Im Grunde wusste jeder einzelne der 18.951 Zuschauer in der Amway Arena, was passieren wird. Im Grunde wusste jeder Spieler der Orlando Magic, was ihnen drohen könnte. Am besten wusste es aber wohl Hedo Turkoglu, der sich so oft wie kaum ein anderer in den letzten Jahren mit Dirk Nowitzki duelliert hat.
Das Topspiel des Ost-Dritten gegen den Titelverteidiger steht auf Messers Schneide: 98:98. Es sind nur noch 5 Sekunden auf der Uhr, die Dallas Mavericks laufen ihren letzten Angriffszug so, wie man es erwartet.
Der Ball geht zu Nowitzki, der an seinem Lieblingsspot halbrechts auf Höhe der Freiwurflinie gegen Turkoglu aufpostet, während sich alle Mitspieler zur ballentfernten Seite orientieren, um ihrem Superstar so viel Platz wie möglich zu verschaffen.
Dem gut verteidigenden Turkoglu ist schwer ein Vorwurf zu machen, aber Nowitzki erkennt die sich ergebende Gelegenheit, dreht sich um die eigene Achse, springt nach hinten ab und wirft seinen patentierten One-Legged-Fadeaway ins Gesicht des Gegenspielers. Der Ball scheint zu weit nach rechts zu fliegen - aber mit Brett geht er doch rein. Dallas führt 100:98.
Orlando vergibt zwei Chancen
Beim letzten Angriff bekamen die Magic noch zwei Chancen auf den Ausgleich oder sogar den Sieg, weil Dallas wie so oft in dieser Saison in der Crunchtime das Verteidigen vergaß, aber Turkoglu vergab den offenen Dreier - genauso wie Ryan Anderson, der zwar völlig frei zum Offensiv-Rebound kam, aber den Tip-In 1,6 Sekunden vor dem Buzzer nicht verwandeln konnte.
Mit dem 100:98-Erfolg rehabilitierte sich Dallas für die ernüchternde Niederlage in der Nacht zuvor bei den Miami Heat. Wobei die Mavs erneut eine Schwäche offenbarten: Das Rebound-Verhältnis von 37:47 war erneut miserabel.
Dass es dennoch zum 3. Sieg in den letzten vier Spielen reichte, hing mit Nowitzki zusammen, der 9/18 seiner Würfe für 28 Punkte traf. Außerdem gab er 1:32 Minuten vor dem Ende beim Stand von 93:97 den wichtigen Assist zu Delonte Wests Dreier, der Dallas überhaupt erst wieder in die Partie brachte.
West zeigt seinen Wert
Neben Nowitzki hinterließ vor allem West einen guten Eindruck: Nach seinem Dreier verwandelte er zwei weitere Freiwürfe und erzielte bei seinem zweiten Spiel nach dem Comeback insgesamt 15 Punkte (5/10). Die überragende Plus/Minus-Statistik: +17.
Jason Terry zeigte sich nach seinem persönlichen Desaster in Miami stark verbessert und trug 17 Punkte bei - und zog erneut die Aufmerksamkeit auf sich, nachdem er im Anschluss an die Heat-Niederlage selbst Gerüchte über einen möglichen Wechsel nach Miami angeheizt hatte.
Terry ohne Stirnband und Socken
In Orlando wiederum sorgte er mit einer Wette für ein Kuriosum: Weil er bei einer TV-Sendung eine Art Zirkeltraining gegen Magic-Point-Guard Jameer Nelson verloren hatte, musste er erstmals in der NBA-Karriere darauf verzichten, in einem NBA-Spiel sein Stirnband und die hohen Socken zu tragen.
Terry schien das so zu verunsichern, dass er in den ersten drei Vierteln blass blieb. Erst als der extrem abergläubige Terry im vierten Viertel doch noch das Stirnband und die hohen Socken anzog, lief es: Jet erzielte unter anderem Mitte des Abschnitts innerhalb von 1:04 Minuten 8 Punkte und brachte Dallas auf 85:86 heran.
"Ich bin stolz auf die Jungs. D-West hat das Momentum zu unseren Gunsten gedreht. Und Jet lief heiß. Die Jungs haben füreinander gekämpft, so muss das sein", sagte Nowitzki.
Dallas gelingt endlich wieder ein Comeback
Coach Rick Carlisle stellte vor allem die Toughness heraus, die in Miami noch gefehlt hatte. Orlando ging kurz vor dem Ende des dritten Viertels mit 15 Punkten in Führung (77:62), dennoch gab sich Dallas nicht auf und drehte die Partie. Es war im 21. Spiel der Saison, bei dem Dallas mit einem Rückstand ins vierte Viertel ging, erst der 2. Sieg.
"Wir blieben dran. Wir waren mit 15 hinten, dennoch ließen wir nicht nach und zeigten die nötige Kraft, den nötigen Mumm und das nötige Gemeinschaftsgefühl", sagte Carlisle, der aber auch feststellte: "Es liegt eine Menge Arbeit vor uns. Es sind noch 13 Spiele bis zu den Playoffs und wir haben viel Luft nach oben."
Haywood duelliert sich mit Howard
Neben dem Erfolg gab es jedoch eine weitere positive Nachricht aus Dallas-Sicht: Starting-Center Brendan Haywood kehrte nach seiner zweiwöchigen Verletzungspause zurück und bewies sofort seinen Wert.
Zwar wurden für ihn nur 5 Punkte (2/5) und 3 Rebounds in 26 Minuten notiert, doch mit seiner physischen Art setzte er Magic-Superstar Dwight Howard ordentlich zu.
Howard holte zwar 15 Rebounds, blieb aber ansonsten blass (19 Punkte, 6/13) und verwarf 7 der 16 Freiwürfe.
Bester Spieler der Magic war Nelson: Er gewann nicht nur die Wette gegen Terry, sondern mit 24 Punkten auch das interne Scoring-Duell. Doch darauf hätte er wohl verzichten können.
NBA: Der Spielplan der Saison