"Ich traue Susi einiges zu", sagt Riesch über ihre jüngere Schwester Susanne, "sie fährt konstant und verdammt schnell. Und sie kann hier sicher auf dem Podium landen." Die 22-jährige Susanne Riesch galt schon vor Jahren als eines der größten Versprechen des deutschen Skisports.
Doch erst jetzt in der Olympia-Saison hat sie ihr großes Potenzial auch auf die Piste gebracht. "Ich möchte noch eine Medaille, alles andere wäre ja auch Tiefstapelei. Aber ich habe auch die Susi auf der Rechnung", sagt Maria Riesch über die Kleine. Und Susanne hat nicht schlecht Lust, der Schwester einen Strich durch die Goldrechnung zu machen.
"Ich glaube, dass die Maria sehr heiß ist auf den Slalom. Aber da können viele gewinnen - auch ich", sagt Susanne vor ihrem ersten und einzigen Rennen bei den Winterspielen in Whistler. Den goldenen Moment hat sie sich schon ausgemalt. "Ich habe mal geträumt, dass ich Olympiasiegerin werde", sagt sie, beeilt sich aber hinzuzufügen: "Naja, sowas träumt ja jeder mal."
Maria Riesch: "Habe Susi oft getröstet"
Dennoch: Dass Susi ihrer drei Jahre älteren Schwester Maria in den Olymp folgt, hält nicht nur Frauen-Cheftrainer Mathias Berthold für denkbar. "Bei Susi ist scheinbar alles möglich", sagt er. Solche Prognosen begleiten Susanne Riesch schon, seit sie bei ihrem zweiten Weltcup-Slalom im November 2006 auf Platz fünf fuhr.
Doch der jähe Absturz erfolgte fast noch schneller als der Aufstieg in die Weltspitze: In acht der folgenden neun Torläufe schied sie aus. "Der erste Erfolg kam zu früh, sie wäre fast daran zerbrochen", sagt Berthold im Rückblick. Die ungleich erfolgreichere Maria sprach Susi in der schweren Zeit Mut zu. "Ich habe sie oft getröstet", sagt sie.
Letztlich hat sich Susanne aber selbst helfen müssen - und tat es, das Vorbild in der eigenen Familie vor Augen. "Je erfolgreicher Maria war, desto engagierter habe ich geabreitet", sagt sie, und Maria lobt: "Jetzt hat sie einen sehr guten Weg eingeschlagen."
Dieser Weg brachte dank besserer Athletik und gewissenhafter Trainingsarbeit (Berthold: "Sie ist zum Profi geworden") in diesem Winter den Durchbruch. Nach zwei vierten Plätzen stand sie in Are Mitte Dezember als Dritte erstmals auf dem Podium. In Zagreb wurde sie Dritte, in Maribor erneut Vierte, in Flachau führte sie nach Lauf eins.
"Bin eine andere Susi"
Auch wenn sie im Finale ausschied, hatte sie recht mit der Feststellung: "Ich bin eine andere Susi, wie ausgetauscht." Anders, das heißt: "Ich bin nicht mehr die kleine Schwester, sondern eine eigene Persönlichkeit, auch durch meine Erfolge. Ich muss mich nicht mehr mit ihr vergleichen lassen." Die Emanzipation manifestierte sich in Susannes Auszug aus dem Elternhaus und neuem Selbstbewusstsein.
"Ich schaue nach dem ersten Durchgang nicht, wo Maria liegt - sondern aufs Podest", sagt sie forsch. Gemeinsam wollen sie die Mitfavoritinnen Marlies Schild und Kathrin Zettel aus Österreich in Schach halten.
"Wir brauchen uns mit unserer starken Mannschaft nicht zu verstecken", sagt Maria Riesch. Auch Junioren-Weltmeisterin Christina Geiger sowie Fanny Chmelar könnten in die Medaillenränge vorstoßen, glaubt sie. Am meisten aber fürchtet die Weltcup-Führende ihre Schwester Susanne.