3. MVP werden sollte...
Adrian Franke (SPOX): Ehrlich gesagt gibt es für mich genau zwei Namen, die ernsthaft eine Rolle spielen sollten: Tom Brady und Russell Wilson, mit Antonio Brown mit Abstand als Nummer drei auf dem Treppchen. Das soll nicht bedeuten, dass ein Carson Wentz oder ein Case Keenum keine gute Saison spielt, das tun sie - bei beiden aber sind es zu einem nicht vernachlässigbaren Teil auch die großartigen Umstände (Receiver, Scheme, Line) um sie herum, die sie so gut aussehen lassen. Gerade Wilson hat die nicht, und so ist meine Antwort: Brady ist der beste Spieler dieser Saison, Wilson der MVP - vor Brady. Ja, Wilson hatte einige schlechte Spiele, wie er sie jedes Jahr hat, und das sieht dann schnell sehr hässlich aus. Aber wir sprechen ja vom wertvollsten, nicht vom besten Spieler, ein klarer Unterschied. Der wertvollste Spieler ist Wilson, ohne den die Seahawks-Offense ein Debakel wäre. Abgesehen von Aaron Rodgers traue ich keinem Quarterback zu, hinter dieser Line und mit diesem "Scheme" auch nur irgendetwas Produktives abzuliefern. Seattles Game Plan gegen Philly funktioniert ebenfalls mit sonst keinem anderen Quarterback. Russell Wilson IST die Seahawks-Offense.
Thomas Psaier (Sidelinereporter.com): Da kann ich nicht mitgehen, Adrian. Ebenso klare wie langweilige Antwort auf eine einfache Frage: Tom Brady. Brady hat bislang 8.2 ANY/A geworfen (Adjusted Net Yards per Attempt, die Statistik, die am besten mit Sieg und Niederlage korreliert) - für ein Team, dessen absurde Defensivprobleme in der ersten Saisonhälfte bestens dokumentiert sind. Der vielerorts verehrte Carson Wentz ist mit 7.4 ANY/A nur auf Platz 6 und genießt zudem die Unterstützung einer famosen Defense. Man könne Argumente für Russell Wilson aufbringen, der an fast allen Seahawks-Touchdowns beteiligt war - aber Wilson macht als Werfer "nur" 6.9 ANY/A. Er wäre die "aufregende" Wahl, wenn Brady den Amerikanern zu langweilig wird.
Marcus Blumberg (SPOX): Hört mir bloß auf mit MVP! Der MVP wird grundsätzlich der Falsche und verliert dann den Super Bowl. Lächerlich alles. Aber gehen wir die Sache mal durch: Nach fünf Wochen war sich alles einig, dass der übermenschliche Alex Smith es werden muss. Jetzt stehen die Chiefs bei 6-6 und alles schreit nach dem Rookie. Dann hieß es, Carson Wentz sei eine Art Wiederkunft des Herrn und die Eagles das beste Team der Liga, also muss es Wentz werden. Philly verlor nun relativ klar bei den Seahawks mit ihren Überresten der Legion of Boom. Fernab des Ganzen gibt es einen künftigen Hall-of-Famer, der eine weitere brillante Saison hinlegt und zum x-ten Mal in Folge zweistellig Spiele gewonnen hat - trotz seiner 40 Lenze. Will sagen: Tom Brady sollte locker MVP werden. Also wird's Case Keenum.
mySPOX-User BigLuck: It's Groundhog Day all over again. Jedes Jahr wird heiß über den MVP diskutiert, jedes Jahr frage ich mich, warum im ultimativen Teamsport unbedingt ein Spieler speziell herausgehoben werden muss. Dazu kommt, dass die Kandidaten inzwischen (sollte nichts wirklich Außergewöhnliches passieren) auf eine Position beschränkt sind und bei der Bewertung der Einzelleistung wiederum der Teamerfolg mit einbezogen wird. So viel zur Einleitung, die eigentlich nur von der unfairsten Aufgabe ablenken soll, die man einem Colts-Fan stellen kann. Denn wer bleibt als Kandidat? Meiner Meinung nach hat kein Nicht-QB genug herausgeragt, um ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Bleiben Wentz als das Gesicht des Eagles-Aufschwungs sowie Wilson, der hinter einer löchrigen O-Line eine tolle Saison spielt. Der verdiente MVP aber, so ungern man das als Colts-Fan schreibt, wird Tom Brady, der seiner zu Saisonbeginn desolaten (und auch jetzt nicht wirklich guten) Defense trotzte und gefühlt stark wie nie die Patriots zu einer wieder einmal lockeren Playoff-Teilnahme führt.