Stunde Null in Freiburg

Von Simon Valachovic
Christian Streich hat in Freiburg schwere Aufgaben vor sich liegen
© getty

Auf den Abstiegs-Schock folgte in Freiburg, was folgen musste: Die Breisgauer müssen einen Ausverkauf hinnehmen, die besten Spieler bleiben in Liga eins. Christian Streichs Aufgabe wird dadurch nicht leichter. Das bisherige Konzept soll aber beibehalten werden.

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Fassungslosigkeit war zu sehen, als man in die Gesichter der Freiburger Spieler nach dem letzten Spieltag in Hannover sah. Niedergeschlagen waren sie. Wie auch die mitgereisten Fans. Einige Male musste man sich die Augen reiben, um zu realisieren, was mit dem Schlusspfiff eingetreten war. Der SC Freiburg, einer der größten Sympathen der Bundesliga, war soeben abgestiegen.

Eine Woche zuvor noch hatte alles ganz anders ausgesehen. Den großen FC Bayern hatte man besiegt. Den deutschen Rekordmeister. Bezwungen, zuletzt im Jahr 1996. Einen großartigen Kampf lieferte die Freiburger Elf. Sie bewies vor allem Eines: Qualität für die erste Liga war allemal vorhanden. Frenetisch wurde nach Spielende gefeiert. Es wirkte, wie der vorzeitige Klassenerhalt.

Das (fast) Unmögliche tritt ein

Doch dann folgte das Drama von Hannover, das scheinbar Unmögliche. Ein zu passiver Auftritt. Ein Petersen, der wie so häufig nur als Joker eingesetzt wurde. Ein HSV, der gewann. Ein VfB Stuttgart, der ebenfalls siegte. Und ein SC Freiburg, der das Nachsehen hatte. Es war die einzig mögliche Konstellation, die Freiburg zu einem Absteiger hatte werden lassen.

Häufig fehlte das nötige Glück in der Saison. Zu oft war Pech gepaart mit Unvermögen der ständige Begleiter. Die späten Gegentore waren eine Plage, die man nicht abwenden konnte. Wie in Hamburg, als man kurz vor Schluss noch einen irregulären Gegentreffer hinnehmen musste. Zu oft waren Gegentore die Folge individueller Fehler. Sinnbildlich dafür das Eigentor von Pavel Krmas am letzten Spieltag in Co-Produktion mit seinem sonst so starken Torwartkollegen Roman Bürki.

Dazu eine viel zu fahrlässige Chancenverwertung, da Admir Mehmedi zu spät seine Form fand und Petersen allein nicht ausreichte. Es kam einfach zu viel zusammen. Das machte den Sportclub aus Freiburg letztlich zu einem der unverdientesten Absteiger der Bundesligageschichte. Fast jede außenstehende Person hätte dem Team von Christian Streich wohl den Klassenerhalt gewünscht.

Totaler Ausverkauf

Vor allem, weil die Südbadener einen Kader hatten, der individuelle Qualität vorweisen konnte. Was vor allem jetzt, zu Beginn der Transferperiode mehr als ersichtlich wird. Selten war ein Ausverkauf bei einem Absteiger so ausgeprägt, wie es seit einigen Wochen im Breisgau der Fall ist. Den Schweizer Nationalspieler Mehmedi zieht es zum möglichen Champions-League-Teilnehmer aus Leverkusen. Sein Landsmann Bürki schließt sich Thomas Tuchel in Dortmund, Oliver Sorg Hannover an. Auch Jonathan Schmid wird dem SC den Rücken kehren. Hoffenheim ruft.

Freiburg verliert seine Leistungsträger. Es war zu erwarten und dennoch ist es schwer zu verkraften. Nach einer über Jahre gewonnenen Stabilität in der ersten Liga, hatte man einen starken Kern in seinem Kader gefunden. Diesen jetzt zu verlieren, bedeutet für Freiburg nicht mehr und nicht weniger als einen kompletten Neubeginn.

Dass man bisher knapp 20 Millionen durch die Verkäufe einnehmen konnte, ist dabei nur ein schwacher Trost. Mit Mittelfeldstratege Darida wird höchstwahrscheinlich noch ein weiterer Leistungsträger die Stadt an der Dreisam verlassen. Insgesamt wird es laut Manager Jochen Saier wohl neun bis zehn Abgänge geben.

Nachwuchstalente als Antwort

Freiburg steht ein krasser Schnitt bevor, den man jedoch mit der gewohnten Ruhe und Gelassenheit angeht. Und auch mit der üblichen Herangehensweise. Der Verein am Schwarzwaldstadion hat in Deutschland die höchste Rate, was die Durchlässigkeit von Jugendspielern in den Profibereich betrifft. Dafür steht der Verein unter Präsident Fritz Keller mehr denn je. Und darauf wird man sich auch weiterhin verlassen.

Nachwuchstalent Lucas Hufnagl kommt aus Haching, Marco Hingerl wechselt aus der U-19 des FC Bayern an die Dreisam. Zusätzlich werden vier Perspektivspieler aus der eigenen Nachwuchsschmiede in den Profikader aufrücken. Großes Potenzial wird dabei vor allem Amir Falahen nachgesagt. Der Stürmer, den in der vergangenen Saison noch ein Kreuzbandriss am Debüt in der Bundesliga hinderte, gilt als schnell und abschlussstark.

Mit Vincenzo Grifo vom FSV Frankfurt hat man zudem einen Spielmacher gefunden, der in der letzten Saison sieben Treffer erzielte und neun weitere auflegen konnte. Damit gehörte er zu den Senkrechtstartern der vergangenen Spielzeit. Unterstützt wird er vom zwölfmaligen albanischen Nationalspieler Amir Abrashi, den man ablösefrei von den Grasshoppers aus Zürich nach Freiburg lotsen konnte.

Auch der Nachfolger von Roman Bürki ist gefunden: Alexander Schwolow wird nach seinem Leih-Ende von Aufsteiger Arminia Bielefeld zurückkehren.

Schuster als Konstante

Doch bei all der Rotation im Kader werden weiterhin einige Konstanten dem Verein erhalten bleiben. Da ist der Kapitän Julian Schuster, der im Saisonfinale zwar auf der Bank saß und einen sehr wichtigen Elfmeter auf Schalke verschossen hat. Dennoch ist er ein Typ, der für den SC Freiburg steht - wie kaum ein Zweiter. Er wird ein neues, junges Team anführen und seine Erfahrung einbringen können. Schuster erlebte in Freiburg schon die zweite Liga, stieg 2009 mit dem SC auf. Zudem werden von Spielern wie Felix Klaus, Maik Frantz, Sascha Riether, Marc-Oliver Kempf oder auch Marc Torrejon ein Großteil erhalten bleiben.

Zusätzlich wird man sicher noch nach dem ein oder anderen zweitligaerfahrenen Fußballer schauen. Denn es wird wichtig sein, Spieler zu haben, die es gewohnt sind, sich Woche für Woche in den Umkleidekabinen wie dem Hardtwaldstadion des SV Sandhausen umzuziehen. Und die Allianz-Arena plötzlich wieder ganz fern ist. Auch die durchaus körperbetontere Spielweise der zweiten Liga wird eine Umstellung, für die es Erfahrung braucht.

Vor Christian Streich stehen in der kommenden Saison viele neue Aufgaben, die es zu lösen gilt. Einen rundum erneuerten Kader muss er zusammenfügen, ein neues Team bilden, den Nachwuchs einbinden. Zudem noch die Umstellung auf die zweite Bundesliga hinbekommen. Diese ist ihm immerhin schon bekannt. Von 2007 an war er für Robin Dutt als Co-Trainer tätig. Auch wenn er sich dabei vor allem um den Nachwuchs sorgte: Ein Argument, das durchaus dafür spricht, dass er der Herkulesaufgabe gewachsen ist, die den Südbadenern bevorsteht.

Nürnberg und Co. als mahnende Beispiele

Dennoch, man kommt nicht drum herum. Es wird nicht einfach. Die letzten Jahre zeigen, wie schwer sich Absteiger aus der Bundesliga mit dem direkten Wiederaufstieg tun. Häufig spielen mittlerweile die Aufsteiger aus der dritten Liga eine bessere Rolle. Darmstadt, letzte Saison noch in der Relegation gegen Bielefeld, spielt künftig in der höchsten deutschen Spielklasse. Braunschweig oder Nürnberg hingegen, waren allenfalls Mittelmaß. Fürth, vor zwei Jahren noch Bundesligist, ist sogar fast abgestiegen.

Auch der SC Freiburg wird sich wohl zunächst auf ein Jahr der Eingewöhnung einstellen müssen. Dafür ist der Umbruch einfach zu groß. Alles andere wäre zumindest eine kleine Überraschung, da die Konkurrenz mit Leipzig, Kaiserslautern und Karlsruhe stark ist. Spätestens in drei Jahren sollte man Freiburg aber wieder für die erste Bundesliga auf der Rechnung haben. Die vielen Jahre in der ersten Liga haben den Sportclub finanziell stabiler werden lassen. Jahr für Jahr gab es hohe Einnahmen durch Spielertransfers, man spielte international, das neue Stadion wird spätestens 2019 fertiggestellt sein.

Jetzt also erst einmal der Neubeginn. Der wird seine Zeit brauchen. Zeit, die man in Freiburg mit seinen Strukturen und seiner Ruhe hat. Christian Streich ist trotz des Abstiegs nach wie vor Vieles zuzutrauen. Und dann gibt es ja noch die Jugendarbeit des Sportclubs, die überdurchschnittlich gut ist. Es spricht also doch noch Einiges für die Freiburger. Wenn auch nicht sofort. In naher Zukunft wird man aber sicher wieder an die Tür zur Bundesliga klopfen können.

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