Eigentlich macht Garrison Mathews alles richtig, als er sich im Spiel der Rockets gegen Philadelphia als letzte Verteidigungslinie gegen den Fastbreak positioniert. "Garry Bird" sortiert sich, steht stabil, ist bereit, ein Offensivfoul des heranrauschenden Joel Embiid auf Höhe der Freiwurflinie anzunehmen. Gegen normale 7-Footer genau die richtige Strategie.
Nur ist Embiid nicht normal - in vielerlei Hinsicht. Der Kameruner gehört zu den größten, stärksten und auch schwersten NBA-Spielern (offiziell 2,13 m und 127 Kilo), aber komischerweise auch zu denen mit der besten Fußarbeit. Embiid fängt den Ball in der Bewegung, ein schnelles Dribbling, und schlängelt sich via Euro-Step um Mathews, als gäbe es für jemanden mit seinen Maßen keine leichtere Übung.
Es ist nur ein Play, nur ein Spiel gegen einen überforderten Gegner, nur eins der Spiele, in denen Embiid nicht zu stoppen ist (31 Punkte in 29 Minuten). All das häuft sich jedoch in letzter Zeit, und diese Aktion verdeutlicht recht gut, was Embiid während der besten Phase seiner bisherigen Karriere so auszeichnet.
NBA: Die Renaissance der Big Men
Gewissermaßen erlebt die NBA nun schon seit einigen Jahren eine Renaissance der Big Men, nachdem diese vom Aussterben bedroht schienen. Das war zwar stets ein wenig übertrieben, so langsam schwingt das Pendel jedoch gefühlt wieder zunehmend weg von Alleskönnern auf dem Flügel zu den größeren Spielern.
Der Grund dafür leuchtet ein: Einige Bigs sind ebenfalls zu Alleskönnern geworden. Die letzten drei MVP-Awards wurden von zwei 7-Footern gewonnen (Giannis Antetokounmpo und Nikola Jokic), die in ihrem Team zumeist den primären Playmaker geben. Kevin Durant ist ein Big Man, wenn er will, und gibt in Brooklyn zusätzlich zum bekannten Komplettpaket in der Offensive zunehmend den Defensivanker.
Und dann ist da noch Embiid, der schon vor seinem Rookie-Jahr als Erbe von Hakeem Olajuwon bezeichnet wurde. Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen ihm und dem Dream, Embiid selbst eifert jedoch in erster Linie anderen Vorbildern nach und macht auch keinen Hehl daraus. Er will Kobe Bryant sein, Michael Jordan, eben ein Superstar auf dem Flügel, kombiniert mit ein bisschen Hakeem, ein bisschen Dirk Nowitzki. Irgendwie funktioniert das.
Joel Embiid hat jedes Werkzeug
Embiid kam bereits mit einer für einen Center bemerkenswerten Fußarbeit und Körperkontrolle in die Liga, beides ist über die Jahre noch deutlich raffinierter geworden. Was jedoch mit am meisten hervorsticht, wenn man den aktuellen Embiid mit früheren Versionen vergleicht, ist sein Ballhandling.
Das Handling hilft ihm dabei, sich Platz für Stepback-Jumper zu verschaffen oder zum Korb durchzukommen. Sein Wurf wurde von Verteidigern schon immer respektiert (mittlerweile ist das auch gerechtfertigt), was Embiid mit einem der besten Shotfakes der Liga clever einsetzt, entweder für Freiwürfe oder abermals, um seine Verteidiger einfach stehen zu lassen.
Joel Embiid: "Shaq mit Fußarbeit"?
Danny Green nannte Embiid vor kurzem "Shaq mit Fußarbeit" - was ziemlich unsinnig war, schließlich hätte O'Neal die Liga nie so dominieren können, wenn seine Fußarbeit nicht ebenfalls exzellent (!!!) gewesen wäre. Der weitaus größere Unterschied sind die verschiedenen Abschlüsse, die größere Range, die Embiid im Spiel hat.
In der Mitteldistanz beherrscht er mittlerweile fast jeden Wurf. Er trifft zwar in dieser Spielzeit nicht ganz so lächerlich gut wie in der vergangenen (43 statt 47 Prozent), aber immer noch sehr gut bei seinem Volumen - und Schwierigkeitsgrad.
Es gibt regelmäßig Aktionen, in denen man Kobe erkennt ...
... oder dann eben doch den großen Jungen, der er ist. Embiid kann natürlich auch mit purer Power am Korb abschließen, besser als jeder andere NBA-Spieler. Er postet wesentlich häufiger auf (8,6 Male pro Spiel) und trifft dabei effizienter (1,11 Punkte pro Play) als die Konkurrenz, selbst Jokic kommt hier nicht an Embiid heran.
Das hier ist immerhin Anthony Davis, einer der besten Verteidiger der Liga, der Embiid körperlich schlichtweg nicht standhalten kann. Gegen schwächere Bigs sieht es häufig sogar noch schlimmer aus.