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Palmer: In Topform gegen die Ex

Carson Palmer spielt seine vielleicht beste Saison und blüht im vertikalen Passing Game auf
© getty

Wenn die Arizona Cardinals im kommenden Sunday Night Game die Cincinnati Bengals empfangen, steht ein Spieler unweigerlich im Fokus: Quarterback Carson Palmer verließ Cincinnati einst im Streit, nach einem Umweg über Oakland spielt er in Arizona derzeit so gut wie nie zuvor. Können die Cards nach dem emotionalen Sieg in Seattle weiter marschieren? Oder schlägt Cincinnati nach der Houston-Pleite zurück? SPOX zeigt den Kracher in der Nacht zum Montag (2.30 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!

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Die Fronten waren klar geklärt: Carson Palmer wollte nicht mehr. Er hatte keine Lust mehr auf Cincinnati. Nach seinem schweren Kreuzbandriss, einer hartnäckigen Ellbogenverletzung und einer miserablen 4-12-Saison wollte Palmer 2011 weg. "Wir saßen hier in einem Büro und haben mehrfach über die gemeinsame Zukunft gesprochen", berichtete Bengals-Eigentümer und Geschäftsführer Mike Brown jüngst im Gespräch mit FOXSports.

Er habe seinem Quarterback mehrfach davon zu überzeugen versucht, dass er "noch viele produktive Jahre vor sich hat. Er sagte dann: 'Nein, ich bin kaputt. Ich kann von Glück reden, wenn ich noch ein oder zwei Jahre spielen kann.' Ich selbst habe das nicht geglaubt." Palmer bat das Team letztlich um einen Trade, die Bengals lehnten ab.

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Es folgte eine unschöne Schlammschlacht, schnell wurden Gerüchte in die Welt gesetzt. Der Mann, der Cincinnati fünf Jahre zuvor zum ersten Mal seit 15 Jahren und vier Jahre später erneut in die Playoffs geführt hatte, manövrierte sich innerhalb weniger Monate komplett ins Abseits. Brown pochte auf den bestehenden Vertrag und so wurde Palmer, nachdem er nicht zum Training Camp erschien, vorerst auf die entsprechende Reserve-Liste gesetzt.

Bis heute haben Brown und der einsteige Nummer-1-Draft-Pick unterschiedliche Ansichten darüber, was tatsächlich passiert ist. "Ich werde jetzt keine Wer-hat-was-gesagt-Debatte mit Mike Brown starten. Wir waren offensichtlich unterschiedlicher Meinung und das endete in einer hitzigen Debatte. So ging es dann auseinander. Aber jetzt ist nicht die Zeit oder der Ort um über das zu sprechen, was er damals gesagt hat", stellte Palmer vor einigen Tagen klar. "Ich habe meine Sicht der Dinge noch nie erzählt, dafür wird es irgendwann den richtigen Moment und den richtigen Ort geben."

Rücktritt - Oakland - Karriereende?

Was damals tatsächlich hinter verschlossenen Türen passierte, bleibt also offen. Klar ist aber: Palmer, der gar bereit war, seine Karriere komplett zu beenden, und die Bengals sahen Mitte der 2011er Saison auf einmal einen Ausweg. Während Rookie Andy Dalton in Cincinnati gut spielte, fragten plötzlich die Oakland Raiders an. Die hatten gerade ihren Starting-Quarterback Jason Campbell aufgrund eines Schlüsselbeinbruchs verloren. Brown, der einen Trade noch wenige Wochen zuvor kategorisch ausgeschlossen hatte, stimmte zu.

Palmer konnte sich schnell mit Oakland identifizieren, vor allem dank des damaligen Raiders-Coaches (mittlerweile Offensive Coordinator der Bengals) Hue Jackson. Der hatte den Quarterback schon am College trainiert und war während Palmers Anfangszeit in Cincinnati der Wide-Receiver-Coach der Bengals. Als also die Raiders einen Erstrunden-Draft-Pick im kommenden Jahr sowie einen Zweitrunden-Pick zwei Jahre später anboten, waren sich alle schnell einig.

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Cincinnati blickte nicht mehr wirklich zurück. Daltons Auftritte waren vielversprechend, die beiden Extra-Picks nutzten die Bengals für Cornerback Dre Kirkpatrick und Running Back Giovani Bernard. Palmer auf der anderen Seite spielte durchwachsen in Oakland und konnte die hohe Investition der Raiders in ihn nie rechtfertigen. So hielt die kurze Ehe keine zwei Jahre - nach der 2012er Saison war er wieder auf dem Transfermarkt. Es lockte eine ganz andere Aufgabe.

"Habe noch einiges im Tank"

Bruce Arians hatte gerade in Arizona übernommen und wollte ein aggressives, vertikales Passing Game aufziehen. Dafür brauchte er dringend einen Quarterback, der konstant weite Pässe liefern konnte - seit jeher eine von Palmers Spezialitäten. Für Sechst- und Siebtrunden-Picks gaben die Raiders, die gerade Matt Flynn geholt hatten, grünes Licht. Inzwischen war Palmer 33 Jahre alt, doch nach eineinhalb frustrierenden Spielzeiten in Oakland gab ihm die Aufgabe in der Wüste offenbar neuen Auftrieb.

Keine Spur war übrig von jener vermeintlichen Müdigkeit, keinerlei Selbstzweifel waren mehr zu vernehmen. "Ich habe noch einiges im Tank", kündigte Palmer bei seiner Vorstellung selbstbewusst an, und fügte in einem Anflug von Optimismus hinzu: "Die Mentalität hier ist nicht: 'Wir können in ein paar Jahren gut sein.' Das Team will jetzt gewinnen und an diesem Punkt bin ich in meiner Karriere ebenfalls angelangt."

Comeback mit wehenden Fahnen

Nicht wenige hatten Palmer, als er in Oakland zunehmend abzubauen schien, wieder abgeschrieben - und es sollte noch ein dritter Moment folgen, in dem seine Karriere am seidenen Faden hing. Ein kurzer Exkurs in den zehnten Spieltag der Saison 2014: Wenige Tage zuvor hatte er gerade eine Vertragsverlängerung in Arizona unterschrieben, als Palmer im Spiel gegen die Rams im vierten Viertel in die Pocket trat. Plötzlich knickte ihm das Bein weg, lange lag er am Boden. Wenig später war klar: Kreuzbandriss, Saisonaus.

Doch es war ein ganz anderer Palmer als jener aus den späten Bengals-Tagen, der sich bald den Medien stellen sollte. "Der härteste Teil daran ist, dass ich im Moment so viel Spaß habe wie noch nie in meiner Karriere. Das ist das beste Team, von dem ich bislang ein Teil war." Und doch war die Frage: Wie würde Palmer zurückkommen? Würde er überhaupt zurückkommen? Immerhin handelte es sich um das gleiche Knie, an dem er sich bereits in Cincinnati schwer verletzt hatte.

Spulen wir in die Gegenwart vor: Nach gut der Hälfte der 2015er Saison sind alle Zweifel komplett verflogen. Und viel mehr als das: Die Cardinals haben gerade einen hochemotionalen Sieg in Seattle eingefahren - und das primär dank einer weiteren herausragenden Leistung von Palmer selbst. Als die Offensive Line um ihn herum zusammenbrach und die Seahawks-Defense das Spiel an sich riss, hatte Palmer Antworten parat - in bester Bruce-Arians-Manier.

"Wir greifen immer an"

Die Cardinals spielen in dieser Saison die aggressivste Passing-Offense der Liga, führen die NFL in Yards pro Passversuch (8,8) deutlich vor den zweitplatzierten Steelers (8,3) an. Lediglich die Patriots haben noch einen Passing-Touchdown mehr auf dem Konto als Arizona (23). "Wir greifen immer an. Das gilt offensiv, genau wie defensiv", erklärte Palmer. "Wir wollen nicht die Uhr kontrollieren und den Gegner zermürben. Wir wollen die Big Plays und werden aggressiv sein. Egal, wie viele Yards zum First Down fehlen."

Wie Hawks-Coach Pete Carroll, auf dem College noch Palmers Head Coach, schon vor dem Duell klar stellte: "Ich habe ihn noch nie besser gesehen. Carson spielt phänomenal. Er hat die volle Kontrolle über die Offense und hat jeden Wurf drauf. Darüber hinaus haben sie eine gute Gruppe an Receivern."

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Beides sind wichtige Argumente: Palmer hat ein ungewöhnlich großes Mitspracherecht, was die Auswahl der Spielzüge für den Game Plan angeht, profitiert von Arians Big-Play-Ansatz und genießt große Freiheiten an der Line of Scrimmage. Ein weiterer Grund dafür, dass Arians' Offense in diesem Jahr so gut funktioniert, ist das vielseitige Receiving-Corps: Larry Fitzgerald glänzt im Slot, Michael Floyd als großer Outside Receiver.

Dazu kommen der nach wie vor angeschlagene John Brown sowie Rookie J.J. Nelson, die für die dringend benötigte Geschwindigkeit sorgen. Arians, der am Sonntag voraussichtlich wieder mit Guard Mike Iupati planen kann, stimmt die Routes seiner Receiver auf dem Platz geschickt aufeinander ab - im Gegensatz zu vielem, was etwa die Packers in ihrem Passing Game machen. Das erschwert es den Gegnern, die Konzepte zu verteidigen. Palmer füllt all das mit Leben. Er ist der unangefochtene Leader dieser Offense.

Dalton: "Wir wissen, wer wir sind"

Kurzum: Der 35-Jährige ist vor dem Duell mit seinem Ex-Team in absoluter Topform, trifft aber nach den Seahawks auf eine weitere starke Defense. Die Bengals lassen defensiv magere 6,7 Yards pro Passversuch zu, nur vier Teams haben bislang weniger Passing-Touchdowns kassiert als Cincy (11). Es ist eine variable Defense, die sowohl ultra-aggressiv spielen, sich aber auch primär auf die Coverage fokussieren kann. Es bleibt abzuwarten, welchen Stil Cincinnati in Phoenix wählen wird.

Ebenfalls wird es spannend zu sehen, wie die Bengals ihre unerwartete Heimpleite gegen Houston am Montagabend verkraftet haben. Die Offense erlebte ihr mit Abstand schwächstes Saisonspiel, mit den Cardinals wartet jetzt eine stärkere Secondary auf die Receiver. Kostspielige Drops, wie die von Tyler Eifert am Montag, sind also verboten. Auch Cincinnatis Run-Offense wird sich, nach ebenfalls enttäuschendem Auftritt gegen die Texans, in Arizona erst beweisen müssen - es sollte alles in allem ein Schwergewichtskampf werden.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass sich irgendetwas aus der Vorwoche auf dieses Spiel überträgt. Wir sind besser als das, was wir am Montag abgeliefert haben", stellte Dalton klar und fügte hinzu: "Dieses Spiel wird unsere Saison nicht definieren. Wir stehen immer noch bei 8-1 und führen unsere Division an. Wir wissen, wer wir sind." Immerhin ist es für das Team, das Right Tackle Andre Smith (Gehirnerschütterung) zurück erhält, gleichzeitig eine Chance: Ein Sieg in Arizona und die zahlreich auf den Plan getretenen Kritiker wären schnell wieder zum Schweigen gebracht.

Nicht irgendein Spiel!

Aus diesen Gründen, und das macht es zusätzlich brisant, ist das Sunday-Night-Game für beide Teams also ein besonderes Spiel. Ganz nebenbei kämpfen beide immerhin um eine möglichst gute Bilanz in puncto Playoff-Seeds. Auch Palmer gab im Cincinnati Enquirer ganz offen zu: "Das ist nicht irgendein Spiel, da mache ich euch überhaupt nichts vor. Da geht es definitiv um einiges, auch für mich persönlich."

Bengals-GM Brown fügte seinen Ausführungen bezüglich der Trennung von Palmer schließlich noch hinzu: "Ich mag Carson Palmer persönlich. Ich bedauere es, dass wir so auseinander gegangen sind. Ich will genauso wenig gegen ihn verlieren, wie er gegen uns, das wird er auch im Hinterkopf haben. Aber davon abgesehen wünsche ich ihm alles Gute."

Und dann sagte Brown noch etwas, das auch Dalton, der seinerseits noch auf den ersten Playoff-Sieg wartet, zur Kenntnis nehmen dürfte: "Ich sehe wie Carson momentan spielt und ich sehe den Spieler, der er auch hier war. Wenn er seine Leistung abrufen kann, ist er ein großer Quarterback, der dir Spiele gewinnen kann." Genau das will Palmer in dieser Saison beweisen. Idealerweise mit dem ganz großen Wurf.

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