NBA

"In meinen Augen kein guter Job": Die Verpflichtung von J.J. Redick als Head Coach der Los Angeles Lakers in der Analyse

Von Stefan Petri
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Die Los Angeles Lakers haben ihren neuen Head Coach gefunden: J.J. Redick soll die Geschicke der glamourösen Franchise übernehmen. Warum entschied man sich in L.A. für einen Kandidaten ohne bisherige Coaching-Erfahrung? Welche Rolle spielt dabei Superstar LeBron James? Und warum tut sich Redick den heißen Stuhl in Hollywood überhaupt an? Wir nehmen den Deal unter die Lupe.

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Head Coach J.J. Redick: Die Verpflichtung aus der Perspektive der Los Angeles Lakers

Eine lange, manchmal recht chaotisch anmutende Coaching-Suche scheint endlich beendet. Erstmals wurde Redick schon Mitte Mai mit den Lakers in Verbindung gebracht, vom Status des Topfavoriten auf den Job wurde er zwischenzeitlich von College-Coach Dan Hurley gestürzt. Den wollten die Lakers nach zwei Meisterschaften von den UConn Huskies weglocken, allerdings konnte man angesichts der inflationären Gehälter der letzten Jahre nicht gerade von einem überragenden Angebot sprechen. Hurley sagte öffentlich ab, fast zeitgleich wurden Stimmen laut, wonach er die Lakers nur dazu gebraucht habe, um seine Verhandlungsposition in Connecticut zu verbessern. Anschließend lief wieder alles auf Redick hinaus.

Nun haben die Lakers ihren (zweiten) Wunschkandidaten bekommen: Redick soll einen Vierjahresvertrag bekommen, angeblich verdient er acht Millionen Dollar pro Saison. Das sprengt nicht unbedingt das Budget der Franchise, ist für einen Berufsanfänger ohne bisherige Coaching-Erfahrung aber auch kein Pappenstiel. Zumal das Team mit seiner Verpflichtung durchaus ein Risiko eingeht.

Eine sichere Sache ist der 39-Jährige nicht, darüber wird man sich auch im Front Office in Los Angeles klar sein: Redick blickt auf 15 Jahre aktive NBA-Erfahrung zurück (2006-2021), gilt als intelligent und enorm fleißig. Aus seinen diversen Podcast-Unternehmungen und drei Jahren TV-Erfahrung ist er bestens vernetzt. Aber in den vergangenen Jahren taten sich auch deutlich prominentere Namen ohne vorherigen Coaching-Job schwer, zumindest in ihrer ersten Station - man denke an Steve Nash bei den Brooklyn Nets (2020), Derek Fisher bei den New York Knicks (2014) oder auch Jason Kidd bei den Brooklyn Nets (2013). Gerät Redick bei den Lakers zum Flop, wird es nicht nur teuer für Besitzerin Jeannie Buss, General Manager Rob Pelinka könnte ebenfalls wackeln.

Die Lakers in der Analyse: Im Sommer wieder auf Superstar-Jagd?

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Andererseits bringt der ehemalige Scharfschütze aber natürlich auch einiges mit, um erfolgreich zu sein. Die Grundzutaten für einen kommenden Star-Coach sind wie gesagt vorhanden. Redick ist jung genug, um mit der aktuellen Spielergeneration wunderbar klarzukommen, weiß aber auch, wie man ein Play auf der Taktiktafel aufzeichnet. Im besten Fall wird er das, was Steve Kerr bei den Golden State Warriors wurde - es gibt schließlich auch ein paar positive Beispiele für Head Coaches, die ins kalte Wasser sprangen.

Redicks größtes Pfund ist natürlich seine gute Beziehung zu Superstar LeBron James. Seit ein paar Monaten hostet das Duo den gemeinsamen Podcast Mind the Game, basketball-technisch sind sie also auf einer Wellenlänge. Medienberichten zufolge soll sich James zwar aus der Coaching-Suche der Franchise herausgehalten haben, gegen seinen Willen hätte man Redick aber ganz sicher nicht verpflichtet.

Die Personalie spricht deshalb auch stark dafür, dass der 39-Jährige der Stadt der Engel nicht den Rücken kehrt: LeBron hält eine Spieleroption für die Saison 2024/25, bis zum 29. Juni muss er entscheiden, ob er sie zieht oder zum Free Agent wird. Er könnte für ein Jahr bleiben oder gleich einen mehrjährigen Vertrag aushandeln: Auch auf der Zielgeraden seiner Karriere gehört er immer noch mindestens zu den Top-20 der NBA. LeBron zu halten, stand bei den Lakers auf der Offseason-Prioritätenliste zweifelsfrei ganz oben, selbst wenn er nicht mehr der MVP-Kandidat vergangener Jahre ist. Dass der neue Head Coach in der kommenden Spielzeit seine Rückendeckung genießt, dürfte nicht sehr weit darunter gelandet sein.

Redicks Verpflichtung spricht auch dafür, dass man es bei den Lakers endlich wieder auf mehr Stabilität abgesehen hat, dass die Basketball-Geschäfte wieder etwas langfristiger angegangen werden sollen. Seit dem Abgang von Ikone Phil Jackson, der mit dem Team gleich fünf Ringe gewinnen konnte, hielt kein Head Coach länger als drei Jahre bei den Lakers durch. Redick ist zwar LeBrons Spezi, aber sicher kein "Win-now"-Schachzug für die Lakers. Er soll bei der Franchise im besten Fall etwas aufbauen, über das früher oder später anstehende Karriereende LeBrons hinaus.

Das passt dazu, dass man seine Verpflichtung noch vor dem anstehenden NBA Draft perfekt gemacht hat, um ihn dabei mit ins Boot zu nehmen. Und es spricht dafür, dass man sich in Los Angeles einer bitteren Wahrheit gestellt hat: In der aktuellen Zusammenstellung ist der Kader kein Championship-Anwärter. Darvin Ham und Frank Vogel kamen zusammen in den letzten drei Spielzeiten gerade mal auf eine ausgeglichene Bilanz (123-123), 2023 und 2024 ging es nur via Play-In-Tournament in die Playoffs. Selbst wenn LeBron bleibt, muss ein neuer Anlauf gestartet werden, der vermutlich Zeit braucht. Dafür könnte Redick der richtige Mann sein.

Lakers: Die Head Coaches seit Phil Jacksons Rücktritt

ZeitraumCoachBilanz
2011-2012Mike Brown42-29
2012-2014Mike D'Antoni67-87
2014-2016Byron Scott38-126
2016-2019Luke Walton98-148
2019-2022Frank Vogel127-98
2022-2024Darvin Ham90-75
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Head Coach bei den Los Angeles Lakers: Der Deal aus der Perspektive von J.J. Redick

Für die Lakers ist Redick die klassische "High Risk/High Reward"-Variante. Das Gleiche könnte man aber auch für den neuen Übungsleiter sagen: Mehr Glamour als in L.A., bei der wohl populärsten Franchise der NBA - wenn auch nicht mehr der erfolgreichsten - geht eigentlich nicht. Dazu voraussichtlich an der Seite des besten Spielers des neuen Jahrtausends. Für Redick wird es die ultimative Herausforderung. Und er stellt sich ihr bewusst.

Denn: Wo die Lakers nach Hurleys Absage gar nicht mehr so viele Optionen hatten, konnte sich Redick seinen ersten Coaching-Job in der NBA aussuchen. Mit seinen Podcasts, seinem eigenen Medienunternehmen und der Rolle als TV-Experte bei ESPN war er bislang ausgezeichnet aufgestellt. Interesse gab es nicht nur aus Los Angeles: "Sechs bis acht" Franchises hätten bei ihm zwecks einer Coaching-Rolle angefragt, verriet er im Januar, verbrieft sind Interviews mit den Charlotte Hornets und Toronto Raptors. Assistant Coach unter Joe Mazzulla bei den Boston Celtics hätte er ebenfalls werden können. Heißt: Nicht nur Redick musste die Lakers von sich überzeugen, sondern auch umgekehrt.

Gleichzeitig befindet er sich in L.A. natürlich von Tag eins an unter dem ultimativen Brennglas. Wo er in Charlotte nahezu ungestört Erfahrung hätte sammeln können, wird bei den Lakers jede Entscheidung in den nationalen Medien rauf und runter diskutiert werden. Wie lange ihn die gute Beziehung zu LeBron retten wird, wenn es dann mal nicht läuft, bleibt abzuwarten: Sieben der letzten neun Head Coaches von James verloren ihren Job unfreiwillig ...

Redicks Hauptaufgabe wird es erst einmal sein, einen passenden Coaching Staff um ihn herum zu finden. Dabei braucht es auch Assistant Coaches mit viel Erfahrung, die wissen, wie der Hase läuft. Kandidaten sind laut The Athletic aktuell Scott Brooks (ehemals Head Coach bei OKC und in Washington), der aktuelle Mavs-Assistant Jared Dudley und der ehemalige Star-Point-Guard Rajon Rondo. Was ebenfalls passen könnte: Stan van Gundy. Unter ihm begann Redick 2006 seine Karriere bei den Orlando Magic.

Danach geht es an den Draft und die Planung des Kaders für die kommende Saison. Welches Mitspracherecht sich Redick sichern konnte, ist unklar. "Bis sie ihr Team so aufbauen, wie es jede andere Franchise auch tut, in der modernen NBA, ist es in meinen Augen kein guter Job", hatte er selbst vor zwei Jahren betont, als sich die Lakers zuletzt auf Coaching-Suche befanden.

Die Tatsache, dass sich das Front Office für ihn entschieden hat, spricht dafür, dass man ihm auch die nötige Zeit geben wird, um seine Ideen umzusetzen. Ob das in die Timeline von LeBron James und des mittlerweile 31 Jahre alten Anthony Davis passt, ist wieder eine andere Frage. Was passiert, wenn das Duo intern auf einen weiteren Mega-Trade pusht, Redick selbst aber langsam aufbauen will? Es wird den einen oder anderen Konflikt geben - auch mit LeBron.

Anthony Davis ist für das Spiel in New Orleans fraglich.
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J.J. Redick zu den Los Angeles Lakers: Was bedeutet das für ...

  • LeBron James: Er wird seinen Wunschkandidaten bei den Lakers bekommen haben, alles andere würde keinen Sinn ergeben. Ob es den gemeinsamen Podcast weiterhin geben wird, bleibt abzuwarten, aber natürlich wird LeBron auch so ein gewichtiges Wörtchen mitreden, was die Taktik etc. angeht. Gleichzeitig kann er es sich aber diesmal nicht leisten, Redick mit passiv-aggressiven Interviews, Tweets oder Mätzchen an der Seitenlinie zu untergraben.
  • Anthony Davis: Laut Journalist Marc Stein hätte AD lieber James Borrego als neuen Head Coach gehabt. Er kennt Borrego noch aus der gemeinsamen Zeit bei den New Orleans Pelicans. Außerdem stimmte Redick in der letzten Saison nicht für Davis als All-Defense-Spieler ...
  • Junge Coaching-Anwärter: "Gut kopiert" ist halb gewonnen, das gilt natürlich auch in der NBA. Ein paar Fehlschläge mit unerfahrenen Head Coaches wurden oben bereits erwähnt, aber sollte Redick bei den Lakers tatsächlich einschlagen, wird der nächste Anwärter schnell seine Chance bekommen.
  • TV-Experten: Ein guter Schritt auf dem Weg zum (Head) Coach in der NBA? TV-Kommentator - am besten in den Finals. Das klappte nicht nur bei Redick, sondern in der Vergangenheit auch bei Doc Rivers (vor den Bucks ging er 2004 praktisch aus dem TV-Studio zu den Celtics), Doug Collins (2001 zu den Wizards), oder auch beim langjährigen ESPN-Experten Jeff van Gundy, der kommende Saison Top-Assistant bei den LA Clippers wird. Im Fernsehen bleibt man im Gedächtnis und kann als Experte glänzen - und es gibt ganz sicher härtere Jobs, die schlechter bezahlt sind.