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Rudy Gobert und das Label des Sündenbocks: Warum in den kommenden Playoffs sein Ruf auf dem Spiel steht

Von Levi Netal
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Der Wechsel von Rudy Gobert zu den Minnesota Timberwolves im Sommer 2022 stand lange Zeit stark in der Kritik. Nach einer enttäuschenden ersten Saison mit frühem Playoff-Aus haben sich die Timberwolves diese Saison jedoch zu einem der besten Teams der NBA entwickelt. Gobert ist der Anker für eine dominante Defensive und das Konzept der "Twin Towers" ist vom NBA-Meme zu einem echten Matchup-Vorteil geworden.

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Sechsmal All-Defense, dreimal Verteidiger des Jahres. Es ist unbestritten, dass Rudy Gobert einer der besten Verteidiger seiner Generation ist - und doch polarisiert der Franzose seit Jahren und auch unter seinen Kollegen erhält der 31-Jährige nicht immer den Respekt, wie ihn viele andere Spieler seines Kalibers erhalten. "Was [Gobert] defensiv macht, ist unglaublich, wie er den Ring beschützt. Aber Defense ist mehr als nur Rim Protection"...", sagte Draymond Green, der in der Vergangenheit mehrfach mit Gobert aneinandergeraten ist. Green dürfte dabei das aussprechen, was viele denken, der Warriors-Forward trompetet es aber eben gerne in die weite Welt hinaus.

Der fehlende Respekt für Goberts Leistungen kommt vor allem daher, dass er sich in den Playoffs noch nicht bewiesen hat. Am denkwürdigsten ist dabei die Terrance-Mann-Show in Spiel der Serie zwischen Utah und den Clippers in Runde zwei vor zwei Jahren. Clippers-Coach Ty Lue verzichtete dabei fast komplett auf seinen Center Ivica Zubac, stattdessen war es Mann, der 39 Punkte erzielte und Goberts Einfluss unter dem Korb fast komplett egalisierte.

Utah ging als Favorit und Top-Seed raus, es war ein weiteres Fragezeichen hinter den Erfolg des Gobert-Mitchell-Duos in den Playoffs. Während die Jazz in Goberts defensiver Blütezeit über 60 Prozent (294-178) ihrer Spiele in der regulären Saison gewannen, konnten sie in den Playoffs weniger als die Hälfte ihrer Spiele für sich entscheiden (22-32). Als Resultat kamen sie in sechs Jahren nur zweimal über die erste Runde hinaus und erreichten nie die Western Conference Finals. Die gewohnt starke Defensive um Gobert kam in den Playoffs immer wieder an ihre Grenzen und Gobert wurde vermehrt als Hindernis für den Playoff Erfolg der Jazz angesehen.

Defensiv Rating der Utah Jazz in Regulärer Saison und Playoffs

JahrReguläre SaisonPlayoffs
16-17105,8112,8
17-18103,6106,9
18-19104,7108
19-20109,9117,9
20-21107,2122,1
21-22110,6115,8

 

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Rudy Gobert: Ein gern gesehener Sündenbock

Teams spielten im Playoff-Format vermehrt mit fünf Werfern, die sich außerhalb der Dreipunktelinie verteilten und somit Goberts defensive Dominanz um den Korb neutralisierten. Die dadurch entstehenden Größenvorteile für die Jazz konnte Gobert seinerseits in der Offensive ohne funktionierende Post-Up Fähigkeiten nicht nutzen. Darüber hinaus kam es vor allem zum Ende seiner Zeit in Utah immer wieder zu persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Gobert und Mitchell, die auch auf dem Feld sichtbar wurden.

Pässe pro Spiel von Mitchell zu Gobert

JahrPässe pro Spiel
17-183,6
18-194,4
19-205,8
20-213,5
21-222,3

 

In der Folge wurde Gobert immer wieder als Sündenbock abgestempelt, was rückblickend nur begrenzt gerechtfertigt ist. Die komplette Defense fußte auf Gobert, am Perimeter war vor allem in den Playoffs Tag der offenen Tür und es entstanden so viele Brände, die kaum ein einziger Spieler hätte löschen können - auch nicht einer der besten Verteidiger aller Zeiten. Spieler wie Bojan Bogdanovic, Joe Ingles, Mike Conley und Jordan Clarkson hatten zwar offensiv eine wichtige Rolle, konnten jedoch die Defensive am Perimeter nie stabil genug halten, um gegnerische Teams von ihrem offensiven Konzept mit fünf Werfern abzuhalten. "Wir machen gerade einfach nicht die [defensive] Drecksarbeit. Das machen wir nie", merkte Gobert damals zur defensiven Teamleistung an.

Nach einem weiteren enttäuschenden Playoff-Aus gegen die Jalen Brunson-Mavericks zogen die Jazz im Sommer 2022 die Reißleine. Gobert ging für satte vier (!) 1st Round Picks, einen Pick Swap und Rollenspieler wie Jarred Vanderbilt, Malik Beasley und Walker Kessler zu den Minnesota Timberwolves.

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Rudy Gobert: Der schwache Start bei den Wolves

Mit dem Gobert-Wechsel kündigten sich die Timberwolves offiziell als Titelkandidat in der Western Conference an. Mit dem aufstrebenden Superstar Anthony Edwards in ihren Reihen und einem herzzerreißenden Playoff-Aus gegen die Grizzlies hinter sich, ging der neue General Manager Tim Connelly All-In für Gobert - für einen 30-jährigen Defensiv-Center.

Nach einer durchwachsenen ersten Saison in Minnesota wurde die Kritik an Gobert und der Franchise lauter. Vieles funktionierte nicht. Aufgrund größerer Verletzungen kam Karl-Anthony Towns nie in seinen Rhythmus mit Gobert auf dem Feld. Gobert selbst hatte immer wieder mit Rückenproblemen zu kämpfen, die sich bis in die Playoffs zogen. Die Kombination mit Edwards und Gobert schien nicht zu funktionieren, Edwards legte gerade mal 27 Assists für Gobert in der ganzen Saison auf. Einmal mehr stand Goberts mangelnde offensive Vielseitigkeit dem Teamerfolg im Weg.

Darüber hinaus konnte auch Goberts Premium-Skill, der Anker einer starken Defensive zu sein, den Erwartungen nicht standhalten. Individuell gesehen verzeichnete Gobert die schlechtesten Zahlen seiner Karriere hinsichtlich Rebounding und Blocks, er wurde zudem erstmals seit 2016 in kein All-Defense-Team gewählt, und auch Minnesotas Team-Defensive rangierte nur im Mittelfeld der NBA.

Goberts zweite Spielzeit scheint mehr Erfolg zu versprechen. Die Timberwolves stehen mit 44-21 auf dem dritten Platz im Westen, nur ein 1,5 Spiele hinter OKC und gut einen Monat vor Saisonende scheint Gobert der vierte Award als bester Verteidiger nicht mehr zu nehmen zu sein.

Rudy Gobert: Die Rückkehr zu alter defensiver Dominanz

Die Timberwolves halten derzeit das beste Defensiv-Rating der Liga mit 108,6 Punkten pro 100 Possessions. Damit sind sie fast 3 Punkte besser als die zweitplatzierten Celtics, was der Differenz von den Celtics zu den an elftplatzierten Memphis Grizzlies entspricht. Die Timberwolves agieren am besten, wenn sie Zeit haben, sich in der Defensive zu sortieren. Das Defensiv-Rating im Half Court liegt mit Gobert bei unglaublichen 91,8, drei Zähler besser als das zweitplatzierte OKC. Das Erfolgsrezept für die defensive Dominanz nähert sich konzeptionell an das für Gobert bekannte System in Utah an. Gobert verteidigt dabei hauptsächlich als tiefer Verteidiger in der Drop-Coverage und wird normalerweise dem schwächsten Werfer des gegnerischen Teams zugeteilt.

Diese Freiheit erlaubt es ihm, seine Aufmerksamkeit auf Drives zum Korb zu richten und sie mit seiner Präsenz und Athletik einzuschränken. Dadurch wird der Offensivspieler oft gezwungen, die Entscheidung zwischen einem schweren Abschluss um den Korb und einem Pass zum freien Mann zu treffen.

Entscheidet sich der Offensivspieler für den Abschluss, gehört Gobert zu den oberen 10 Prozent der Liga hinsichtlich Abschluss Effizienz (eFG% = 50,5 Prozent) und Trefferquote um den Ring (61,1 Prozent) gegen ihn. Mit Gobert auf dem Feld nehmen gegnerische Teams diese Saison nur 28,7 Prozent ihrer Abschlüsse um den Korb herum, was ebenfalls ein elitärer Wert in der NBA ist.

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Seit dieser Saison wird eine weitere Dimension in Goberts Spiel sichtbar. Wenn es Gobert gelingt, den Abschluss am Ring durch seine Präsenz zu verhindern, ist er weiterhin in der Lage, durch gesteigerte Mobilität und Athletik auch auf den nächsten Pass zu reagieren. Dabei nutzt er seine 2,35m-Spannweite, um einen erneuten Zug zum Korb zu erschweren oder offene Passwege abzudecken. Die Timberwolves nutzen Gobert aufgrund seiner Mobilität nicht ausschließlich in Drop-Coverage. In Pick'n'Roll Situationen sieht man Gobert regelmäßig kleinere und agilere Spieler verteidigen, was der gesamten Defensive mehr Flexibilität gibt.

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© nba.com/stats

Der defensive Erfolg der Timberwolves kann jedoch nicht ausschließlich auf den Stifle Tower zurückgeführt werden. Während bei Utah die Defensive am Perimeter ihre Lücken hatte, steht Gobert bei den Timberwolves in den Reihen von weiteren All-Defense Kandidaten wie Jaden McDaniels und potenten Verteidigern wie Anthony Edwards oder Nickeil Alexander-Walker. Die Kombination von der starken Verteidigung am Perimeter mit Gobert als einer Art Sicherheitsmaßnahme in zweiter Reihe macht es für gegnerische Teams immer wieder schwer, zu qualitativen Abschlüssen zu gelangen.

Rudy Gobert: Minnesota überzeugt offensiv mit Größe

Aber nicht nur defensiv zeigen sich in dieser Saison Verbesserungen bei den Timberwolves. Auch offensiv ist das Team mit einem Offensiv Rating von 115,9 zumindest mal Mittelmaß in der NBA. Ihre Starting Five mit den "Twin Towers" Gobert und Towns im Lineup steht sogar bei 120,5 und ist damit überdurchschnittlich. Während sich Goberts Spiel weiter in den bekannten Grenzen um den Korb bewegt, sind Karl-Anthony Towns (5,3 3P pro Spiel, 42,8 Prozent) und Naz Reid (4,7 3P pro Spiel, 41,9 Prozent) besser in der Lage, ihr Spiel außerhalb der Dreipunktelinie zu verlagern.

In diesem Zusammenhang hilft natürlich ein erfahrener Point Guard in Mike Conley, der die Offensive bewusst in ihre Spielzüge bringt und Gobert im Pick'n'Roll in Szene setzen kann, beide entwickelten schon in Utah eine gute Chemie zusammen. Das Zusammenspiel von Gobert und Edwards entwickelt sich ebenfalls stetig weiter. Edwards 27. Assist zu Gobert konnte das Duo in dieser Saison bereits nach der Hälfte der Spiele im Vergleich zur Vorsaison verbuchen.

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Sind die Timberwolves ein Titelkandidat?

Die harsche Kritik an dem Wechsel von Gobert zu den Timberwolves sollte spätestens nach dem anhaltenden Erfolg dieser Saison verstummen. Dass Minny zu viel bezahlt hat, ist klar, allerdings sieht dieser Trade nicht mehr so fatal wie noch im vergangenen Sommer aus. Ein weiteres Trainingslager im vergangenen Sommer sowie die gesammelte Spielpraxis (58 Spiele) von Towns und Gobert in dieser Saison scheinen viele Probleme der Timberwolves behoben zu haben. Das defensive Potenzial in Verbindung mit einem wandelbaren Team mit Länge auf allen Positionen könnte den Timberwolves in vielen Playoff-Szenarien einen Matchup-Vorteil geben. Auch wenn Jokic und die Nuggets gerade noch ihresgleichen im Westen suchen, sind die Timberwolves wahrscheinlich am besten gewappnet, um Antworten auf die Größe von Jokic, Porter Jr. und Gordon zu haben.

Eine Problematik, die die Timberwolves in dieser Saison jedoch verfolgt, ist die offensive Stagnation am Ende von engen Spielen. Mit einem Offensiv Rating von 104,8 in Clutch Games rangieren die Timberwolves auf dem 24. Platz in der Liga. Dadurch stehen die Wolves in Clutch Games bei 17-13 für die Saison, was ihnen in den Playoffs teuer zu stehen kommen könnte. Gobert ist in diesen Spielsituationen mit seinen offensiven Limitationen Teil des Problems. Vor allem mit Edwards an seiner Seite, dessen größte Stärke der Zug zum Korb ist, verbaut Gobert in einer tiefen Angriffsposition oft den Weg zum Korb, gleichzeitig trifft auch der Antman bislang nicht immer die glücklichsten Entscheidungen.

Die Verletzung von Towns, der den Rest der regulären Saison mit einer Meniskus-OP verpasst, ist eine weitere Herausforderung für Chris Finch und das Team. Einerseits hat das Team ausreichende Tiefe, um Towns' Ausfall zumindest größentechnisch mit mehr Spielminuten für Naz Reid und Kyle Anderson zu kompensieren. Andererseits besitzen auch Reid und Anderson nicht die Dreier-Gefahr und individuelle Klasse, die Towns zum idealen Big-Man an Goberts Seite machen. Gerade mit Anderson, der in dieser Saison gerade einmal 35 Dreier versuchte, ist das Spacing problematisch.

Es bleibt also offen, wie weit die Saison der Timberwolves gehen wird. Stand jetzt sind sie jedoch ein vielversprechendes junges Team, das wahrscheinlich zum ersten Mal seit 20 Jahren mehr als 50 Spiele gewinnen wird. Für eine chronisch erfolglose Franchise wie die Wolves darf das schon als Erfolg gewertet werden, doch die gute Regular Season hat Hoffnungen geweckt. Im bärenstarken Westen wird es keine leichten Matchups geben und sollte Minnesota früh Probleme bekommen, dann werden die Gobert-Zweifler wieder zur Stelle sein, sicherlich vor allem Draymond Green.