NFL

Der Kratzer im Lack des Golden Boy

Wird die Betrugs-Vorwürfe wohl nicht mehr loswerden: Tom Brady
© getty

Die NFL hat gegen die New England Patriots und deren Quarterback Tom Brady ein drakonisches Urteil gefällt - und sich womöglich übernommen. Doch was auch immer am Ende von Deflate-Gate bleibt: Gewinner wird es nicht geben. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Stefan Petri.

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Eine Entschuldigung hatte Patriots-Besitzer Robert Kraft noch im Januar von der Liga gefordert, sollte der Wells-Report nicht zweifelsfrei belegen, dass das Team in Bezug auf den Luftdruck in den Bällen gemauschelt habe. Eine Entschuldigung insbesondere in Richtung Coach Belichick und Quarterback Tom Brady.

Dreieinhalb Monate später ist klar: Diese Entschuldigung wird es nicht geben. Stattdessen lässt Imperator Roger Goodell seinen Hammer der Gerechtigkeit mal wieder mit voller Härte heruntersausen - zum Entsetzen Krafts, Bradys, Belichicks und der Pats-Fans auf dem Globus. Vier Spiele Sperre, eine Million Dollar Strafe, der Verlust von zwei wertvollen Draft-Picks.

Die Reaktionen zum Brady-Urteil: "This is absolutely ridiculous!!!"

Der Protest war groß, die Neuverhandlung vor einem unabhängigen Schiedsgericht ist nur eine Frage der Zeit. Das letzte Wort im Deflate-Gate-Prozess ist noch längst nicht gesprochen, aber eines ist sicher: Gewinner gibt es keine.

Belichick büßt für vergangene Sünden

Für Belichick sind die Draft-Picks eine enorme Schwächung. Dabei war das 63-jährige Mastermind von Wells sogar entlastet worden - die Pressekonferenz im Januar, als er seinem Quarterback den Schwarzen Peter zugeschoben hatte, wurde bestätigt.

Aber auch er kam am Mantra von Goodell nicht vorbei: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Das galt für die Saints und Bountygate ebenso wie jetzt für die Pats. Und: Die Liga vergisst nicht. Nach Spygate konnte er keine Nachsicht erwarten.

Goodell schwächt sich selbst

Der Commissioner positionierte sich als starken Mann, dem die Integrität der NFL über alles geht, hängte sein Fähnchen allerdings nur ein weiteres Mal in den Wind. Statt sofort nach Veröffentlichung des Berichtes eine Strafe zu verhängen, wartete er die Reaktion der Öffentlichkeit ab - ganz zu schweigen davon, dass der Wells-Report gespickt mit Unstimmigkeiten und alles andere als unabhängig ist.

Es scheint fast sicher, dass die Strafe nach erneuter Verhandlung mindestens reduziert werden wird. Es wäre eine weitere Niederlage für den vor Hybris strotzenden Wachhund des Sports, dessen Amtszeit einer Pleiten-, Pech- und Pannenshow gleicht. Mit Kraft hat er seinen vielleicht größten Beschützer gegen sich aufgebracht. Als Sündenbock ist der Beschützer des Schildes enorm wertvoll für die 32 Teameigner. Aber eben nicht unersetzlich.

Brady als "Cheater" gebrandmarkt

Der größte Verlierer in der Deflate-Gate-Saga ist jedoch Tom Brady. Selbst wenn die Sperre reduziert oder gar aufgehoben werden sollte: Der hässliche Kratzer im Lack des Golden Boy wird bleiben. Brady, mit nunmehr vier Titeln für viele Experten der "Greatest of all Time", war aus Spygate unbeschadet hervorgegangen und hatte endlich den ersten Ring seit des Kamera-Eklats gewonnen, die Kritiker zum Schweigen gebracht. Stattdessen sieht er sich nun als "Cheater" gebrandmarkt.

Fünf Fragen zu Deflate-Gate: Hartes Exempel oder teurer Fehler?

Dabei spielt es keine Rolle, wie viel Luft zur Halbzeit des Colts-Spiels genau in den Bällen steckte. Die SMS, die übrigens schon lange vor dem Colts-Spiel hin und her gingen. Die langen Telefonate mit Handlanger Jastremski. Die Videoaufnahmen. Die Geschenke. Die widersprüchlichen Aussagen. Die auch von ihm forcierte Regeländerung, die den QBs Handlungsfreiheit bei der Vorbereitung des Balles gewährte.

Und natürlich auch das Zurückhalten der entlastenden Telefondaten, sollte Brady wirklich unschuldig sein. Alles nur Indizien, keine Frage. Aber eben auch kein Zufall, dass die Verteidigungsstrategie kein treuherziges "Seht her, wir haben nichts zu verbergen", sondern vielmehr ein trotziges "Kommt nur, ihr könnt uns nichts beweisen!" war.

Der größte Gewinner als Verlierer

Brady mag sich hinter seinem Vater und seinem Agenten verstecken, eine Verschwörung vermuten und wie vor wenigen Tagen behaupten, der Super-Bowl-Sieg sei durch Wells' Bericht nicht befleckt. Doch mehr als ein Pfeifen im Walde ist das nicht. Zumal eine schnelle Untersuchung sogar eine Sperre im Endspiel hätte nach sich ziehen müssen.

So bleibt ihm der vierte Ring, der Mount Rushmore des Football ist ihm sicher. Brady ist ein All-Time-Great, daran wird auch der Wells-Report nichts ändern. Aber seine "Legacy", die ebenso beliebte wie unnötige Diskussion um seinen Platz im Pantheon, wird den Schatten von Deflate-Gate nicht loswerden. Er, der ultimative Gewinner seines Sports, hat diesmal verloren.

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