Sie sprechen das gute Verhältnis zu Fritz Fischer an. So eine starke Beziehung hatten Sie nicht zu allen Trainern. In ihrem Buch thematisieren sie besonders Ihre unterschiedliche Auffassung in Bezug auf Höhentrainingslagern vor Großveranstaltungen. Wird beim DSV zu wenig individualisiert gearbeitet?
Schempp: Das kann man nicht allgemein auf den Verband abstempeln. Denn jeder Trainer hat individuelle Pläne. Ich bin aber ein absoluter Befürworter von Individualität, denn die letzten klitzekleinen Prozentpunkte liegen am Sportler selbst und diese sind für den Erfolg die entscheidenden. Im Endeffekt bist du aber als Sportler in einem System, da kannst du dir nicht immer alles aussuchen. Es ist legitim, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich war ab und an anderer Meinung, aber das ist in einer Gesellschaft normal. Damit muss man zurechtkommen und lernen, damit umzugehen.
Gab es dann regelrecht Differenzen mit Bundestrainer Mark Kirchner?
Schempp: Nein das nicht. Bei mir hat sich aber beispielsweise das Höhentrainingslager einfach nie positiv ausgewirkt. Nach einigen lehrreichen Jahren habe ich mich gefragt: Wieso muss ich das dann machen? Im Leistungssport reagiert jeder auf bestimmte Dinge anders. Aus Erfahrungen habe ich diese einfach nicht für meinen Körper als gut empfunden.
Haben andere Teammitglieder dies auch so gesehen?
Schempp: Speziell vor den Saisonhöhepunkten war das nur ich. Es gab aber in der Vergangenheit auch schon andere Sportler, die das genauso gesehen haben und sich dann zuhause individuell vorbereitet haben.
Biathlon - Schempp: Fourcade? "Hat alles ausgereizt, was Regeln entsprochen hat"
Eine gute Beziehung hatten Sie über all die Jahre im Weltcup-Zirkus zu Martin Fourcade. Er hat sogar das Vorwort zu Ihrem Buch geschrieben. Wie ist eine Freundschaft zum größten Rivalen überhaupt möglich?
Schempp: Dass man sich sportlich duelliert und auf persönlicher Ebene gut versteht, schließt sich nicht aus. Im Wettkampf ging es heiß her, da hat keiner dem anderen irgendetwas gegönnt. Aber wir konnten zwischen im und nach dem Wettkampf unterscheiden. Der gegenseitige Respekt war immer unheimlich hoch und die Rivalität wurde nach dem Rennen wieder beiseite gelegt. Ich persönlich habe unglaublich viel Respekt vor Martin, der diesem Sport über so viele Jahre seinen Stempel aufgedrückt hat. Er hat von sich selbst immer den Sieg erwartet. Zudem hat er dem Druck von außen immer standgehalten. Ich weiß, wie schwer so etwas ist. Er hat das über viele Jahre perfekt hingekriegt. Das fasziniert mich unheimlich an ihm.
Sie haben sogar mal kurz bei ihm gewohnt.
Schempp: Ja, das war 2016. Wir hatten die gleiche Skifirma, die Ihr Zentrum in der Nähe seines damaligen Wohnortes hatte. Wir waren dort zu einem gemeinsamen Termin eingeladen. Er hat mich gefragt, ob ich nicht schon ein paar Tage früher anreisen und bei ihm wohnen möchte. Wir haben dann gemeinsam trainiert. Das war eine tolle Geste, es war sehr schön, abseits des Wettkampfmodus Zeit miteinander zu verbringen. Wir haben uns durch die entspannte Atmosphäre noch besser kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt fand die Fußball-EM statt und wir haben uns Spiele gemeinsam angesehen, waren Essen und hatten einfach eine sehr schöne Zeit.
Bei aller Freundschaft: Aber seine Mätzchen auf der Strecke, wenn er beispielsweise über die gegnerische Matte beim Schießen gefahren ist, müssen Sie doch auch aufgeregt haben?
Schempp: Natürlich regt das einen ab und an auf. Aber für mich war er der intelligenteste Sportler auf der Strecke, weil er für alle unberechenbar war. Keiner wusste, was als Nächstes kommt. Unter dem Strich waren das einfach schlaue Aktionen. Er hat immer alles daran gesetzt zu gewinnen und dementsprechend alles ausgereizt, was den Regeln entsprochen hat.
Wurde dies untereinander dann wirklich nicht als unfair wahrgenommen?
Schempp: Selbstverständlich war Martin eine Person, die durchaus auch mal polarisiert hat. Sicherlich sind nicht alle immer gut mit ihm ausgekommen. Ich habe immer die Leistung honoriert. Das zeichnet für mich auch den Sportgeist aus, dass man anerkennt, wenn der andere einfach besser war. Dann gehört es sich für mich auch, zu gratulieren. Und beim nächsten Rennen hat man ja auch wieder die Chance, den Spieß umzudrehen.
Hegt man im Nachhinein wirklich keinen Groll, dass er beispielsweise beim olympischen Massenstart in Pyeongchang auf der Zielgeraden genau in die Spur gewechselt ist, in die Sie wollten und Sie damit ein wenig ausbremste?
Schempp: Nein hege ich nicht. Das war wieder ein Zug, der regelkonform ist. Es war am Ende extrem knapp (Fourcade gewann den Zielsprint nach Auswertung des Photofinish, Anm. d. Red.), aber ich war mit dem weltbesten Biathleten unterwegs auf der letzten Runde und habe den Endspurt wegen 14 Zentimetern verloren. Nichtsdestotrotz habe ich damit bei Olympia eine Silbermedaille gewonnen, was ich als riesigen Erfolge sehe.
Biathlon: Der Weltcup-Kalender in der Übersicht
Ort | Land | Datum |
Östersund | Schweden | 27. bis 28. November 2021 |
Östersund | Schweden | 2. bis 5. Dezember 2021 |
Hochfilzen | Österreich | 10. bis 12. Dezember 2021 |
Annecy | Frankreich | 16. bis 19. Dezember 2021 |
Oberhof | Deutschland | 6. bis 9. Januar 2022 |
Ruhpolding | Deutschland | 12. bis 16. Januar 2022 |
Antholz | Italien | 20. bis 23. Januar 2022 |
Kontiolahti | Finnland | 3. bis 6. März 2022 |
Otepää | Estland | 10. bis 13. März 2022 |
Oslo | Norwegen | 17. bis 20. März 2022 |