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Mitchell Trubisky bei den Chicago Bears: Darum trügt der Schein

Von Jan Dafeld
Mitchell Trubisky geht in sein drittes Jahr bei den Chicago Bears.
© getty

Nach ihrer starken Vorsaison mit zwölf Siegen in der Regular Season zählen die Chicago Bears für so manchen Beobachter zum Favoritenkreis der NFL. Auch von Mitch Trubisky erwarten viele einen Schritt nach vorne und ein starkes Jahr 2019. Bei genauerem Hinsehen sollte allerdings klar werden: Noch hat der junge Quarterback einen langen Weg vor sich.

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Mitch Trubisky hat das beste Jahr seiner noch jungen Karriere hinter sich. Diese Aussage zumindest dürfte auf wenig Widerstand stoßen.

Der 24-Jährige warf doppelt so viele Touchdowns wie Interceptions, brachte rund zwei Drittel seiner Pässe zu seiner Mitspielern, gewann mit seinen Bears elf Spiele, erreichte die Playoffs und wurde in den Pro Bowl gewählt. Gegenüber seiner Rookie-Saison verbesserte er sich in nahezu jeder der klassischen Boxscore-Statistiken.

In der kommenden Spielzeit soll Trubisky nun den nächsten Schritt in seiner Entwicklung machen. Mancherorts wird bereits diskutiert, ob er 2019 der beste Quarterback in der NFC North sein könnte - trotz äußerst namhafter Konkurrenz von Kirk Cousins, Matthew Stafford und vor allem Aaron Rodgers.

Dass Trubisky auch auf dem NFL-Level über einige besondere Qualitäten verfügt, lässt sich nicht bestreiten. Der Youngster verfügt über einen starken Arm, kann enge Fenster treffen und auch aus dem Lauf als Passer gefährlich werden.

Das Playoff-Spiel gegen die Eagles als Beispiel: In den letzten Minuten stellte Trubisky seine Wurfqualitäten unter Beweis, als er Taylor Gabriel bei einem 3rd&11 genau zwischen Cornerback, Safety und Linebacker in einer Cover-2-Coverage traf und kurz darauf den Ball perfekt in die Hände von Allen Robinson auf einer Corner-Route legte. Dass Kicker Cody Parkey letztlich den entscheidenden Field-Goal-Versuch nicht traf und das Aus von Chicago somit besiegelte, konnte dem Quarterback nicht angelastet werden.

Darüber hinaus überzeugte Trubisky über die gesamte Saison immer wieder durch seine überraschend gute Athletik aber auch durch seine Übersicht bei Scrambles. Obwohl die Bears auf vergleichsweise wenige designte Quarterback-Runs setzten, kam Trubisky am Saisonende auf mehr als 400 Rushing-Yards, drei Rushing-Touchdowns und 29 erlaufene First Downs. Das Scrambling war eine seiner gefährlichsten Waffen.

JahrSpieleCmp%YdsYds/ATDIntRush-YdsRush-TD
20171259,42.1936,6772483
20181466,63.2237,424124212

Mitchell Trubisky profitiert von Matt Nagy

Bei all dem Lob, das Trubisky erhielt, darf allerdings nicht vergessen werden, unter welchen Umständen diese Stats zustande kamen. Nämlich: unter beinahe optimalen Umständen.

Als Hauptgrund ist hier ohne jede Frage Matt Nagy anzuführen. Der 41-Jährige verließ im vergangenen Frühling seinen Offensive-Coordinator-Posten bei den Chiefs für die Position des Head Coaches bei den Bears und die Einflüsse des Andy-Reid-Schülers hätten deutlicher kaum sein können. Misdirection, Motion, Play Action, Bewegen der Pocket - Nagy zeigte bei seinem Play-Calling in Chicago die selbe Kreativität, die Kansas City bereits seit Jahren auszeichnet.

Die Folge: Über die Hälfte aller Passversuche von Trubisky gingen in Richtung von weit offenen Receivern. Im Vorjahr unter John Fox und Dowell Loggains waren es gerade mal knapp 40 Prozent gewesen. Die Elemente, die Alex Smith, nach einem guten Jahrzehnt als einer der eher durchschnittlichen Quarterbacks der NFL 2017 zu einem der effektivsten QBs ligaweit gemacht hatten, waren 2018 also auch in Chicago deutlich zu erkennen.

Die Chicago Bears investieren massiv in ihre Offense

Darüber hinaus investierte General Manager Ryan Pace in der Offseason massiv, um in der Offensive besseres Personal auf den Rasen zu bekommen - und somit auch Trubiskys Job deutlich einfacher zu gestalten. Mit Allen Robinson kam ein echter X-Receiver nach Chicago, mit Taylor Gabriel ein Speedster und Deep Threat, mit Trey Burton ein starker Athlet für die Tight-End-Position und mit Anthony Miller einer der gefährlichsten Slot-Receiver auf dem College. Außerdem verstärkten die Bears in der 2. Runde des Drafts mit James Daniels ihre Offensive Line.

Das Resultat all dieser Entwicklungen: Bei über 70 Prozent seiner Dropbacks konnte Trubisky aus einer sauberen Pocket spielen, die Offensive Line der Bears zählte damit zum oberen Liga-Drittel. Darüber hinaus wurden nur zehn von Trubiskys 434 Pässen gedroppt, nur Deshaun Watson (2,3 Prozent) konnte sich über eine noch niedrigere Drop-Quote freuen als die 2,5 Prozent des Bears-Quarterbacks.

Nagys Scheme sowie die Klasse von Spielern wie Gabriel, Burton oder auch Tarik Cohen, der zu den besten Receiving-Backs der Liga zählt, erlaubte es Chicago immer wieder über kurze Pässe zu attackieren und damit erfolgreich zu sein. Der Yards-after-Catch-Anteil der Bears lag im Ligavergleich über dem Durchschnitt.

Mitchell Trubisky: Reads bleiben ein Problem

Nun ist es nicht verboten, von einem starken Offensiv-Scheme zu profitieren. Patrick Mahomes sicherte sich in einem System aus der gleichen Schule in der vergangenen Saison den MVP-Titel. Ähnliches gilt für Carson Wentz, der 2017 unter Doug Pederson, ebenfalls ein ehemaliger Andy-Reid-Noviz, lange auf MVP-Kurs lag oder für Nick Foles, der die Eagles nach Wentz' Verletzung zum Titel führte und selbst Super-Bowl-MVP wurde.

Trubisky spielt allerdings noch längst nicht auf dem Niveau von Mahomes im letzten Jahr oder Wentz 2017, seine Schwächen und Limitierungen werden auf Tape sowie per Advanced Stats mindestens genau so schnell offensichtlich, wie seine positiven Qualitäten.

Der 24-Jährige hat nach wie vor große Probleme mit dem Lesen von Defenses, ganz besonders gegen komplexe Blitz-Schemes. In der vergangenen Saison ging Trubisky bei mehr als zwei Dritteln seiner Würfe zum ersten Read.

Dabei verlässt er sich sehr stark auf seine Pre-Snap-Reads. Präsentiert die Defense nach dem Snap eine andere Coverage, bekommt er Probleme. Es ist kein Zufall, dass Trubiskys mit Abstand bestes Spiel seiner Karriere (2018, Woche 4, 6 Touchdowns, 0 Interceptions) gegen die Buccaneers, die die vielleicht simpelste Defense aller NFL-Teams 2018 spielten, kam.

Bei komplexeren Reads trifft er zu häufig schlechte Entscheidungen und forciert Würfe in Fenster, die nicht offen sind. In der vergangenen Saison wurden 2,8 Prozent von Trubiskys Pässen intercepted, damit lag er über dem Liga-Durchschnitt. Aufgrund mehrerer Drops auf Seiten der Defense hätte diese Zahl allerdings noch deutlich höher liegen können. Laut Pro Football Focus wies 2018 sogar kein Quarterback eine höhere Frequenz von schlechten Pässen auf.

Mitchell Trubisky: Zu inkonstanter Deep Ball

Darüber hinaus hat Trubisky nach wie vor große Probleme bei allen Plays, die über das Kurzpass-Spiel hinausgehen. Eine Tatsache, die bereits auf dem College bei ihm beobachtet werden konnte. In seiner einzigen Saison als Starter bei North Carolina unterwarf er mehrfach weit offene Receiver auf tiefen Routen.

In der vergangenen Saison suchte er den tiefen Pass zwar überdurchschnittlich häufig, agierte dabei allerdings nur wenig effizient.

Bei Pässen mit 10 oder mehr Air Yards zählte Trubisky zu den ungenaueren Quarterbacks der NFL, vor allem "outside the numbers" war die Fehlerquote viel zu hoch. So suchte Trubisky bei rund 15 Prozent seiner Pässe einen Receiver auf einer Go-Route (nur auf Comeback-Routes warf er noch häufiger), wies dabei jedoch eines der schwächsten Passer Ratings ligaweit auf.

Den Bears steht eine schwierigere Saison bevor

Die kommende Saison dürfte für Trubisky somit zu einer entscheidenden in seiner Entwicklung werden. Auf dem College startete er nur ein Jahr ehe er in die NFL kam, mit weiteren Schritten in seiner Entwicklung ist somit durchaus noch zu rechnen. Gleichzeitig dürften sich die äußeren Umstände allerdings nicht noch ein weiteres Jahr so nah am Optimum bewegen.

Dank ihrer überragenden Defense lagen die Bears im vergangenen Jahr fast nie hoch in Rückstand. Nach dem Abgang von Defensive Coordinator Vic Fangio sowie der statistisch in solch extremen Fällen meist unvermeidbaren Regression muss davon ausgegangen werden, dass die Unit dieses überragende Niveau nicht wird halten können. Damit wird automatisch mehr Druck auf die Offense - und somit auf Trubisky - fallen.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die herausragende Drop-Quote der Bears-Receiver sich in der kommenden Saison wieder dem Liga-Durchschnitt nähern wird, auch das überdurchschnittliche Glück mit Drops bei Interceptions wird Trubisky wohl kein zweites Jahr in Folge genießen dürfen. Es erscheint somit durchaus möglich, dass Trubisky 2019 zwar besser spielen wird, seine klassischen Statistiken dies aber nicht wiederspiegeln werden.

Um im Kreis der Contender zu bleiben und in der starken NFC North erneut um den Titel mitzuspielen, wird Chicago im kommenden Jahr aller Voraussicht nach einen starken Quarterback brauchen - auch über das Scheme hinausgehend. Dass Trubisky dies sein kann, hat er bislang noch nicht vollends unter Beweis stellen können. Bleibt der nächste Schritt in der Entwicklung des jungen Signal Callers aus, könnten sich die Bears schneller von ihren Träumen verabschieden müssen, als es dem Team lieb ist.

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