SPOX: Herr de Colo, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag steht der NBA-Draft an. Wie werden Sie dieses Ereignis verfolgen?
Nando de Colo: Ich weiß noch nicht, ob ich es mir live im Fernsehen anschauen werde. Doch ich bin auf jeden Fall sehr gespannt darauf. Man hört momentan so viel darüber, das Medieninteresse am Draft ist enorm. Obwohl die Finals seit ein paar Tagen zu Ende sind, steht die NBA immer noch dick in den Schlagzeilen. Dem Draft sei Dank.
SPOX: Gibt es irgendwelche Spieler, auf die Sie im Draft besonders achten?
de Colo: Spezielle Namen möchte ich jetzt nicht nennen. Wer weiß, mit wem ich später mal zusammenspiele und wer sich von meiner Prognose auf den Schlips getreten fühlen könnte. (lacht) Aber es ist definitiv so, dass viele Namen in der Diskussion sind. Die Topspieler des Drafts kennt man dank der breiten Berichterstattung schon ziemlich gut.
SPOX: Kennen Sie dann auch Dennis Schröder, den jungen Point Guard aus Deutschland?
de Colo: Ja, ich habe ein paar Bilder von ihm während eines Workouts im TV gesehen. Kommt er wirklich aus Deutschland?
SPOX: Er ist Deutscher, seine Mutter stammt aus Gambia.
de Colo: Okay, alles klar. Ich kann allerdings kaum etwas über ihn sagen. Da wir mit den Spurs in den Finals gespielt haben, war mein zeitliches Pensum begrenzt, um mir alle potenziellen NBA-Neulinge genau anzuschauen. Aber dann werde ich ihn ja im September in Slowenien näher kennenlernen. Dort bei der EM spielen wir gegen Deutschland ja schon in der Gruppenphase.
SPOX: Welche Erinnerungen haben Sie an den Draft 2009?
de Colo: Das war für mich etwas ganz Besonderes und Neues. Vor diesem außergewöhnlichen Draft-Abend hatte ich für die Spurs in der Summer League in Las Vegas gespielt. Diese Tage werde ich nie in meinem Leben vergessen, weil dies mein allererster Aufenthalt in den USA gewesen ist! Als ich schließlich an 53. Stelle gezogen wurde, war meine Freude riesengroß.
SPOX: Allerdings mussten Sie bis zur Saison 2012/13 warten, ehe Sie Ihr NBA-Debüt feiern durften. Waren Sie immer überzeugt, dass Sie von den Spurs noch in die NBA geholt werden?
de Colo: Puh, gute Frage. Selbst hatte ich darauf ja keine Einflussmöglichkeiten. Die gesamte Entscheidungsgewalt lag bei den Spurs. Ich habe zu dieser Zeit in Spanien gespielt und sehr hart an mir gearbeitet. Jedes Jahr habe ich gehofft, dass ich den entscheidenden Anruf der Spurs erhalte. Doch ich musste Geduld aufbringen. Zu Beginn der Saison 2009/10 hatte ich einen Dreijahresvertrag in Valencia unterschrieben. Als dieser 2012 ausgelaufen war, erhielt ich endgültig die Nachricht der Spurs, dass sie mich für die folgende Saison einplanen. Die Freude war riesengroß, dass sich meine Arbeit ausgezahlt hat. Für das Leben habe ich dabei gelernt: Man muss Geduld haben und darf niemals aufgeben.
SPOX: Gleich in Ihrer ersten NBA-Saison standen Sie mit den Spurs in den Finals...
de Colo: Das war eine großartige Erfahrung! Als ich im vergangenen Sommer nach San Antonio gekommen bin, hatten wir von Beginn an hochgesteckt Ziele. Intern haben wir immer gesagt, dass wir unbedingt zurück in die Finals kommen wollen. Es ist sehr schade, dass wir die große Chance nicht genutzt haben, den Titel tatsächlich zu gewinnen. Trotzdem war es für mich als NBA-Neuling eine sehr wertvolle Erfahrung, die Finals erlebt zu haben.
SPOX: Allerdings standen Sie im Laufe der Saison nur 12,8 Minuten im Schnitt pro Spiel auf dem Feld, in den Finals sogar nur 2,5 Minuten.
de Colo: Dies war mein erstes Jahr in der NBA. Von daher konnte ich noch keine allzu großen Forderungen stellen. Stattdessen habe ich versucht, mein Wissen über die Spielweise in der NBA kontinuierlich zu erweitern. Wenn man sich die Regeln und die Systeme hier in den USA betrachtet, ist das schon etwas anderes als in Europa. Doch ich habe hart an mir gearbeitet und bin nun bereit für den nächsten Schritt.
SPOX: Bevor Sie in die NBA kamen, haben Sie in Frankreich und in Spanien gespielt. Wie würden Sie den Unterschied des amerikanischen und des europäischen Basketballs beschreiben?
de Colo: In der NBA wird viel, viel schneller als in Europa gespielt. In den Angriffen wird häufig schon in den ersten Sekunden der Abschluss gesucht, so dass die Shot Clock hier fast nie zu früh abläuft. Besonders die Superstars fackeln nicht lange und feuern sehr gerne drauflos. Egal, ob man frei steht oder gerade eng gedeckt wird. Genauso schnell ist der Übergang von Defense zu Offense. Das Feld wird andauernd rauf und runter gerannt, so dass es kaum Verschnaufpausen gibt. Dagegen ist der Basketball in Europa etwas gemäßigter und strukturierter. Man läuft dort viele Spielzüge und wartet geduldig, bis eine gute Wurfposition gefunden ist.
SPOX: Fast so wie bei Ihren Spurs...
de Colo: Ja, wir spielen in San Antonio einen Mix aus amerikanischem und europäischem Basketball. Unser Coach legt besonders viel Wert darauf, dass wir als Team auftreten, den Ball gut laufen lassen und die bestmögliche Wurfposition finden. Insofern ist San Antonio ein guter Ort für einen jungen Europäer wie mich. Doch es gibt natürlich auch bei uns Isolations für Tony (Parker, Anm.d.Red.), Tim (Duncan, Anm.d.Red.), Manu (Ginobili, Anm.d.Red.).
SPOX: Was halten Sie von Ihrem Headcoach Gregg Popovich?
de Colo: Coach Popovich leistet einen großartigen Job. Man muss sich nur betrachten, wie niedrig fast all unsere Spieler im Kader gedraftet wurden. Doch Pop holt aus jedem Spieler das Allerbeste heraus! Besonders gut gefällt mir an ihm, dass er regelmäßig Einzelgespräche führt. Dadurch baut man ein sehr herzliches und inniges Verhältnis zu ihm auf. Pop ist wie ein Vater für mich.
SPOX: Wie werden Sie den Sommer verbringen?
de Colo: Ich werde in der Nationalmannschaft hart arbeiten und hoffentlich einen guten Sommer mit der EM als Höhepunkt verbringen. Schließlich will ich den nächsten Schritt machen, um in der nächsten NBA-Saison mehr Minuten auf dem Feld stehen zu können.
SPOX: In San Antonio?
de Colo: Ja, mein Vertrag läuft bis zum Sommer 2014.
SPOX: Wie lautet Ihre Zielstellung für die EM 2013 in Slowenien?
de Colo: Schwer zu sagen. Jeder erwartet von uns etwas Außergewöhnliches, weil wir eine tolle EM 2011 gespielt und dabei Silber gewonnen haben. Deshalb befürchte ich, dass der öffentliche Druck ziemlich groß sein wird. Doch wir haben viele erfahrene Spieler im Team, weshalb ich zuversichtlich bin, dass wir dem Druck standhalten.