SPOX: Wie hat sich die Wahrnehmung am Campus verändert?
Harris: Gott sei Dank überhaupt nicht. An der Universität geht es zu wie in einer Familie. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ein Stück Fleisch wäre, das vor die Meute geworfen wird, wenn es mal nicht so läuft. Die Kommilitonen spüren, dass wir Sportler unter einem großen Druck stehen, und unterstützen uns.
SPOX: Die Vorsaison verlief nicht nur für Sie, sondern für die gesamte Mannschaft enttäuschend. Wie ist die Stimmung in der Kabine?
Harris: Deutlich besser als in meinen ersten beiden Jahren. Früher gab es den einen oder anderen Spieler, der dachte, dass er besser sei als die anderen und mehr Minuten verdient hätte. Wenn sie dennoch auf der Bank saßen, ließen sie ihren Frust raus. Jetzt stimmt die Chemie. Die Freshmen sind sehr gute Basketballer, die auch menschlich reinpassen.
SPOX: Welchen Eindruck macht Ihr deutscher Mitspieler Mathis Mönninghoff, der mit 4,3 Punkten in 13,4 Minuten und 45,8 Prozent getroffenen Dreiern ein ordentliches erstes College-Jahr ablieferte?
Harris: Mit dem ersten Jahr kann er voll zufrieden sein, bedenkt man, dass für ihn alles neu war. Jetzt hat er sich an alles gewöhnt und im Sommer angedeutet, dass er den nächsten Schritt gegangen ist. Vom ihm erwarte ich einiges.
Elias Harris anno 2010: "Die Mavericks wären optimal"
SPOX: Sie sind im dritten College-Jahr und damit automatisch einer der Erfahrenen. Liegt Ihnen diese Rolle?
Harris: Es ist ein schönes Gefühl, als Führungsspieler voranzugehen und nicht immer folgen zu müssen. Ich weiß um die Verantwortung, dass wir erfahrenen Spieler ein Vorbild für die anderen sein müssen. Das Erreichen des Final Four wird allmählich Zeit. Das schaffen wir jedoch nur, wenn wir als Team alles geben. Das möchte ich vorleben.
SPOX: Ist Ihnen das Erreichen des Final Four so wichtig, weil Sie wissen, dass die kommende Saison Ihre gesamte Karriere definieren könnte?
Harris: Ich muss zugeben: Das dritte Jahr wird sehr, sehr wichtig. Alleine schon dewegen, weil ich ein Jahr älter bin als die anderen Juniors. Nach dieser Saison weiß ich, wohin es geht. NBA, Europa, ein weiteres Jahr bei Gonzaga, alles ist möglich.
SPOX: In der Fachwelt haben Sie bereits an Reputation zurückgewonnen. In einem Ranking von "CBS" gehören Sie zu den Top-20-Draft-Kandidaten. Und Sie wurden auf die Liste von 50 Spielern gesetzt, denen der Gewinn des John-Wooden-Awards als bester College-Basketballer des Jahres zugetraut wird. Wie sehr freut es Sie?
Harris: Ich bekomme es mit, aber ich lese mir nichts durch. Wie gesagt: Den gleichen Fehler begehe ich nicht noch einmal.
SPOX: Vor einem Jahr sagte nicht nur Dirk Bauermann, dass Sie sich als Small Forward spezialisieren müssten, um eine Chance auf die NBA zu haben. Als Power Forward seien Sie zu klein. Wurden Sie bei Gonzaga wie geplant als Small Forwad eingesetzt?
Harris: Anfang der Saison probierten wir es aus, doch weil es für die Mannschaft insgesamt nicht gut lief, entschloss sich Coach Mark Few dazu, dass jeder dort spielen soll, wo er am wertvollsten ist - und für mich war es definitiv die Power-Forward-Position. Das habe ich vollkommen verstanden.
SPOX: Obwohl es Ihre NBA-Pläne gefährdet?
Harris: So dramatisch sehe ich das nicht. In Europa könnte ich auf beiden Positionen spielen. Aber auch für die NBA sehe ich nicht schwarz. Nehmen wir Shawn Marion: Er misst wie ich 2,01 Meter und startet in Dallas als Small Forward, dennoch ist er als Power Forward genauso stark. Bei Corey Maggette ist es ähnlich. Es gibt zwar keine genaue Bezeichnung, aber zu dieser Art von Spielern gehöre ich.
SPOX: Genau diese Art von athletischen Forwards ging der deutschen Nationalmannschaft bei der EM ab. Wie sehr hätte ein fitter Elias Harris helfen können?
Harris: Ich habe auf "ESPN3" alle Spiele live verfolgt und es tat weh zu sehen, dass es nichts mit dem Olympia-Qualifikationsturnier wurde. Unabhängig von meiner Person: Etwas mehr Athletik hätte dem Team nicht geschadet. Alleine die Niederlage gegen Frankreich hat gezeigt, dass der athletische Faktor bei uns nicht so gegeben war.
SPOX: Neben Heiko Schaffartzik war Ihr gleichaltriger Freund Robin Benzing die positive Erscheinung. Haben Sie ihm nach der schwachen WM eine solche Steigerung zugetraut?
Harris: Ich kenne Robin schon ewig und jeden Sommer dachte ich mir: 'Aus dem wird doch nie was!' Und dann kommt er zurück und Jahr für Jahr hat er mich eines Besseren belehrt und sich unglaublich verbessert. Daher traue ich ihm mittlerweile alles zu. (lacht)
SPOX: Für den nächsten Karriereschritt entschloss sich Benzing, zum FC Bayern zu wechseln. War München für Sie eine Option?
Harris: Es gab nie ein Angebot, daher musste ich nicht überlegen. Wenn doch etwas gekommen wäre, hätte ich mir wahrscheinlich schon einige Dinge durch den Kopf gehen lassen. Aber mein Hauptziel bleibt ohne Wenn und Aber die NBA. Dafür habe ich im Sommer geschuftet wie noch nie. Nach dieser Saison sehen wir, was passiert.