fäuste und lässt oft einen Plan B vermissen, falls er den Gegner nicht richtig zu fassen bekommt.
Es gab selten einen Kampf, der so offen war wie dieser. Cain Velasquez und Junior Dos Santos haben das Potenzial, den MMA-Sport in ein neues Zeitalter zu tragen. Ob ihnen das gelingen wird, sehen wir am Samstag.
UFC on Fox: Velasquez vs. Dos Santos wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 3 Uhr auf SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um 22.45 Uhr auf facebook.com/UFC.