NBA

250.000 gut investierte Dollar

Von Philipp Dornhegge
Tim Duncan hatte mit 27 Punkten und 15 Rebounds entscheidenden Anteil an San Antonios Sieg
© spox

Mit einem 99:95-Sieg nach Overtime über die Memphis Grizzlies (12-3) haben sich die San Antonio Spurs (14-4) in der Southwest Division an den direkten Konkurrenten herangepirscht.

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Dank Tony Parker (30 Punkte) und Tim Duncan (27 Punkte, 15 Rebounds) fuhren die Texaner den 14. Saisonsieg ein und liegen nur noch hauchdünn hinter dem Team von Coach Lionel Hollins.

Schlaglichter: Mavericks stoppen Abwärtstrend

Dabei sah Memphis nach dem dritten Viertel schon wie der sichere Sieger aus, als es mit 73:60 führte und selbst die Fans im AT&T Center zu San Antonio nicht mehr an ihre Mannschaft zu glauben schienen.

Doch Gregg Popovichs Verzweiflungsmaßnahme, seine Reservisten ins kalte Wasser zu werfen, entpuppte sich im Nachhinein als Geniestreich.

Denn Matt Bonner, Patty Mills und Co. starteten einen Lauf, brachten das Publikum auf Touren und rissen die Starter mit. In der Crunchtime waren dann die etablierten Kräfte zur Stelle, während den Grizzlies die Energie für ein letztes Aufbäumen fehlte.

Reaktionen:

Gregg Popovich (Trainer San Antonio): "Unsere zweite Garde hat super gespielt. Sie waren offensiv sofort heiß, und auch defensiv haben sie uns weitergeholfen. Das hat uns im letzten Viertel zurück ins Spiel gebracht."

Tim Duncan (San Antonio)...

... zu seiner Leistung: "Ich bin gut reingekommen und habe einige Würfe getroffen. Nach der Halbzeit ging es mir wie der gesamten Mannschaft. Ich habe furchtbar gespielt, die Grizzlies haben uns an die Wand gespielt. Zum Glück waren unsere Reservisten zur Stelle."

... zum Stellenwert der Partie: "Das war wie eine Playoff-Partie. Memphis hat nicht umsonst die beste Bilanz im Westen und spielt klasse Basketball. Insofern war es ein toller Sieg für uns."

... über die Verletzten: "Kawhi Leonard und Stephen Jackson fehlen uns sehr, wir haben kaum noch Leute, die Small Forward spielen können. Jetzt müssen sogar Boris Diaw oder Matt Bonner da aushelfen, weil es nicht anders geht. Heute hat es zum Glück gereicht, aber wir hoffen, dass beide so schnell wie möglich wieder fit sind."

Tony Parker (San Antonio)...

... über die Intensität im Spiel: "Es war eine sehr intensives, sehr körperbetontes Spiel, das uns alles abverlangt hat. Im dritten Viertel hatten wir einen Hänger, aber im vierten Viertel und der Overtime waren wir wieder da. Ich war überhaupt nicht müde, hatte auch gegen Ende noch genug Energie."

... über Popovichs Maßnahme, die Starter gegen Miami zu schonen: "Ich bin immer auf Pops Seite. Er hat viel für meine Karriere getan und denkt immer zuerst an seine Spieler. Weil er solche Entscheidungen trifft, halte ich seit so vielen Jahren gut durch und kann trotzdem im Sommer mit dem Nationalteam spielen."

Mike Conley (Memphis): "Das war echte Playoff-Atmosphäre, aber es hat uns gar nichts ausgemacht. So ist es immer, wenn wir gegeneinander spielen, wir waren darauf vorbereitet und konnten gut damit umgehen. Wir brauchen keine Ausreden, auch nicht die, dass wir gestern schon gespielt haben. Wir hätten das Spiel gewinnen können und haben es verbockt."

Der Spielfilm:

Vor dem Tipoff: Die Spurs treten nach dem Auswärtsspiel in Miami wieder mit Parker, Duncan und Green in der Starting Five an, dazu starten Blair und Neal als Ersatz für Leonard (Knie).

Die Grizzlies beginnen mit Conley, Ellington spielt zum zweiten Mal für den angeschlagenen Edelverteidiger Allen, außerdem Gay, Randolph und Gasol.

6.: Duncan mit dem ersten Ausrufezeichen. Zunächst schindet er mit einer Schauspieleinlage unter dem eigenen Korb ein Loose Ball Foul gegen Gasol, dann erteilt er dem Spanier im nächsten Angriff eine Lehrstunde in Sachen Footwork - und schließt mit einem krachenden Dunking ab! 11:10 Spurs.

12.: Neal versemmelt zwei offene - wenn auch überhastete - Dreier, doch die Spurs holen sich jeweils den Ball wieder. Den dritten Wurf vergibt Green aus der Ecke. Memphis schmeißt nach dem Rebound in Form von Reserve-Guard Bayless den Turbo an, er zieht zum Korb und bekommt zwei Freiwürfe - beide drin. Die Grizzlies nehmen eine hauchdünne Führung mit in die erste Viertelpause, 22:21.

22.: Die Grizzlies mit zwei überflüssigen Ballverlusten in Folge, San Antonio nutzt den zweiten für leichte Fastbreak-Punkte. Doch gleich im Anschluss trifft Gay per Pull-Up-Jumper, Randolph besorgt anschließend sogar wieder die Führung. 38:37 Grizzlies.

29.: Endlich kommt Memphis mal ins Laufen! Duncan hat einen sicheren Layup vor Augen, rechnet aber nicht mit den schnellen Händen von Ellington, der ihm den Ball aus den Händen schlägt, sofort umschaltet und im Fastbreak den völlig frei stehenden Conley unter dem Korb findet. 57:50 Grizzlies, Auszeit Spurs.

34.: Die Gäste kommen ins Rollen, San Antonio entgleitet die Partie: Conley bricht aus dem Pick'n'Roll mit Arthur aus und bedient Gasol im Lowpost, der wiederum mit herrlichem Bodenpass auf den zum Korb ziehenden Arthur. Der Big Man mit einem krachenden Dunk zum 69:58, anschließend San Antonio mit drei Ballverlusten in Serie - und Memphis mit zwei Gasol-Jumpern. Ende des dritten Viertels führen die Grizzlies mit 73:60.

41.: Was ist denn hier los? Mills für drei, Bonner für drei, Mills und Neal mit Layups, plötzlich steht es nur noch 76:72 für die Grizzlies. Die Spurs-Fans sind dank der Reservisten da, das Spiel ist wieder völlig offen.

48.: Manu für drei, Ausgleich! Es steht 87:87, Memphis kann keine Antwort mehr geben. Es geht in die Overtime.

53.: San Antonio mit fünf Punkten vorn, als Conley per Dreier trifft. Im anschließenden Angriff bringt Neal keinen richtigen Wurf zustande, doch Bayless schmeißt die Kugel direkt wieder ins Aus. Das war Memphis' Chance zum Ausgleich - vertan.

Der Star des Spiels: Tony Parker. Es war der kleine General des Teams, der die Spurs in der schwachen ersten Hälfte im Spiel hielt, als nur er und Duncan die Grizzlies vor Probleme stellten. Seine Drives zum Korb, seine kleinen, für jeden Verteidiger unangenehmen Bewegungen und seine Ballsicherheit diktierten das Offensivspiel der Gäste. Zwar tauchte Parker im dritten Viertel (wie sein gesamtes Team) zeitweise ab, in der Crunchtime war er dann wieder voll da: Die ersten sechs Punkte der Overtime gingen allesamt auf das Konto des Franzosen, in den letzten Sekunden brachte er den Sieg mit zwei eiskalt verwandelten Freiwürfen nach Hause.

Der Flop des Spiels: Zach Randolph. In punkto Einstellung war Z-Bo an diesem Abend kein Vorwurf zu machen. 15 Rebounds, allein 8 davon in der Offense sprechen für den Kampfgeist des Power Forwards. Allerdings war keinem Spieler deutlicher anzusehen, dass Memphis erst am Vorabend gespielt hatte. Coach Hollins ließ seine Starter schon in der ersten Halbzeit viele Minuten spielen, Randolph bezahlte im zweiten Durchgang dafür, als er nicht einmal mehr einfachste Korbleger traf. In der Crunchtime vergab er wichtige Würfe kläglich - und stand am Ende bei 5 von 21 aus dem Feld. Auch schwach, aber nicht mit Müdigkeit zu erklären: die Quoten der Bankspieler Speights, Pondexter und Bayless (zusammen 3 von 20).

Analyse: Entwickelt sich hier eine kleine Rivalität? Nachdem die Grizzlies vor zwei Jahren in der ersten Playoff-Runde sensationell schon Endstation für die damals deutlich stärker eingeschätzten Spurs gewesen waren, gewann San Antonio in der letzten Saison alle vier Regular-Season-Duelle - und revanchierte sich so zumindest teilweise für das so bittere Aus.

2012 gehören beide Teams zur Creme de la Creme des Westens, entsprechend gespannt wurde auf das erneute Duell geschaut. Der Stellenwert der Partie lässt sich ganz einfach bemessen, wenn man bedenkt, dass San Antonios Coach Gregg Popovich im Spiel in Miami auf Parker, Green, Ginobili und Duncan verzichtete und eine 250.000-Dollar-Strafe akzeptierte, damit seine vier zentralen Spieler nach einem langen Auswärtstrip fit für Memphis sein mögen.

Wer nun eine furiosen Auftakt der Gastgeber erwartete, sah sich schnell getäuscht. Die Grizzlies mit ihrem super-toughen Frontcourt machten den Spurs das Leben von Anfang an schwer, mit ihrer Defense machten sie das Spiel langsam und offensiv gingen sie methodisch zu Werke. Fast alle Angriffe liefen zu Anfang über Marc Gasol und Zach Randolph, besonders Gasol konnte sich gegen Duncan häufig in Szene setzen.

Nur Parker und Duncan überzeugen in Hälfte eins

San Antonio kam vor allem über seinen pfeilschnellen Point Guard Tony Parker, der entweder selbst in Korbnähe abschloss oder auf Duncan ablegte. Genau da zeigte sich aber auch das große Problem der Spurs: Außer Parker war kaum einmal jemand in der Lage, gegen Memphis Würfe für sich oder einen Mitspieler zu kreieren, es gab wenig Penetration, einzig Duncan wusste sich im Lowpost zur Wehr zu setzen. Auch Ginobili fand kaum statt.

Und so musste Parker mehr spielen, als Popovich eigentlich lieb gewesen sein dürfte. Aber noch mal: Aufgrund des Stellenwerts der Partie blieb den Spurs nichts anderes übrig.

Die Grizzlies hatten allerdings auch so ihre Probleme: Im Rebound waren die Gäste weniger dominant als erwartet, San Antonio vermied leichte Ballverluste und Fastbreaks des Gegners, und dann kassierte Gasol gegen Duncan auch noch früh sein drittes Foul. Die Quoten beider Teams waren in diesem nach Playoffs schreienden Matchup zunächst unterirdisch.

Reservisten schaffen die Wende

Erst in Hälfte zwei lief es flüssiger - wenn auch zunächst nur für die Grizzlies. Zu San Antonios Problemen mit offenen Würfen gesellten sich nun auch noch zahlreiche Ballverluste, während bei Memphis Gasol regelrecht aufdrehte: Jumper über Jumper ließ es der Center regnen, auf das Pick'n'Pop der Gäste reagierten die Spurs mit Hilflosigkeit.

Als die Partie zu Beginn des vierten Viertels gelaufen schien, warf Popovich seine Reservisten ins kalte Wasser - und wurde selbst überrascht: Patty Mills, Matt Bonner und Co. starteten einen Lauf, der schon 7:50 Minuten vor Schluss zum 72:76 führte.

Nach dem Spiel gegen Detroit am Vorabend hätten die Grizzlies nun den Kräfteverschleiß spüren sollen, aber nichts da: Memphis biss sich am Gegner fest, brach eben nicht ein und blieb dank hervorragender Arbeit am offensiven Brett stets in Führung.

Grizzlies in der Overtime saft- und kraftlos

Bis Manu Ginobili nach schwachem Auftritt seine einzige positive Aktion hatte und per Dreier zum 87:87 traf. Es ging in die Overtime, dort machte sich die Müdigkeit der Gäste nun doch bemerkbar. San Antonio war schnell vorn und schaute nicht mehr zurück.

Die Grizzlies kämpften, hatten sogar noch mal die Chance zum Ausgleich, aber Bayless' Ballverlust elf Sekunden vor Schluss entschied letztlich das Spiel. Allerdings: Die Schiedsrichter übersahen zuvor eine Shot Clock Violation der Spurs und ein Foul von Ginobili an Gay bei eben jenem Bayless-Turnover.

In einem zunächst zähen, dann aber packenden West-Gipfeltreffen hatte San Antonio den längeren Atem und in den entscheidenden Momenten das Glück auf seiner Seite. Und es kann natürlich nie schaden, wenn mit Parker und Duncan die beiden wichtigsten Spieler in Bestform auftreten.

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