NBA

Das Ibaka-Dilemma

Von Max Marbeiter
Tim Duncan (r.) war von den Thunder-Big-Men um Nick Collison nicht in den Griff zu bekommen
© getty

Die Niederlage der Oklahoma City Thunder in Spiel eins der Western-Conference Finals gegen die San Antonio Spurs war deutlich. Serge Ibakas Fehlen ließ die Spurs ihr Spiel optimal durchziehen. Nun ist Scott Brooks gefordert.

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In Oklahoma City wird man sein Pech derzeit kaum fassen können. Vergangenes Jahr Russell Westbrook, diesmal Serge Ibaka. Erneut fehlt den Thunder ein essentieller Bestandteil ihres Spiels. Erneut wohl für die gesamten Playoffs. Und erneut sind die Folgen verheerend. Athletik sollte OKCs großer Vorteil gegenüber den teils alternden Spurs sein. Mit Kevin Durant, mit Russell Westbrook, mit Ibaka sollten die Thunder San Antonio überrennen und überpowern. Mit "Air Congo" gewann man schließlich 12 der letzten 14 Spiele gegen die Spurs. Auch das direkte Duell während der Regular Season hätte nicht deutlicher verlaufen können (4-0 OKC).

Ohne Ibaka steht Scott Brooks jedoch vor einem Rätsel, das, so viel dürfte nach Spiel eins klar sein, nicht so einfach zu entschlüsseln sein wird. Die Thunder wurden förmlich überrannt, hatten nicht den Hauch einer Chance. Alles wegen Ibakas Fehlen? "Wir suchen nicht nach Ausreden", verwies Brooks im Anschluss direkt auf die Mentalität seines Teams. "Serge ist verletzt. Er wird auch nicht zurückkommen. Wir müssen besser spielen. Wir müssen einfach besser spielen. Wenn wir eines der besten Teams schlagen wollen, ein sehr gutes Offensivteam noch dazu, müssen wir einfach spielen. Wir werden nicht nach Ausreden suchen."

Nach Ausreden vielleicht nicht, nach Lösungsansätzen dafür umso mehr. Denn Spiel eins offenbarte den Thunder ein Dilemma, das sich definitiv nicht von selbst lösen wird. Wie soll man den besten Ringbeschützer des Teams ersetzen? Mit Small-Ball oder doch Eins-zu-Eins? Brooks entschied sich zunächst für die konservative Variante. Heißt: Nick Collison startete auf der Vier, wurde von Tim Duncan aber ebenso durch die Zone geschoben wie Kevin Durant später. Zwischenzeitlich versuchte sich schließlich Kendrick Perkins. Der Center bringt zwar Physis mit, ist jedoch schlicht zu unbeweglich.

Duncan dominiert

So dominierte Duncan, als wäre er in der Blüte seines Schaffens und hätte nicht soeben sein 38. Lebensjahr vollendet. 27 Punkte, 7 Rebounds und 3 Assists lieferte er. In 29 Minuten! Egal, ob nun in kleiner Aufstellung - Durant wich mitunter auf die Fünf aus - oder mit zwei Big Men, OKC bekam die Zone einfach nicht unter Kontrolle. Duncan scorte, Tony Parker, bei dem rein gar nichts von möglichen Problemen nach seiner Oberschenkelverletzung zu spüren war, penetrierte und assistierte (14 Punkte, 12 Assists).

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Die Spurs konnten ihr offensives Gesamtkunstwerk aus Pick-and-Rolls mit Duncan und Ball Movement beinahe in Perfektion aufziehen. OKC hatte hinten nichts entgegenzusetzen. Ohne Ibaka fehlte den Thunder beim Pick-and-Roll einfach die Hilfe. Normalerweise müssen die Guards nicht fürchten, stehen gelassen zu werden. In der Zone wartet schließlich Ibaka, der allzu selbstbewusste Drives gern auch mal mit einem Block in die dritte Reihe bestraft. Normalerweise.

Spurs profitieren extrem

Denn Ibakas Fehlen spielt den Spurs mehr in die Karten als manch anderem Team: "Wir wollen immer versuchen zu attackieren. Wir wollen unser Spiel mit Ball Movement durchbringen", erklärt Parker die Ausrichtung der Spurs. "So spielen wir nun mal. Es ist natürlich schon ein bisschen besser für uns, dass Ibaka nicht in der Zone wartet, wir werden weiter versuchen, den Korb zu attackieren."

Und das zurecht. Immerhin hatte San Antonio bis zur Halbzeit bereits 40 Punkte in der Zone erzielt. Am Ende waren es satte 66, den Thunder gelangen lediglich 32. Während der Regular Season - sprich: mit Ibaka - hatte OKC die Spurs noch bei durchschnittlich 41,5 Punkten in der Zone gehalten.

Das Ibaka-Dilemma. Es wird angesichts solcher Zahlenspiele noch deutlicher, ist damit aber nicht gänzlich beschrieben. Brooks muss eine Gratwanderung meistern, die durchaus zum Absturz führen kann. Zonenpräsenz auf der einen, offensiver Output auf der anderen Seite. Spielen die Thunder klein, ist der Weg Richtung Korb für San Antonio noch freier, stehen zusätzliche Big Men auf dem Parkett, fehlt es - mal wieder - an Scoringunterstüzung für Durant und Russell Westbrook.

Defense oder Offense?

Die beiden Superstars trugen die Offense der Thunder zwar mal wieder im Duett (Durant: 28 Punkte, 10/19 FG; Westbrook: 25 Punkte, 7 Assists), erhielten von ihren Starter-Kollegen allerdings keinerlei Unterstützung. Schwindelerregende 5 Punkte gelangen Perkins, Collison und Thabo Sefolosha. Zusammen! Einzig Reggie Jackson (13 Punkte) und Derek Fisher (16 Punkte) brachten ein wenig Entlastung.

Defense oder Offense? Selbst scoren oder gegnerische Punkte verhindern? Fragen, die für die Thunder in Spiel eins nicht zu beantworten waren. Zumal Gregg Popovich mal wieder bewies, weshalb er... eben Gregg Popovich ist. So trieben die Spurs den Small-Ball mitunter noch skrupelloser auf die Spitze als OKC. Phasenweise standen mit Tony Parker, Patty Mills, Marco Belinelli und Danny Green gleich vier Guards gemeinsam auf dem Feld.

Erlauben kann sich Pop derartige Experimente auch dank eines Mannes. Boris Diaw. Dem Franzosen eine fixe Position zuzuordnen, ist nicht einfach. Im Chaos des Small-Ball-Exzesses ist er für San Antonio jedoch von unschätzbarem Wert. Vorne kann er kleinere Gegenspieler leicht aufposten - Caron Butler fiel Diaw binnen weniger als einer Minute gleich zwei Mal zum Opfer -, hinten wiederum wenigstens halbwegs verteidigen.

Spurs finden immer eine Antwort

Im Grunde hatten die Spurs so auf jedes von Scott Brooks' elf Lineups eine Antwort parat. Dank eines Manu Ginobili, Parker, Danny Green, Kawhi Leonard oder eben Diaw müssen sie einer kleineren Thunder-Aufstellung nicht zwingend Größe entgegenstellen, um ihrerseits Mismatches zu erzwingen. Sie können ihr Spiel durchziehen. "Sie haben fünf Jungs auf dem Court, die jederzeit scoren können", sagte Brooks. "Da kannst du dir keine Pause erlauben. Nicht eine. Wir können niemanden verstecken."

Stünde Serge Ibaka zur Verfügung, die Thunder kämen sicherlich besser zu Recht. Angeblich arbeitet er sogar an einem verfrühten Comeback für mögliche Finals. Dazu müsste jedoch erst einmal San Antonio geschlagen werden - und das ohne "Air Congo". Unmöglich ist ein Weiterkommen dennoch nicht. Die Thunder und Scott Brooks müssen allerdings andere Lösungen finden.

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