Eine Sache ist klar: Alle Anwärter auf den Packers-Coaching-Posten sehen dieses Team im Win-Now-Modus. Wer jetzt nach Green Bay kommt, der will die letzten Jahre der Karriere von Aaron Rodgers ausnutzen und einen Titel gewinnen - das muss das Ziel sein.
Die Art und Weise, wie Rodgers' Talent über die vergangenen Jahre zu häufig in einem nicht mehr zeitgemäßen Offensiv-Scheme (kombiniert mit einer oftmals desolaten Defense) verschwendet wurde, ist der größte Vorwurf gegen McCarthy. Dazu kommen teilweise absurde Coaching-Fehler innerhalb eines Spiels wie etwa der Punt spät im Schlussviertel bei den Seahawks vor einigen Wochen, mit dem Green Bay Seattle den Sieg letztlich auf dem Silbertablett servierte.
McCarthys Scheme und die zunehmend zerbröckelnde Beziehung zu Rodgers sind hauptverantwortlich dafür, dass die Packers erstmals in ihrer reichen Geschichte einen Head Coach während der Saison entlassen haben - beide Dinge gehen dabei Hand in Hand.
In Zeiten, in denen Offenses mit Motion und Option (Chiefs), einer Vielzahl an Formationen und extremer Ausgeglichenheit (Saints) und unglaublich eng miteinander verknüpften Run- und Pass-Play-Designs sowie daraus einem exzellenten Play-Action-Game (Rams) Defenses dominieren und ihren Quarterbacks offene Receiver und klare Reads geben, vor allem auch die jeweiligen Stärken ihrer QBs betonen, hat die Packers-Offense zu lange stagniert.
Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Green Bays Offense sah im Vergleich zu den Top-Offenses der Liga oftmals Pre-Snap statisch und altbacken aus. Über die vergangenen Jahre hielt McCarthy viel zu lange an seinen ISO-Konzepten fest. Kurz gesagt: Receiver laufen Routes für sich gewissermaßen im Vakuum gegen ihren Gegenspieler, ohne dass die Laufwege gezielt aufeinander aufbauen und einander helfen. McCarthy versäumte es, die Offense im Kern weiterzuentwickeln.
Packers: McCarthy findet keine Offense-Basis
Das heißt nicht, dass McCarthy keine neuen Elemente versuchte. In der Vorsaison - in der Rodgers verletzungsbedingt lediglich sieben Spiele absolvierte - spielten die Packers die drittmeisten Run Pass Options (143) hinter den Eagles (181) und Chiefs (168) und mit deutlichem Abstand vor dem vierten Team, Carolina (104). Auch mehr Quarterback-freundliche Designs konnte man mit Backup Brett Hundley vereinzelt beobachten.
Im Laufe dieser Saison wechselte McCarthy schrittweise zu mehr engen Formationen und weniger ISO-Routes, doch waren das eben neue einzelne Elemente - kein kompletter, koordinierter Identitätswechsel der Offense, wie man ihn in New England etwa regelmäßig über die letzten zehn Jahre gesehen hat.
So fehlte es den Packers an einer Basis. Immer wieder gab es Spiele, in denen Green Bay davon abhängig war, dass Rodgers alleine Plays kreiert - und andernfalls keine schematische Antwort hatte, auf die man zurückfallen konnte. Die Niederlage gegen Arizona war nur das jüngste Beispiel dafür.
Und dennoch: Der größte Fehler wäre es, Rodgers jetzt auf ein Podest zu stellen und ihn von aller Schuld freizusprechen. Schon seit einer Weile ist erkennbar, dass er Probleme mit Pressure hat. In diesem Jahr wurden zudem ungewohnte Accuracy-Probleme deutlich - mehrfach auch in kritischen Momenten. Die freien Receiver, die das Scheme ihm lieferte, ignorierte Rodgers häufig oder er verfehlte sie. Er stand vor Week 13 bereits bei 47 Throwaways, kein anderer Quarterback ging mit über 27 (Goff) in die Woche. Nur vier standen überhaupt bei über 20.
Wie soll die neue Packers-Offense aussehen?
Rodgers gilt als einer der intelligentesten Quarterbacks der NFL, auf, aber auch abseits des Platzes. Jeder Coaching-Kandidat muss auf der einen Seite ein Coach sein, den Rodgers auch sportlich achtet - auf der anderen Seite muss er in der Lage sein, Rodgers ein Scheme zu bieten, das ihn besser macht und in dem Green Bays Hall-of-Fame-Quarterback seine Stärken betonen und die Schwächen verstecken kann. An dem Punkt wird es spannend: Welcher Coach kommt in Frage? Und wie könnte diese Offense aussehen?
Nach wie vor ist Rodgers einer der besten Deep-Passer der Liga mit einer der höchsten Downfield-Passing-Quoten der NFL und einer der gefährlichsten Quarterbacks außerhalb der Pocket. Eine vertikale Offense mit einem besser designten und intensiver genutzten Play-Action-Passspiel, kombiniert mit Option-Routes und Plays, die Rodgers auf diese Art in Bewegung bringen und gleichzeitig seine Sandlot-Plays besser in die Struktur der Offense einbauen: Green Bay braucht ein Scheme, das Rodgers' Drang zu Improvisation in positive Strukturen lenken kann.
Es gilt, Rodgers immenses Potential auch konstant aufs Feld zu bringen, und dafür muss man seine Stärken in das Scheme einbauen und mit Rodgers selbst arbeiten können. Könnten die Packers etwa Bruce Arians überzeugen, nicht nur für die Browns - wie er es gesagt hat - aus dem Ruhestand zurückzukehren? Dessen vertikales Scheme und seine Autorität und Art als Coach wären eine sehr gute kurzfristige Lösung. Oder wagen sich die Packers an einen heißen College-Namen wie Lincoln Riley, um gewissermaßen "ihren McVay" zu finden?
Unbestreitbar ist, dass die Situation zwischen Rodgers und McCarthy eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machte. Das konnte man während der Spiele in ihren Gesten sehen, das konnte man in Kommentaren zwischen den Zeilen lesen. Es gab Berichte, wonach beide in den Spielen gegeneinander arbeiteten und McCarthy teilweise von Backup-Quarterbacks über veränderte Spielzüge aufgeklärt werden musste. Eine derartige Spannung und Uneinigkeit zwischen dem Head Coach und dem Quarterback kann keine positiven Früchte tragen.
Packers: Coaching-Suche - Aaron Rodgers involviert?
Was bleibt jetzt in Green Bay? Für die Packers ist die Entlassung von McCarthy eine neue Chance, aber auch ein Risiko. Niemand garantiert schließlich einer Franchise, dass sie bei der Head-Coach-Suche die richtige Wahl trifft.
Und niemand kann den Packers garantieren, dass Rodgers unter einem neuen Coach tatsächlich nochmals zu alter MVP-Form findet. Dass ein neuer Head Coach den gleichen Effekt auf die Franchise hat, wie ihn einst McCarthy für Favre und dann Rodgers hatte. Ein Fehlgriff jetzt, und der nächste Head Coach müsste in zwei Jahren womöglich erst einmal auf Quarterback-Suche gehen.
Eine ideale Lösung für die Packers wäre jetzt ein offensiver Head Coach, der an Defensive Coordinator Mike Pettine festhält. Hier sind dieses Jahr klare Fortschritte erkennbar und die junge Defense würde davon profitieren, weiter in Pettines Scheme wachsen zu können.
Rodgers sollte im Auswahlprozess zumindest involviert sein. Natürlich wird er nicht die Entscheidung treffen, doch ist auch klar, dass Green Bay ein Pulverfass, wie man es über die vergangenen Monate zwischen Rodgers und McCarthy erlebte, unter allen Umständen verhindern muss.
Und dann müssen Rodgers und der neue Coach zeigen, dass sie die Packers nochmals nach ganz oben führen können.