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NBA - DeMar DeRozan führt die Chicago Bulls zum besten Start seit Jahren: Wie aus einer anderen Ära

DeMar DeRozan ist der beste Scorer der Chicago Bulls.
© getty

Der Wechsel von DeMar DeRozan zu den Chicago Bulls wurde von Vielen ob seines Vertrags kritisch beäugt. In den ersten Saisonwochen bei seinem neuen Team spielt der 32-Jährige nun jedoch den besten Basketball seiner Karriere - auf seine Art und Weise.

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Es ist ein Trend geworden, dass sich zunächst skeptische Journalisten gegenüber den Chicago Bulls entschuldigen, John Hollinger von The Athletic ist ein Beispiel. Der ehemalige Grizzlies-Executive hatte in den Bulls eher ein Play-In-Team im Osten gesehen, wir bei SPOX übrigens auch. Derzeit scheint deutlich mehr möglich zu sein.

Die Saison ist noch jung und innerhalb weniger Wochen kann sich vieles ändern, doch mit welcher Selbstverständlichkeit Chicago Gegner wie die Clippers, Dallas, Brooklyn, Boston oder Utah wegbügelte, war durchaus beeindruckend. Der Hype um den Saisonstart der Bulls ist berechtigt, so viel darf gesagt sein.

Eine weitere Entschuldigung wollen wir an dieser Stelle an DeMar DeRozan und auch an Bulls-GM Arturas Karnisovas ausrichten. Die Deals für Alex Caruso oder Lonzo Ball waren Steals, doch der Sign-and-Trade-Move für DeRozan ließ viele Experten mit einer ganzen Menge Fragezeichen zurück.

85 Millionen Dollar über drei Jahre für einen 32-Jährigen ohne Defense und Dreier schienen eine Menge Holz. Darüber hinaus gaben die Bulls mit Thaddeus Young auch noch ihren besten Bankspieler ab und verbauten sich jegliche finanzielle Flexibilität für die kommenden Jahre. War DeRozan all das wirklich wert?

DeMar DeRozan: Effizient wie nie zuvor

Gut drei Monate ist das her und die bisherige Entwicklung gibt vor allem Karnisovas recht. Die Bulls stehen mit einer Bilanz von 10-4 auf Platz zwei im Osten und DeRozan müsste sich Stand jetzt sogar in der MVP-Konversation wiederfinden. Der Deal sieht plötzlich nicht mehr so schlecht aus, im Gegenteil.

Beim neuen Team spielt DeRozan bis dato den besten Basketball seiner Karriere. DeRozan legt durchschnittlich 26,9 Punkte und 4,1 Assists im Schnitt auf, dazu trifft er 51 Prozent aus dem Feld und weist den besten True-Shooting-Wert seiner Laufbahn auf (60,5 Prozent).

Womöglich haben wir alle nicht genau hingeschaut, wie sich DeRozan in San Antonio entwickelt hat. Das große Thema war meist, wie beständig er den Dreier verweigerte. Gleichzeitig wurde aus dem einstigen Zweier ein Forward, der im Spurs-System meist auf der Vier eingesetzt wurde, womit der fehlende Distanzwurf erfolgreich kaschiert werden konnte.

DeMar DeRozan: Seine Statistiken seit 2017

SaisonTeamPunkteTS%AssistsON/OFF*
2017/18Raptors23,055,55,2-1,3
2018/19Spurs21,254,26,2-5,3
2019/20Spurs22,160,35,6-4,4
2020/21Spurs21,659,16,9-4,8
2021/22Bulls26,960,54,1+21,1

* Zahlen von Cleaning the Glass

DeMar DeRozan: Der Prinz aus der Mitteldistanz

In Chicago beginnt DeRozan an der Seite von Lonzo Ball und Zach LaVine meist auf der kleinen Forward-Position, spielt aber laut Cleaning the Glass 64 Prozent seiner Minuten als Power Forward. Für die, die es nicht wissen: DeRozan wird von der NBA mit einer Körpergröße von 1,98 Meter geführt.

So ist DeRozan ein wandelndes Mismatch und gleichzeitig zu jeder Zeit der Rettungsanker der Bulls-Offense. DeRozan war schon immer ein waschechter Scorer: Der 32-Jährige kann jederzeit einen freien Mitteldistanzwurf für sich selbst erspielen, nur Kevin Durant hat in dieser Saison mehr davon versenkt. Wenn KD der König dieser Disziplin ist, dann wäre für DDR zumindest der Titel des Prinzen gerechtfertigt.

Vor allem in engen Spielen bleibt diese Fähigkeit eine Waffe, es ist kein Zufall, dass DeRozan die Scorer-Liste für das vierte Viertel mit 105 Punkten anführt (Zweiter ist Cole Anthony mit 89). LaVine, ebenfalls schon häufiger als guter Crunchtime-Spieler aufgefallen, ist daneben momentan fast schon ein Luxus.

DeMar DeRozan: Früher meist ein Minus für das Team

Grabenkämpfe gibt es deswegen nicht, nach Jahren in der Lottery ist LaVine froh, mit den Bulls überhaupt in dieser Position zu sein. "An diesem Punkt meiner Karriere will ich einfach nur gewinnen. In all den Jahren zuvor ist mir das nicht gelungen", sagte LaVine kürzlich zu ESPN.

Gleichzeitig staffelt Bulls-Coach Billy Donovan die Minuten seiner beiden wichtigsten Spieler, wobei DeRozan zumeist die Show mit der defensivstarken Bank um Alex Caruso, Derrick Jones Jr. oder Javonte Green gehört. Die Verletzung von Patrick Williams und die Corona-Erkrankung von Nikola Vucevic wirbelten die Rotation zwar etwas durcheinander, dennoch war bisher kein Abfall zu erkennen.

Gerade bei den beiden Siegen im Staples Center war die Formel recht simpel. Hinten steht die neuformierte und hochgelobte Defense, vorne richtet es das beste Scoring-Duo der NBA. Interessant ist dabei, dass Chicago mit LaVine um 15 Punkte pro 100 Ballbesitze schlechter ist, mit DeRozan dafür über 21 Zähler besser.

Das ist Neuland für DeRozan, dessen Teams in elf seiner zwölf NBA-Jahre schlechter mit ihm performten als ohne ihn. Es war stets einer der großen Kritikpunkte am früheren Raptor.

DeMar DeRozan: Kann er das Niveau halten?

Wie valide diese Zahlen über eine ganze Saison sein werden, wird sich zeigen. Laut Cleaning the Glass lassen die Bulls mit DeRozan 12,5 Punkte pro 100 Ballbesitze weniger zu als ohne ihn, das dürfte sich mit der Zeit noch anpassen. Und doch zeigt sich, dass DeRozan mit dem passenden Team um ihn herum ein verdammt guter Spieler sein kann.

Neben dem Midrange-Jumper verfügt DeRozan über das Spiel eines alten Hasen, der nach Drives mit einer Engelsgeduld Spieler mit einer Reihe von Finten Richtung Kabine schickt oder ein cleveres Foul zieht. Während der Ligaschnitt von Freiwürfen zurückgegangen ist, nimmt DeRozan konträr dazu 0,7 Versuche mehr und hat bis dato mit Abstand die meisten Bonuspunkte der Liga versenkt.

DeMar DeRozan scort nach mehreren Fakes gegen Clippers-Forward Terance Mann.
© stats.nba.com
DeMar DeRozan scort nach mehreren Fakes gegen Clippers-Forward Terance Mann.

Das Scoring gepaart mit unterschätztem Playmaking machen DeRozan derzeit zu einem der besten Offensiv-Spieler der Association. Selbst den Dreier hat DeRozan wieder entdeckt und traf bisher 37 Prozent bei 2,1 Versuchen. Das dürfte die meisten Gegenspieler noch immer nicht interessieren, aber diesen Trend sollte man im Auge behalten.

Gleiches gilt für seine Defense, die von den Bulls bisher mit hoher Aktivität kaschiert wird. Die Lineups sind teils ultraklein, durch den hohen Druck der Guards auf die Ballführenden kann dies aber ausgeglichen werden. Mit LaVine, DeRozan und Vucevic hat Chicago drei unterdurchschnittliche Verteidiger, die viele Minuten spielen, und dennoch stellt man eine Top-5-Defensive.

Die meisten verwandelten Freiwürfe der Saison

RangSpielerTeamTrefferVersucheQuote (%)
1DeMar DeRozanBulls9611087,3
2Kevin DurantNets8410084
3Giannis AntetokounmpoBucks8212167,8
4Jimmy ButlerHeat799384,9
5Harrison BarnesKings789185,7
6James HardenNets758786,2
7Anthony DavisLakers719376,3
8Trae YoungHawks707988,6
9Bam AdebayoHeat688184,0
9Stephen CurryWarriors687195,8

DeMar DeRozan: Spielertyp Dinosaurier

Die Bulls spielen trotz des neuen Anstrichs wie eine gut geölte Maschine, machen endlich wieder Spaß. DeRozan trägt daran den größten Anteil und zumindest offensiv kann man durchaus davon ausgehen, dass er weiter auf einem ähnlichen Niveau performen wird. Seine Gefahr aus der Mitteldistanz, sein Drive, seine List und Fakes für leichte Pfiffe - das sind alles Dinge, die der 32-Jährige schon seit Jahren so macht. In diesem Jahr scheint er das perfekte Umfeld dafür um sich zu haben.

Es wäre DeRozan zu wünschen, schließlich steckte er in den vergangenen Jahren viel Kritik ein. "Ich kann die ganze Liste von Leuten durchgehen, die mich abgeschrieben haben", sagte DeRozan nach seinen 38 Punkten bei den Lakers, zu denen er in der Offseason eigentlich wechseln wollte. "Das alles gibt mir so viel Motivation. Ich will ein Gewinner sein und es genießen. Ich werde nicht für immer spielen, deswegen will ich aus dieser Situation so viel wie möglich herauspressen."

DeRozan wirkt oft noch immer wie ein Spieler aus einer früheren Ära, doch nach 14 Saisonspielen gibt ihm der Erfolg recht. Die Bulls gewinnen Spiele, viele Spiele - und darauf kommt es im Moment an.