SPOX: Wenige Tage vor dem Mega-Event UFC 200 wurde Jon Jones aufgrund eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regularien gesperrt. Das Main Event war hinfällig. Ein schwerer Schlag für die UFC.
Jeff Novitzky: Die UFC hat das stärkste Anti-Doping-Programm im professionellen Sport. Ein wichtiger Teil des Fortschritts ist dabei das Recht der Athleten auf Fairness und einen angemessenen Prozess, noch bevor Sanktionen getroffen werden. Jones befindet sich gerade in dieser Phase. Er ist zur Zeit vorläufig suspendiert, während ein Urteil über seinen möglichen Verstoß gefällt wird. Deswegen möchte ich nicht vorgreifen.
SPOX: Wie kam es zu der Sperre?
Novitzky: Die USADA rief mich an, kurz nachdem sie den Bericht eines Fundes eines anerkannten Testlabors der WADA in Salt Lake City erhalten hatte. Später am Abend machte die UFC die vorläufige Suspendierung von Jones sowie die Streichung von der Fight Card des Events aufgrund eines möglichen Anti-Doping-Verstoßes dann öffentlich.
SPOX: Der Fall Jones könnte, trotz des noch laufenden Verfahrens, als Warnung für andere Athleten dienen und somit zur Prävention beitragen. Glauben Sie an einen solchen Effekt?
Novitzky: Verkündungen dieser Art sind natürlich nie angenehm. Wir versuchen Vorfälle wie den um Jones deshalb als Lerneffekt für Sportler zu bewerten. Es soll sichergestellt werden, dass die Athleten dem Programm entgegenkommen und sehr sorgfältig mit allen Substanzen sind, die sie in ihren Körper einführen.
SPOX: Jones hat seinen Fans jedenfalls versichert, dass er niemals wissentlich verbotene Substanzen zu sich nehmen, geschweige denn in irgendeiner Weise schummeln würde. Glauben Sie an unabsichtliches Doping auf diesem professionellen Level?
Novitzky: Verunreinigtes Essen, Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente sind eine Wirklichkeit auf dem Markt. Allerdings sind alle Athleten der UFC hinsichtlich dieser Risiken geschult und erhalten zudem Mittel, um diese zu eliminieren. Letztendlich ist aber jeder für sich selbst verantwortlich und muss wissen, was er seinem Körper zuführt. Trotzdem wurden in den Anti-Doping-Regelungen Vorkehrungen geschaffen, die die Sanktionen mildern können. Vorausgesetzt der Athlet kann einwandfrei beweisen, dass er unbeabsichtigt gedopt hat.
SPOX: Sie haben bereits einiges erlebt, waren 22 Jahre lang für verschiedene Behörden in den USA tätig, entschieden sich jedoch letztes Jahr, als Vizepräsident für Gesundheit und Leistung der Athleten für die UFC zu arbeiten. Was bewog Sie zu diesem Schritt?
Novitzky: Ich habe den Job wirklich mit gebührender Sorgfalt angenommen. Mir wurde allerdings sehr früh bewusst, dass die UFC die Sache wirklich sehr ernst nahm. So gab man mir zu verstehen, dass die Verantwortlichen das beste Anti-Doping-Programm in der Welt des professionellen Sports aufbauen wollen. Das war also eine sehr seltene und einmalige Gelegenheit, um solch ein Programm von den Grundsteinen auf selbst aufzubauen und hat meine Entscheidung vereinfacht. Ich fühlte mich sehr angesprochen und musste nicht lange überlegen, um zu realisieren, dass dies etwas war, was ich unbedingt machen wollte.
SPOX: Die UFC kündigte ein "noch nie dagewesenes" Anti-Doping-Programm an. Was macht die Herangehensweise so besonders?
Novitzky: Zunächst einmal ist die größte Stärke des Programms, dass es unabhängig verwaltet wird. Während wir die Regeln verfassen, ist es trotzdem die USADA, die das Programm leitet. Das ist immens wichtig. Andere Programme haben zwar auch ihre Stärken, werden aber selbst kontrolliert. Das ist dann in etwa wie beim Fuchs, der das Hühnerhaus bewacht. Bei uns entscheidet allein die USADA, wer kontrolliert wird und vor allem wie oft. Die Kontrollen können dabei unangekündigt an irgendeinem Ort, an jedem Tag des Jahre stattfinden - auch die UFC weiß im Vorfeld nie davon.
SPOX: Unberechenbarkeit als großer Trumpf?
Novitzky: Es wird zumindest ein großes Schlupfloch geschlossen. Außerdem kümmert sich die USADA auch um die Verwaltung der Resultate. Somit existiert kein Interessenkonflikt und es ist egal, ob es sich um den bekanntesten Kämpfer in der UFC handelt. Die USADA behandelt alle gleich. Ihr geht es nur darum, die Rechte der sauberen Athleten zu beschützen.
SPOX: Könnte die Kollaboration mit der USADA nicht auch Probleme bergen? Don Catlin etwa ist äußerst skeptisch und behauptete unlängst, dass die USADA selbst mit Skandalen zu kämpfen habe.
Novitzky: Also erstmal möchte ich ausdrücken, wie sehr ich Catlin respektiere. Er hat mir in meiner Anfangszeit als Doping-Jäger sehr geholfen und ohne ihn hätte ich meine ersten Fälle auch nicht lösen können. Aber nein, ich habe überhaupt keine Vorbehalte gegenüber der USADA. Sie ist die am längsten bestehende nationale Anti-Doping-Behörde der Welt, hat bereits einige große Fälle gelöst und ich arbeite schon seit zwölf Jahren sehr eng sowie erfolgreich mit ihr zusammen. Ich habe deshalb vollstes Vertrauen.
SPOX: Sie haben in Ihrer Karriere schon zahlreiche große Namen überführt. Neben Lance Armstrong befinden sich auch Tim Montgomery, Marion Jones oder Barry Bonds auf der Liste. Bescheren Ihnen große Fische eine Extra-Motivation?
Novitzky: Nein, ganz und gar nicht. Als wir diesen Fällen damals nachgegangen sind, hatten wir nicht unbedingt die Athleten im Visier, sondern viel mehr die Lieferanten der Substanzen. Aber wir haben schließlich herausgefunden, dass einige der Abnehmer sehr bekannt waren und uns war dann natürlich klar, dass diese Fälle viel Aufmerksamkeit erregen werden. Und das sind letztendlich auch die Vergehen, denen man als Bundesbeamter nachgehen möchte, da sie den größten Einfluss haben.
SPOX: Also spielt ein Name wie Armstrong schon eine Rolle?
Novitzky: Wenn man dann von den Ermittlungen gegen Armstrong, die auf der ganzen Welt in den Medien zu finden waren, liest und selbst in Doping verstrickt ist, wird man sich zweimal überlegen, ob man diesen Weg weitergehen möchte. Wenn die Leute lesen, dass die Behörden Erfolge verzeichnen, dann erhöht dies die Hemmschwelle. Deshalb sind solche Fälle besonders wichtig, da sie eine wichtige Botschaft beinhalten.