Warum Robin Dutt bleiben sollte

Von Simon Valachovic
Robin Dutt könnte beim VfB Stuttgart vor dem Aus stehen
© getty

Der VfB Stuttgart steigt in die zweite Bundesliga ab. Die Trainer scheiterten, die Defensive wurde nie adäquat verstärkt. Viele sehen den Schuldigen in Robin Dutt. Doch ist das wirklich so? Und wäre seine Entlassung der richtige Schritt für einen Neustart? Definitiv nicht, meint Page 2-Autor Simon Valachovic.

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Da ist es also passiert. Der VfB wird ab der kommenden Saison zweitklassig spielen. Nach 40 Jahren in der ersten Bundesliga. Man kann wohl vom Abstieg des Jahrhunderts sprechen. Ein Verein, der in seiner Geschichte lediglich zwei Jahre nicht erstklassig war, muss runter. Einen Abstieg von ähnlichen Dimensionen gab es zuletzt wohl vor 20 Jahren - 1996 erwischte es Kaiserslautern.

Die Konsequenzen? Hört man sich bei den VfB-Fans um, so ist die Mehrzahl der Meinung, dass am besten Köpfe rollen sollten. Nach Bernd Wahler und Jürgen Kramny also auch Robin Dutt. Viele Anhänger des VfB skandierten schon nach der Niederlage gegen Mainz lauthals "Vorstand raus!".

Und ja, es gibt Argumente, die diese Sicht durchaus nachvollziehbar erscheinen lassen. Beide Trainer, die Dutt bisher auswählte, erwiesen sich als Flops. Zunächst Alexander Zorniger, Sturkopf und scheinbar unbelehrbar. Dann Jürgen Kramny mit fehlender Erfahrung im Abstiegskampf. Dazu der Transfer von Antonio Rüdiger, der sich wie ein Kaugummi durch die Vorbereitung zog. Ein adäquater Ersatz? Konnte nicht verpflichtet werden. Toni Sunjic und Federico Barba blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Zudem fehlte bis zuletzt auch eine Alternative für Abräumer Serey Dié.

Ein schleichender Prozess

Doch sind das wirklich die ausschlaggebenden Gründe für den Abstieg? Ein Bestandteil definitiv. Doch Dutt die ganze Schuld zuzuschieben? Ist mir zu einfach.

Der Abstieg ist durch einen schleichenden Prozess über viele Jahre entstanden. Zu hoch dotierte Spielerverträge und haufenweise Fehltransfers unter Horst Heldt, der den Verein letztlich verließ, als er ihn zugrunde gewirtschaftet hatte. Sein Nachfolger Fredi Bobic sah bei seiner Transferbilanz noch schlechter aus, führte den VfB erstmals seit Anfang des 21. Jahrhunderts wieder in den Abstiegskampf.

Nebenbei ließ er zahlreiche Spieler und Mitarbeiter ziehen. Deren Auswüchse wurden erst in den vergangenen Monaten deutlich. Sei es Leno in Leverkusen, Kimmich bei Bayern München oder die Nachwuchsleiter Schrof und Albeck, die zuvor Jahrzehnte im Verein tätig waren und jetzt mit Leipzig aufsteigen. Nachwuchs im Profikader? Seitdem Mangelware. Die Verlängerung mit Bruno Labbadia kostete zudem viel Geld, Thomas Schneider und Armin Veh waren auch keine wirklichen Glücksgriffe.

Die umgekehrte Dynamik

Dutt musste einen Scherbenhaufen übernehmen, war zunächst als Krisenmanager gefordert. Er hielt an Huub Stevens als Trainer fest, verpflichtete Dié. Der Klassenerhalt war damit erreicht. Und auch die weiteren Transfers lassen sich bilanzierend als ausgeglichen bewerten. Ausgeglichen mag jetzt nicht besonders überzeugend klingen. Doch ist es im Vergleich zu seinen Vorgängern durchaus bemerkenswert - was wiederum irgendwie erschreckend ist.

Das eigentliche Problem dieser Saison ist die umgekehrte Dynamik. Während der letzten Jahre rollte der VfB im Abstiegskampf das Feld immer von hinten auf. Das Momentum war auf Seiten von Stuttgart. Die Mannschaft und das Umfeld waren bis zuletzt an den Kampf im Keller gewöhnt. Man war somit vor allem zum Saisonfinale immer bereit, um die entscheidenden Spiele zu gewinnen. In dieser Saison nicht.

Dass eine Siegesserie einem Verein schaden kann - unfassbar aber wahr. Die Einstellung und die nötige Anspannung für den Klassenerhalt waren somit frühzeitig dahin. Da dachte man zu Beginn der Saison, dass man endlich mal einen Spielplan mit einem einfachen Start habe. Die Jahre zuvor kamen die starken Gegner zu Beginn, die schwachen zuletzt. Zwischenzeitlich hatte man in dieser Rückrunde drei Heimspiele in Folge Leverkusen, Bayern München und Borussia Dortmund zu Gast. Keine Chance, in einem Heimspiel einen vermeintlich einfachen Gegner zu schlagen und somit der perfekte Beginn für eine Negativspirale, die letztlich nicht mehr zu stoppen war.

Ein ähnliches Schicksal, wie es Eintracht Frankfurt 2011 bei ihrem letzten Abstieg erging. Vom Mittelfeld der Tabelle bis hin zum direkten Abstieg durchgereicht. Ironie des Schicksals: Genau diese Eintracht, scheinbar schon abgeschrieben in dieser Saison, hat eine beeindruckende Aufholjagd gestartet.

Verheerende Verletzungen

Dazu kamen Verletzungen, die schlimmer nicht hätten sein können. Da verpflichtet man endlich Typen wie Dié oder Großkreutz, die eine Mannschaft mitreißen können und sie verletzen sich. Vor allem durch die Verletzung Diés verlor das Mittelfeld seine Stabilität und die Abstimmung mit der Abwehr ging flöten. Außerdem gibt es da ja auch noch Daniel Ginczek, letztes Jahr noch der Held am letzten Spieltag in Paderborn. Der erste überzeugende Stürmer im Trikot des VfB seit Mario Gomez und Cacau - dann reißt sich dieser nach überstandender Rückenverletzung das Kreuzband.

Wären diese Spieler fit geblieben, der VfB könnte entspannt von einem gesicherten Mittelfeldplatz grüßen. Hätte Dutt all das mit einkalkulieren müssen? Schwierig, wie ich finde. Von solch einem Pech kann man nur schwer ausgehen und das kann kein Verein so einfach auffangen. Gehört aber wohl zu einem Absteiger dazu.

Personalfluktuation ist keine Erfolgsgarantie

Und jetzt mal ganz rational gedacht: Welchen Sinn hätte es, Robin Dutt jetzt zu entlassen? Bernd Wahler und Jürgen Kramny haben bereits ihre Koffer gepackt. Man braucht also einen neuen Präsidenten und Trainer. Dazu also noch einen Sportvorstand? Allesamt ausgewählt von einem Aufsichtsrat, der kaum über sportliche Kompetenzen verfügt?

Die zweite Liga startet deutlich früher als das Oberhaus. Man muss einen neuen Kader planen, viele Spieler werden den Verein verlassen. Würde Dutt entlassen, wer würde das auf die Schnelle übernehmen? Wer würde den neuen Sportvorstand, wer den Trainer verpflichten? Und das alles relativ zeitnah. Und wer wäre eine geeignete Alternative für Dutt? Außer Frage steht, dass Dutt Unterstützung benötigt. Einen Manager, der ihm unter die Arme greifen kann. Dafür hat er bereits drei Kaderplaner in den Verein geholt. Eine Entlassung wäre für mich eine Kurzschlussreaktion, die für eine kurze Befriedigung bei den Fans, aber dauerhaft zu noch mehr Schaden führen könnte.

Und wenn man sich die Vereine anschaut, die zuletzt den direkten Wiederaufstieg geschafft haben wird deutlich, dass man auch mit dem Festhalten an bestehendem Personal wieder erfolgreich sein kann.

Da wäre Hertha BSC, bei der trotz zweier Abstiege immer noch Michael Preetz in der Verantwortung steht. Er schaffte beide Male den direkten Wiederaufstieg. Da wäre Eintracht Frankfurt, die sich auf den sehr erfahrenen Heribert Bruchhagen verlassen konnten. Auch ihm gelang die direkte Rückkehr in die erste Liga. Und auch Freiburg setzte auf Konstanz mit Christian Streich, Klemens Hartenbach und Jochen Saier. Und was eine hohe Personalfluktuation bringt, sieht man bekanntermaßen an Kaiserslautern oder 1860 München. Diese bleiben seit Jahren hinter ihren Erwartungen zurück.

Die Basis für die zweite Liga steht

Das alles heißt nicht, dass ich die Arbeit von Robin Dutt für tadellos halte. Nur sehe ich seine Bilanz insgesamt nicht gänzlich negativ. Dutt hat den Verein in einer Situation übernommen, bei der klar war, dass wenige Fehler zu einem Abstieg führen können. Das Problem hatten seine Vorgänger nicht.

Bei Heldt ging es primär darum, ob man europäisch spielt, oder nicht. Er konnte Fehler auf einem sportlich anderen Niveau machen. Unter Bobic waren andere Vereine einfach noch schlechter. Das eine Mal Braunschweig, das andere Mal Paderborn. Man konnte sich darauf verlassen, dass die anderen sowieso auch verlieren werden. Und diese Saison? Da konnten Darmstadt und Ingolstadt überraschen, Frankfurt eine Siegesserie starten. Stuttgart hingegen erwischte die umgekehrte Dynamik und viel Verletzungspech.

Wenn man jetzt mal kommende Spielzeit betrachtet - die bisherigen Zusagen für die zweite Bundesliga von Spielern wie Großkreutz, Gentner, Ginczek oder auch Langerak stimmen positiv. Und ja, eines ist auch klar. Robin Dutt wird sich am direkten Wiederaufstieg messen lassen müssen. Gelingt ihm das nicht, wird es keine letzte Chance mehr für ihn geben - falls er diese überhaupt noch bekommt. Meinen Segen hätte er jedenfalls.

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