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"Der Korb war nicht mehr vernagelt": Endlich zeigen die Mavericks auch in den NBA Finals ihr ganzes Können

Von Stefan Petri
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122:84! Eindrucksvoll melden sich die Dallas Mavericks in den NBA Finals zurück und verpassen den Boston Celtics eine richtige Packung. Während Dirk Nowitzki anschließend auf eine Signalwirkung hofft, ist die Pleite für die Gäste "schwer zu schlucken". Schließlich weiß man in Boston genau, wie schnell ein 3-0-Vorsprung verspielt werden kann ...

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"Wir müssen einfach dran glauben. Warum nicht wir? Morgen geht's wieder nach Boston - ich hoffe, ihr habt alle gepackt."

Jason Kidd wird nicht der erste Head Coach der NBA-Geschichte gewesen sein, der trotz niederschmetternder Aussichten vollmundige Aussagen trifft. Doch seine Kabinenansprache vor dem Start von Spiel 4, von den ESPN-Kameras eingefangen, scheint bei seinen Spielern offensichtlich den richtigen Nerv getroffen zu haben. Oder der ehemalige Weltklasse-Point-Guard hatte es einfach gespürt, dass bei seinen Mavs endlich der Knoten platzen würde.

Wie auch immer: Kidd sollte Recht behalten. Nach ausgeglichenen ersten fünfeinhalb Minuten legten die Mavericks bis in die Schlussphase des 3. Viertels einen 80:41-Lauf hin - aus einem 10:11 wurde ein 90:54! Die Celtics durften am Ende übrigens froh sein, dass es nicht noch dicker kam: In der Garbage Time bauten die Mavs-Reservisten den Vorsprung zwischenzeitlich auf 48 Punkte aus.

Endlich zeigte Dallas auch in den Finals, warum man sich in der so starken Western Conference durchgesetzt hatte - und warum einige Experten, vom 4-1 gegen die Minnesota Timberwolves schwer beeindruckt, vor Beginn der Finals sogar auf die Mavericks als Champion getippt hatten. Die bis dato so übermächtigen Celtics wurden 30 Minuten lang förmlich hergespielt, und zwar nicht nur aufgrund eines überragenden Star-Duos Doncic/Irving, sondern aufgrund einer geschlossenen Mannschaftsleistung.

NBA Finals: Wo kann man die Spiele im TV und Livestream sehen?

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Dallas Mavericks in Spiel 4: "Der Korb war nicht mehr vernagelt"

"Mit diesem Verlauf hatte ich in Spiel 3 gerechnet, dass wir uns im ersten Heimspiel nach der Rückkehr aus Boston auf sie stürzen würden", sagte Dirk Nowitzki, der angesichts des riesigen Vorsprungs bereits mitten im Schlussviertel ein TV-Interview führen konnte. Der beste Spieler der Franchise-Geschichte hatte sich das Spektakel courtside angeschaut, an seiner Seite die Real-Madrid-Legende Sergio Ramos. Der Spanier hatte in seiner Karriere bei den Königlichen so manches schon verloren geglaubtes Duell noch umbiegen können - ein gutes Omen?

"Es scheint fast so, als sei der Korb heute einfach nicht mehr vernagelt", mutmaßte Nowitzki, während Tim Hardaway Jr. im Hintergrund einen Dreier nach dem anderen versenkte: "Wir bewegen den Ball, finden offene Schützen." Der große Deutsche erkannte bei seinen Mavericks "Herz" und "Stolz": "Du willst es nie sehen, dass der Gegner auf deinem Court feiert." Diese Erfahrung hatte er selbst 2006 machen müssen, als die Miami Heat das entscheidende Spiel 6 der Finals im American Airlines Center in Dallas gewinnen konnten.

Kidd erlebte das als Spieler ebenfalls, 2002 mit den New Jersey Nets gegen die Los Angeles Lakers (0-4). Gemeinsam drehte er mit Nowitzki 2011 schließlich den Spieß um und feierte nach sechs umkämpften Partien auf dem Court der Heat in Miami. Er weiß also, wie man Finals verliert und wie man sie gewinnt.

"Wir brauchten unsere bestmögliche Leistung - entweder das, oder es geht in den Urlaub", fasste er nach dem Spiel zusammen. Sonderlich überrascht davon, dass es sein Team war, das diesmal den Ton angab, schien er nicht: "Es ist ganz einfach: Wir waren bereit. Sie waren bereit zu feiern - und wir haben Widerstand geleistet. Wir haben mit dem Mut der Verzweiflung gespielt." Denn: "Wir haben nichts zu verlieren."

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Dallas Mavericks in Spiel 4: Ein Sieg fürs Selbstvertrauen

An diesem Abend waren die Mavs das physischere Team, das an den Brettern dominierte (52:31), das mehr Turnover provozierte (13:8) und öfter an die Linie marschierte (22:13). Und es waren die Mavs, die plötzlich wie das tiefer besetzte Team erschienen. Luka Doncic und Kyrie Irving lieferten zusammen die erwartbaren 50 Punkte, daneben hatte dann aber jeder der sieben weiteren Rotationsspieler bis zur Pause schon Punkte auf dem Konto - und den einen oder anderen Moment, an dem er sich für das kommende Auswärtsspiel in Boston aufrichten konnte.

P.J. Washington und Dante Exum trafen jeweils zwei Dreier. Derrick Jones Jr. verwandelte einen artistischen Layup in bester Irving-Manier und blockte Jaylen Brown einmal spektakulär. Josh Green brachte viel Energie und hämmerte einen Putback-Dunk durch die Reuse, Maxi Kleber erzielte 5 schnelle Punkte direkt vor der Pause. Starting Center Daniel Gafford versenkte nicht nur einen Alley-Oop über den halben Platz, sondern blockte Jayson Tatum wenig später beim Stepback-Dreier - und Rookie Dereck Lively war mit dem ersten Dreier seiner Karriere, drei krachenden Dunks und insgesamt 12 Rebounds sogar noch besser. "Er kann werfen", lobte Kidd. "Das wird der nächste Schritt in seiner Entwicklung."

Sogar der größtenteils aus der Rotation gerutschte Hardaway Jr., in den Finals bislang noch ohne Field Goal, schoss im Schlussviertel mit 5 Dreiern die Lichter aus. Wer weiß, ob sich das in Spiel 5 oder sogar darüber hinaus nicht noch auszahlen wird. "Heute spielen wir sehr gut, holen uns Selbstvertrauen", wusste auch Nowitzki. "Hoffentlich können wir in Boston ein Spiel stehlen."

Mavericks vs. Celtics, Spiel 4: Die Stats-Leader in der Übersicht

KategorieMavericksCeltics
PunkteDoncic (29)Tatum (15)
ReboundsLively II (12)Tatum (5)
AssistsIrving (6)Horford (4)
StealsDoncic (3)Tatum/Horford (1)
BlocksJones Jr./Gafford (1)Tatum (2)
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Boston Celtics in Spiel 4: "Sie haben uns an die Wand gespielt"

Der Champion in spe - bekanntlich wurde in den NBA-Playoffs noch nie ein 3-0-Vorsprung verspielt- schlich derweil nach der dritthöchsten Finals-Pleite der Geschichte wie ein geprügelter Hund vom Court. Ja, in der Anfangsphase wollten ein paar offene Würfe nicht fallen. Ein Einsatz des weiterhin angeschlagenen Centers Kristaps Porzingis hätte sicherlich geholfen. Aber an diesem Abend gab es nichts schönzureden und keinerlei Ausflüchte, an denen man sich hochziehen konnte. "Sie haben uns an die Wand gespielt", fasste Center Al Horford zusammen. "Das ist schwer zu schlucken. Aber das ist die Realität."

60 Punkte erzielten die Mavs in der gegnerischen Zone, unter dem Bostoner Ring wirkte es zeitweise wie ein "All you can eat"-Büffet für die in dunkelblau gekleideten Big Men. "Sie haben am Brett dominiert, das hat uns unter sehr großen Druck gesetzt", analysierte Jaylen Brown. In der Folge zog sich die Defense der Celtics erstmals merklich zusammen, plötzlich hatten die Mavs-Schützen von außen etwas mehr Platz. "Wir sind mit der richtigen Einstellung auf den Court gekommen. Aber Dallas hat einfach besser gespielt. Sie haben härter gespielt", wusste auch Head Coach Joe Mazzulla.

Die Intensität auch angesichts einer sicheren 3-0-Führung hochzuhalten, das war auf Celtics-Seite offenbar einfach nicht möglich. Ein Aufbäumen war zu keiner Zeit zu erkennen, einen Run, der eine Aufholjagd hätte einläuten kennen, gab es nicht. "Spiel 4 der NBA Finals zu gewinnen, schwieriger geht es kaum", sagte Jrue Holiday, der sich gegen die Defense von Doncic uncharakteristische 4 Turnover geleistet hatte: "Sie waren verzweifelt und haben uns einen Wirkungstreffer verpasst. Davon haben wir uns nicht mehr erholen können."

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Boston Celtics vor Spiel 5: Steph Curry und Kevin Durant als Vorbild?

Die fast schon absurd hohe Niederlage könnte für die Celtics am Ende auch etwas Gutes haben. Nicht deshalb, weil man bei einem Sieg in Spiel 5 vor den eigenen Fans feiern würde, sondern weil jeder gemerkt haben dürfte, dass auch dieses Mavs-Team zu Spitzenleistungen in der Lage ist. Dass 95 Prozent Einsatz eben nicht reichen. Bei den Celtics weiß man, dass auch ein 3-0 schneller als gedacht zusammenschrumpfen kann: Vor genau einem Jahr hatte man selbst ein 0-3 gegen die Miami Heat egalisiert, bevor sich Tatum im entscheidenden Spiel 7 früh am Knöchel verletzte und Boston unterging. Viel fehlte nicht, um das 156-0 in den Geschichtsbüchern in ein 155-1 zu verwandeln.

Zwei Tage hat das Mazzulla-Team nun, um sich für das nächste Duell zu sammeln (Di., 2.30 Uhr) - und bloß nicht das große Grübeln anzufangen, von wegen: "Wenn wir jetzt nicht gewinnen, geht es plötzlich wieder nach Dallas, wenn wir da wieder eine Abreibung kassieren, droht schon wieder ein Spiel 7 und eine historische Schmach, Dallas hat das Momentum, etc ..."

Dafür scheint das Team eigentlich zu gefestigt. "Diese Momente entscheiden über Erfolg oder Misserfolg", betonte Brown. "Wir müssen uns sammeln. Wir haben nicht damit gerechnet, dass es einfach wird - es gibt also keinen Grund, den Kopf zu verlieren."

Inspirieren lassen könnte man sich in Boston von den Golden State Warriors: Die standen in den Finals 2017 gegen LeBron James und die Cleveland Cavaliers nach drei Siegen zum Auftakt ebenfalls vor dem Sweep, verloren Spiel 4 allerdings deutlich mit 116:137. Gravierende Folgen hatte das nicht: Stephen Curry, Kevin Durant und Co. gewannen das anschließende Heimspiel mit 129:120 und krönten sich mit ein paar Tagen Verspätung doch noch zum Champion.

NBA Finals - Celtics vs. Mavericks: Die Serie in der Übersicht

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
17. Juni (Fr)2.30 UhrBoston CelticsDallas Mavericks107:89
210. Juni (Mo)2 UhrBoston CelticsDallas Mavericks105:98
313. Juni (Do)2.30 UhrDallas MavericksBoston Celtics99:106
415. Juni (Sa)2.30 UhrDallas MavericksBoston Celtics122:84
518. Juni (Di)2.30 UhrBoston CelticsDallas Mavericks
6*21. Juni (Fr)2.30 UhrDallas MavericksBoston Celtics
7*24. Juni (Mo)2 UhrBoston CelticsDallas Mavericks
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